Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwertberechnung bei Gewinnfeststellung
Leitsatz (NV)
Werden mit der Revision in einer Gewinnfeststellungssache nur ein Hinausschieben der ESt-Belastung der Gesellschafter um ein Jahr sowie der Ansatz von Sparerfrei- und Werbungskostenpauschbetrag begehrt, so ist eine Unterschreitung des Regelstreitwerts (25 v. H.) gerechtfertigt.
Normenkette
GKG § 14; BFHEntlG Art. 1 Nr. 5; FGO § 115 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine gewerblich tätige GmbH & Co. KG. Ihre Gesellschafter sind die GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin und W. R. als Kommanditist. An der GmbH sind W. R. und sein Sohn H. R., der beigeladen ist, beteiligt. H. R. ist außerdem stiller Gesellschafter der Klägerin. Seine Gewinnbeteiligung beträgt 45 v. H. Er ist verpflichtet, seine Arbeitskraft der Klägerin entgeltlich zur Verfügung zu stellen. Eventuelle Darlehenskonten erhält er verzinst.
Aufgrund einer Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) für die Streitjahre (1978 und 1979) die Auffassung, H. R. sei Mitunternehmer (atypischer stiller Gesellschafter) der Klägerin. Er erließ entsprechend geänderte Gewinnfeststellungsbescheide für 1978 und 1979. Dabei wurden von dem entsprechend erhöhten Gewinn der Klägerin folgende Beträge H. R. zugerechnet:
1978 1979
DM DM
Gewinnanteil 40 910,65 55 610,00
Tätigkeitsvergütung 49 081,02 62 327,50
Kapitalzinsen - 3 354,45
./. Sonderbetriebsausgaben 3 162,00 3 162,00
86 829,67 118 129,95
Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte nur insofern Erfolg, als das FA den Gewinn 1979 und den dem H. R. zugerechneten Teil davon um 5 000 DM herabsetzte. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen.
Mit der Revision macht die Klägerin die Verletzung des § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. Sie beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Gewinnfeststellungsbescheide 1978 und 1979 - letzteren in der Fassung der Einspruchsbegründung - dahingehend zu ändern, daß die Gewinne um die als Gewinnanteile des H. R. behandelten Beträge herabgesetzt werden.
Das FA beantragt,
die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
Das FA vertritt unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21. Oktober 1966 IV 90/64 (BFHE 87, 551, BStBl III 1967, 433) die Auffassung, daß die Streitwertgrenze von 10 000 DM nicht überschritten sei.
Die Klägerin hingegen meint, im Streitfall müsse der Streitwert mit 25 v. H. der strittigen Gewinnanteile berechnet werden. Das ergebe für 1978 einen Streitwert von 21 707 DM und für 1979 einen Streitwert von 28 282 DM. Das Urteil in BFHE 87, 551, BStBl III 1967, 433 könne auf den Streitfall keine Anwendung finden; denn in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall sei lediglich darum gestritten worden, ob der Gewinn einheitlich festzustellen und unter die Gesellschafter zu verteilen sei. Es sei also weder die Höhe noch die Steuerpflicht des Gewinnanteils streitig gewesen. Im Streitfall werde hingegen eine Gewinnveränderung begehrt. Die einkommensteuerlichen Auswirkungen dieser vorgenommenen Gewinnveränderungen für H. R. seien erheblich. Sie betrügen für 1978 16 374 DM und für 1979 10 582 DM Einkommensteuer.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig, da die Streitwertgrenze von 10 000 DM nicht überschritten ist (§ 115 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i. V. m. Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG - in der Fassung des Gesetzes vom 4. August 1980, BGBl I 1980, 1147, BStBl I, 462), die Revision nicht zugelassen worden ist (§ 115 Abs. 1 FGO) und Gründe für eine zulassungsfreie Revision (§ 116 FGO) nicht geltend gemacht worden sind.
1. Der Streitwert ist nach dem steuerlichen Interesse zu bemessen, das an einer bestimmten Entscheidung besteht, wobei es im Rahmen eines einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahrens nur auf die einkommensteuerrechtlichen (bei Beteiligung Körperschaftsteuerpflichtiger auf die körperschaftsteuerrechtlichen) Auswirkungen ankommt. Diese Auswirkungen sind nach ständiger Rechtsprechung im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung im allgemeinen in Höhe eines bestimmten Vomhundertsatzes des zwischen den Beteiligten streitigen Gewinnbetrags zu berechnen (BFH-Beschluß vom 11. September 1975 IV B 22/71, BFHE 116, 530, BStBl II 1976, 22). Dadurch wird der Forderung Rechnung getragen, schwierige Einzelberechnungen der tatsächlichen Auswirkungen, die ohne Beiziehung der Einkommensteuerakten der Gesellschafter und oft nicht ohne Verletzung des Steuergeheimnisses anzustellen wären, grundsätzlich auszuschließen (BFH-Urteil vom 16. Februar 1960 I 10/58 S, BFHE 70, 388, 394, BStBl III 1960, 145, und Beschluß in BFHE 116, 530, BStBl II 1976, 22).
2. Bei der Entscheidung der Frage, welcher Vomhundertsatz im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung anzuwenden ist, ist in der Rechtsprechung für den Regelfall ein Pauschalsatz von 25 v. H. des streitigen Gewinnes zugrunde gelegt worden (BFH-Entscheidungen vom 9. Oktober 1956 I 207/55 U, BFHE 63, 484, BStBl III 1956, 382; BFHE 70, 388, BStBl III 1960, 145; vom 2. Februar 1967 IV 224/64, BFHE 88, 23, BStBl III 1967, 274; vom 8. November 1973 IV B 6/72, BFHE 110, 487, BStBl II 1974, 138, und vom 8. November 1973 IV B 90/70, BFHE 110, 491, BStBl II 1974, 140, und in BFHE 116, 530, BStBl II 1976, 22).
Im Einzelfall kann jedoch auch ein höherer oder niedrigerer Vomhundertsatz (Entscheidungen in BFHE 70, 388, BStBl III 1960, 145; vom 28. Februar 1961 I 320/60 S, BFHE 72, 540, BStBl III 1961, 196; in BFHE 88, 23, BStBl III 1967, 274; vom 12. März 1970 IV 4/64, BFHE 99, 11, BStBl II 1970, 547; in BFHE 110, 487, BStBl II 1974, 138; in BFHE 116, 530, BStBl II 1976, 22; vom 13. März 1980 IV E 2/80, BFHE 130, 363, BStBl II 1980, 520, und vom 2. Oktober 1980 IV R 235/75, BFHE 131, 288, BStBl II 1981, 38; vom 11. März 1982 IV R 46/79, BFHE 135, 457, BStBl II 1982, 542) oder eine andere Bemessungsgrundlage als der streitige Gewinnbetrag (BFH-Entscheidungen vom 11. März 1982 IV R 46/79, BFHE 135, 457, BStBl II 1982, 542; vom 26. Januar 1967 IV R 64/66, BFHE 88, 21, BStBl III 1967, 254; vom 27. Januar 1972 I R 174/68, BFHE 104, 499, BStBl II 1972, 428) anzuwenden sein.
3. In dem Urteil in BFHE 88, 21, BStBl III 1967, 254 hat der IV. Senat in einem Fall, in dem darum gestritten wurde, ob die einem Gesellschafter gezahlte Vergütung zu seinen gewerblichen Einkünften oder zu seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehörten, ausgeführt, bei der ohnehin nach freiem Ermessen vorzunehmenden Festsetzung des Streitwerts könnten im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung wegen der in dem Urteil des BFH vom 17. Oktober 1961 I 268/60 U (BFHE 74, 108, BStBl III 1962, 41) dargestellten Schwierigkeiten nicht alle Umstände berücksichtigt werden; es sei nur eine Schätzung möglich. Deshalb erscheine es im Interesse der Rechtssicherheit vertretbar, den zu schätzenden Betrag der Einkommensminderung für jeden in Frage kommenden Gesellschafter im Regelfalle mit 500 DM anzusetzen und auf diesen Betrag zur Ermittlung der Vorteile bei der Einkommensteuer den in der Rechtsprechung üblichen, unter Umständen zu erhöhenden Hundertsatz von 25 v. H. anzuwenden.
Der I. Senat des BFH hat sich in seinem Beschluß in BFHE 104, 499, BStBl II 1972, 428 dieser Ansicht für den Fall angeschlossen, in dem der Streit darum ging, ob Vergütungen, die die Gesellschaft gezahlt hat, gewerbliche Einkünfte des Gesellschafters oder Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit seiner mit ihm zusammenveranlagten Ehefrau sind.
In dem vom FA herangezogenen BFH-Urteil vom 21. Oktober 1966 IV 90/64 (BFHE 87, 551, BStBl III 1967, 433) war streitig, ob eine typische oder atypische Gesellschaft vorliegt und ob demzufolge die Gewinnanteile der stillen Gesellschafterin als Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder aus Kapitalvermögen einzuordnen seien. Der IV. Senat hat daraus gefolgert, daß das erstrebte Revisionsurteil höchstens wegen der Werbungskostenpauschale bei den Einkünften aus Kapitalvermögen Bedeutung habe. Deshalb und unter Berücksichtigung des Umstandes, daß den Beteiligten ein ihrer Ansicht nach ungerechtfertigtes zusätzliches Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung aufgezwungen worden sei und unter Berücksichtigung sonstiger möglicher Interessen der Beteiligten hat er den Streitwert frei auf 1 500 DM geschätzt.
4. Wendet man die vorstehend dargestellte Rechtsprechung auf den Streitfall an, so ergibt sich, daß kein Streitwert über 10 000 DM in Betracht kommen kann; denn günstigstenfalls kann im Streitfall der Streitwert unter Berücksichtigung der folgenden Anhaltspunkte auf 4 150 DM geschätzt werden.
Nach ihrem Revisionsantrag begehrt die Klägerin mit der Revision nur die Gewinne, ,,um die als Gewinnanteile" des H. R. behandelten Beträge, also für 1978 40 910,65 DM und für 1979 55 610 DM, herabzusetzen. Dagegen steht die Qualifizierung der Tätigkeitsvergütung, der Kapitalzinsen und der Sonderbetriebsausgaben als Gewinn aus Gewerbebetrieb nicht mehr in Streit. Damit ist das Streitbegehren auf etwas anderes gerichtet als auf die Wiederherstellung der ursprünglichen gegen den Beigeladenen H. R. gerichteten Einkommensteuerbescheide. Die Klägerin erstrebt also mit der Revision nur noch ein Hinausschieben der Einkommensteuerbelastung des H. R. auf die Gewinnanteile um ein Jahr und die Gewährung des Werbungskostenpauschbetrags nach § 9a Satz 1 Nr. 2 EStG von 100 DM sowie des Sparer-Freibetrags nach § 20 Abs. 4 EStG von 300 DM für H. R. Das rechtfertigt äußerstenfalls folgende freie Schätzung des Streitwerts:
Erstrebte Gewinnminderung (40 910 DM + 55 610 DM =) 96 520 DM
davon 40 v. H. 38 608 DM
davon nur 10 v. H. wie im Verfahren wegen Aussetzung
der Vollziehung wegen der Hinausschiebung der
Besteuerung 3 860 DM
Werbungskostenpauschbetrag 100 DM
Sparer-Freibetrag 300 DM
Summe 400 DM
für zwei Jahre = 800 DM
davon 40 v. H. 320 DM
10 v. H. Abschlag wegen Auswirkung
erst im Folgejahr ca. 30 DM + 290 DM
Summe = Streitwert 4 150 DM
Fundstellen
Haufe-Index 414469 |
BFH/NV 1986, 554 |