Leitsatz (amtlich)

1. Ist im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung einer Abschreibungsgesellschaft die Höhe des Verlustes streitig, so ist der Streitwert in der Regel mit 50 v. H. des streitigen Verlustbetrages zu bemessen.

2. Ist der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung darauf gerichtet, einen vorläufigen Rechtsschutz im Hinblick auf eine Zahlungsverpflichtung zu erlangen, so ist der Streitwert auf 10 v. H. des Wertes der Hauptsache zu bemessen.

2. Wird der Rechtsstreit gegen das Feststellungs-FA (auch) um den Grund und die Höhe der letztlich zu zahlenden Steuer geführt, so ist eine Herabsetzung des Streitwertes nicht deshalb gerechtfertigt, weil sich eine unmittelbare rechtliche Auswirkung nur auf die Einkommensteuervorauszahlungsverfahren der Gesellschafter ergibt.

 

Normenkette

GKG §§ 13, 20 Abs. 3

 

Tatbestand

Der Kostenbeamte beim Bundesfinanzhof (BFH) hat in der Kostenrechnung den Streitwert wie folgt berechnet:

 

Entscheidungsgründe

Strittiger Verlustbetrag 8 926 875 DM

davon 50 v. H. voraussichtliche

durchschnittliche Progression 4 463 437 DM

davon 10 v. H. wegen Verfahren nach § 114

der Finanzgerichtsordnung (FGO), zugleich Streitwert 446 343 DM

Mit ihrer Erinnerung begehrt die Kostenschuldnerin,

bei der Kostenrechnung von einem Streitwert von

22 317 DM unter Zugrundelegung folgender Berechnung

auszugehen:

Strittiger Verlustbetrag 8 926 875 DM

davon 25 v. H. wegen Verfahren der

einheitlichen Feststellung 2 231 718 DM

davon 10 v. H. wegen Verfahren

gemäß § 114 FGO 223 171 DM

davon 10 v. H. wegen der Auswirkungen auf das

Einkommensteuervorauszahlungsverfahren,

zugleich Streitwert 22 317 DM

Die Erinnerung ist unbegründet.

Der Kostenbeamte ist bei der Berechnung der Kosten zutreffend von einem Streitwert von 446 343 DM ausgegangen.

1. Im vorliegenden Fall hatte die Kostenschuldnerin beantragt, das FA für Zwecke der Einkommensteuervorauszahlungen zu verpflichten, bei Anfragen der Wohnsitz-FÄ der Kommanditisten die Erklärung abzugeben, es ergebe sich eine auf den Zeichnungsbetrag bezogene Verlustquote von 57,5 v. H. Das FA war demgegenüber nach einer Sonderprüfung nur von einer Verlustquote von 23 v. H. ausgegangen. Mithin war ein Verlustbetrag von insgesamt 8 926 875 DM im Streit. Zwar war weiter streitig, ob der Verlust nur auf die 446 Kommanditisten oder auch noch auf zwei vom FA als Mitunternehmer angesehene Gesellschaften zu verteilen ist. Dieser Streitpunkt kann aber bei der zur Berechnung des Streitwerts gebotenen pauschalierenden Betrachtungsweise gegenüber dem oben bezeichneten Hauptanliegen der Kostenschuldnerin vernachlässigt werden.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. z. B. den Beschluß vom 8. November 1973 IV B 6/72, BFHE 110, 487, BStBl II 1974, 138, mit weiteren Nachweisen) ist im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung der Streitwert nach der vermutlichen einkommensteuerlichen Auswirkung zu schätzen. Dabei ist im Sinne einer Verfahrensvereinfachung anzunehmen, daß diese Auswirkung in der Regel 25 v. H. des streitigen Gewinns ausmacht. Dieser Satz ist allerdings keine feste Größe, sondern er ist veränderbar entsprechend der im Feststellungsverfahren erkennbaren vermutlichen einkommensteuerlichen Auswirkung. Daher ist der Satz von 25 v. H. bei höheren Gewinnanteilen wegen der infolge des progressiven Einkommensteuertarifs zu erwartenden höheren einkommensteuerlichen Auswirkung angemessen zu erhöhen.

Diese Grundsätze gelten bei einem Streit über die Höhe eines Verlustanteils entsprechend. Die Kostenschuldnerin ist eine sog. Abschreibungsgesellchaft, die sich bei der Anwerbung ihrer Kommanditisten ausschließlich an einen Personenkreis mit hohem Einkommen gewandt hat. Dies wird nicht zuletzt aus den Werbeprospekten der Kostenschuldnerin deutlich, nach denen dem Gesellschafter eine Verlustzuweisung in Aussicht gestellt wird, die es ihm bei hoher Steuerprogression (50 v. H.) ermögliche, seine Beteiligung weitgehend über die reduzierte Steuerbelastung während der Investitionsphase zu finanzieren. Wenn der Kostenbeamte unter diesen Umständen die vermutliche einkommensteuerliche Auswirkung nach einem Steuersatz von 50 v. H. berechnet hat, so bestehen dagegen keine Bedenken. Daß sich möglicherweise bei einzelnen Gesellschaftern der Kostenschuldnerin ein Steuersatz unter 50 v. H. ergeben könnte, steht der Berechnung des Kostenbeamten nicht entgegen. Dies wird ausgeglichen durch den Steuersatz bei anderen Gesellschaftern von über 50 v. H. Im übrigen sind gewisse Ungenauigkeiten stets eine Folge pauschalierender Betrachtungsweise, ohne daß dies Veranlassung geben könnte, von der pauschalierenden Betrachtungsweise im Rahmen der Streitwertberechnung abzugehen (vgl. auch BFH-Beschluß vom 16. März 1976 VII E 4/75, BFHE 118, 298, BStBl II 1976, 385).

2. Zutreffend hat der Kostenbeamte den Streitwert des Verfahrens mit 10 v. H. des sich unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen ergebenden Betrages angesetzt, da es sich um ein Verfahren zur Erlangung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 114 FGO gehandelt hat.

Zwar ist nach dem Beschluß des BFH vom 16. November 1976 VII B 84/74 (BFHE 120, 338, BStBl II 1977, 80) der Streitwert des Verfahrens über eine einstweilige Anordnung auf 1/3 des Wertes der Hauptsache zu bemessen. Eine Ausnahme gilt aber, wenn der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung ähnlich einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung darauf gerichtet ist, einen vorläufigen Rechtsschutz im Hinblick auf eine Zahlungsverpflichtung zu erlangen. In einem solchen Fall ist in Anwendung der für die Streitwertbemessung bei der Aussetzung der Vollziehung entwickelten Grundsätze der Streitwert für das Anordnungsverfahren auf 10 v. H. des Streitwerts der Hauptsache festzusetzen. Dies trifft im Streitfall zu. Der Kostenschuldnerin ging es darum, daß das FA vorläufig verpflichtet werde, für Zwecke der Einkommensteuervorauszahlungen die Verlustquote der Gesellschafter den Veranlagungs-FÄ mitzuteilen. Gegenüber der Hauptsache - endgültige Verpflichtung der Verlustmitteilung für Zwecke der Einkommensteuervorauszahlung - war das Anordnungsverfahren damit auf eine vorläufige Vorverlegung der Berücksichtigung der Verluste und damit auf eine vorläufige Herabsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen der Gesellschafter gerichtet. Dies steht einem zeitlichen Aufschub der Zahlungsverpflichtung im Sinne der Entscheidung BFHE 120, 338, BStBl II 1977, 80 gleich.

3. Entgegen der Ansicht der Kostenschuldnerin ist eine weitere Herabsetzung des vom Kostenbeamten mit 446 343 DM als Streitwert angesetzten Betrages nicht gerechtfertigt. Der erkennende Senat hat durch Beschluß vom 14. Dezember 1970 IV B 87/70 (BFHE 101, 41, BStBl II 1971, 206) an der Rechtsprechung festgehalten, nach der im Vorauszahlungsverfahren der Streitwert nach dem vollen streitigen Steuerbetrag zu bemessen ist, wenn der Rechtsstreit um den Grund und die Höhe der letztlich zu zahlenden Steuer geführt wird. Die Rechtfertigung für diese Rechtsprechung hat der Senat darin gesehen, daß sich in der Praxis die FÄ bei der Veranlagung regelmäßig nach einer im Vorauszahlungsverfahren getroffenen gerichtlichen Entscheidung richten werden und damit die gerichtliche Entscheidung im Vorauszahlungsverfahren die gleichen Folgen auslösen kann wie eine Entscheidung im Veranlagungsverfahren.

Das Feststellungs-FA hatte nach einer Sonderprüfung die Verluste in Höhe von 8 926 875 DM nicht anerkannt, und zwar aus rechtlichen Erwägungen, die auch für die spätere endgültige Durchführung des Feststellungsverfahrens von Bedeutung sind. Die Rechtslage des Streitfalles ist daher der Rechtslage der Entscheidung BFHE 101, 41, BStBl II 1971, 206 ähnlich.

Der Hinweis der Kostenschuldnerin auf die Entscheidung des FG Münster (EFG 1979, 414) geht fehl. In dem vom FG Münster zu beurteilenden Sachverhalt hatte der Steuerpflichtige vom Veranlagungs-FA die Berücksichtigung von Verlusten aus einer Beteiligung begehrt, da die Gesellschaft die Steuererklärungen beim Feststellungs-FA bereits abgegeben hatte. Da das Veranlagungs-FA für eine endgültige Entscheidung über die Verluste nicht zuständig war, konnte von einer Entscheidung im Vorauszahlungsverfahren von vornherein keine Folgewirkung für das Feststellungsverfahren ausgehen. Im Streitfall dagegen hatte die Kostenschuldnerin eine Entscheidung des für das Feststellungsverfahren zuständigen FA begehrt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73311

BStBl II 1980, 520

BFHE 1980, 363

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