Leitsatz (amtlich)

Ist im Gewinnfeststellungsverfahren abzusehen, daß sich einkommensteuerliche Auswirkungen nicht ergeben, so ist der Streitwert in der Regel mit dem Satz von 1 v. H. des streitigen Betrages anzusetzen.

 

Normenkette

FGO § 140 Abs. 3

 

Tatbestand

Zu entscheiden ist nach Erledigung der Hauptsache in der Vorinstanz über den Streitwert des finanzgerichtlichen Verfahrens.

Der Komplementär der Revisionsbeklagten (KG) war an einer Reihe von Parten-Reedereien wesentlich beteiligt. Das FA hatte die Parten als notwendiges Betriebsvermögen behandelt und deren Gewinnanteile einschließlich des Anteils am Gewinn aus der Veräußerung der Parten-Reederei X in den einheitlich festgestellten Gewinn der KG einbezogen.

Mit der Sprungberufung hatte die KG geltend gemacht, daß die Beteiligungen ihres Komplementärs an den Parten-Reedereien nicht dem Betriebsvermögen der KG zuzurechnen seien, und dementsprechend einen um 6,7 Mio. DM niedrigeren Gewinn errechnet.

Nachdem der BFH in dem Urteil I 78/61 S vom 25. Mai 1962 (BFH 75, 467, BStBl III 1962, 438) entschieden hatte, daß der Gewinn aus der Veräußerung einer Beteiligung an einer Personengesellschaft, die zum Betriebsvermögen eines anderen gewerblichen Betriebes gehört, nicht zum Gewerbeertrag des anderen Betriebes zählt, erklärte sich das FA damit einverstanden, daß der angefochtene Bescheid entsprechend dem Antrag der KG nach § 94 AO geändert werde.

Das FG führte aus: Die Hauptsache sei erledigt, da dem Antrag der KG in vollem Umfang entsprochen worden sei.

Der Streitwert sei auf 25 v. H. des streitigen Gewinns von 6,7 Mio. DM festzustellen. In dem Verfahren zur einheitlichen Feststellung des Gewinns sei der Streitwert stets nach einem v.H.-Satz des streitigen Gewinns zu bemessen. Das vom FA erstrebte Verfahren, die Gewerbesteuer als Streitwert zugrunde zu legen, würde dem Grundsatz widersprechen, daß der Streitwert sich nach der Steuer bemesse, um die unmittelbar gestritten werde. Die Gewerbesteuer sei jedoch in einem Gewinnfeststellungsverfahren nicht unmittelbar umstritten.

Gegen die Entscheidung des FG legte das FA Rechtsbeschwerde (Revision) ein und führte zur Begründung u. a. aus:

Die Bemessung des Streitwertes durch das FG sei völlig unzutreffend. Der Streitwert sei zwar mit einem v.H.-Satz des streitigen Gewinns anzusetzen. Der BFH habe aber nur im Regelfall 25 v. H. als zutreffenden Satz festgesetzt, sei aber davon abgewichen, wenn dies zu unbilligen Ergebnissen geführt hätte, wie sich aus den Entscheidungen I 320/60 S vom 28. Februar 1961 (BFH 72, 540, BStBl III 1961, 196), I 268/60 U vom 17. Oktober 1961 (BFH 74, 108, BStBl III 1962, 41) und I 227/61 U vom 26. Juni 1962 (BFH 75, 380, BStBl III 1962, 404) ergebe. Die Entscheidung der Frage, ob die Gewinne aus den Parten-Reedereien dem Betriebsvermögen der Steuerpflichtigen zuzurechnen seien, habe für die Steuerpflichtige im Gewinnfeststellungsverfahren keine steuerliche Bedeutung und Auswirkung gehabt. Deshalb führe die Anwendung des höchsten v.H.-Satzes hier zu einem unangemessenen Ergebnis.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision hat teilweise Erfolg.

Die Vorinstanz ist von dem Grundsatz ausgegangen, daß bei Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung ein v.H.-Satz des streitigen Gewinns angesetzt wird (vgl. das BFH-Urteil I 207/55 U vom 9. Oktober 1956, BFH 63, 484, BStBl III 1956, 382), damit schwierige, zum Teil ohne Verletzung des Steuergeheimnisses nicht durchführbare Berechnungen, wie sich die Herabsetzung des Gewinns auswirken würde, ausgeschlossen werden (so BFH-Urteil IV 284/64 vom 11. Februar 1965, HFR 1965, 364). Die Vorinstanz hat auch zutreffend erkannt, daß bei der Bemessung des Streitwerts für das Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung Auswirkungen auf die Höhe der Gewerbesteuer nicht zu berücksichtigen sind, wie der erkennende Senat in dem Urteil IV R 60/67 vom 28. September 1967 (BFH 90, 277, BStBl II 1968, 62) entschieden hat. Der Streitwert ist nach der Steuer zu bemessen, um die unmittelbar gestritten wird.

Die Vorinstanz hat aber verkannt, daß gerade die folgerichtige Beachtung des eben genannten Grundsatzes dazu zwingt, in Sonderfällen des Gewinnfeststellungsverfahrens von der üblichen Bemessung des Streitwerts mit 25 v. H. des streitigen Gewinns abzuweichen.

Ein solcher Sonderfall wurde von der Rechtsprechung bereits bei streitigen Gewinnen über 15 000 DM angenommen. So hielt es der BFH in dem Urteil I 207/55 U für angemessen, wegen der Höhe des streitigen Gewinnbetrages den Streitwert auf 30 v. H. des streitigen Gewinns festzustellen. Bei besonders hohen streitigen Gewinnen ist er entsprechend zu erhöhen; so wurde bei streitigen Gewinnen von über 1 Million DM im allgemeinen ein Satz von 50 v. H. für richtig gehalten (BFH-Urteil VI 24/64 vom 2. April 1965, HFR 1965, 517). Dem lag offensichtlich die Überlegung zugrunde, daß einerseits nach wie vor eine ins einzelne gehende Berechnung, wie sich der Ausgang des über die einheitliche Gewinnfeststellung geführten Rechtsmittels bei den Veranlagungen der einzelnen Gesellschafter auswirken würde, ausgeschlossen bleiben soll, andererseits aber die schon im Gewinnfeststellungsverfahren erkennbaren, für die Höhe der Einkommensteuer bedeutsamen Umstände - in diesen Fällen also die offenkundig verstärkte Belastung durch den Progressionstarif - berücksichtigt werden sollten.

Als Sonderfälle sah die Rechtsprechung auch die Fälle an, in denen nur um die Aufteilung des Gewinns zwischen Ehegatten gestritten wurde (BFH-Urteil I 320/60 S vom 28. Februar 1961, BFH 72, 540, BStBl III 1961, 196). Auch hier entsprach in etwa der für angemessen gehaltene Satz von 10 v. H. des streitigen Gewinns dem Ziel der Rechtsmittelführer, durch möglichst gleichmäßige Verteilung der Einkünfte der Progression des Steuertarifs zu entgehen und damit die Steuerlast zu mindern.

Dem Bestreben, den Streitwert für das Gewinnfeststellungsverfahren den einkommensteuerlichen Auswirkungen anzupassen, ohne dabei andere Umstände zu berücksichtigen, als solche, die schon beim Gewinnfeststellungsverfahren erkennbar sind, entsprach auch das Urteil des erkennenden Senats IV 372/62 vom 16. Juli 1964 (HFR 1965, 78). Bei einem Streit darüber, ob eine KG gewerbliche oder freiberufliche Einkünfte erzielt hat, bei dem also abzusehen war, daß sich die einkommensteuerlichen Auswirkungen, auf die es allein ankommt, auf den Freibetrag nach § 18 Abs. 4 EStG in Höhe von 1 200 DM beschränken würden, sah der Senat diesen Betrag, vervielfacht mit der Zahl der Gesellschafter, als streitbefangenen Teil des Gewinns an auf den der v.H.-Satz für die Errechnung des Streitwerts anzuwenden ist. Im gleichen Sinne wurde in dem BFH-Beschluß IV 3/64 vom 25. August 1966 (BFH 86, 569, BStBl III 1966, 611) bei einem Streit um die Frage, ob das von einer KG an den Gesellschafter gezahlte Autorenhonorar zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb oder aus freiberuflicher Tätigkeit gehört, als streitiger Gewinnanteil nur der Freibetrag des § 18 Abs. 4 EStG angesetzt. Dieser Beschluß wurde ergänzt durch den BFH-Beschluß IV R 64/66 vom 26. Januar 1967 (BFH 88, 21, BStBl III 1967, 254), wonach in der Regel der Streitwert durch Anwendung eines Hundertsatzes auf einen Betrag von 500 DM zu bemessen ist, wenn bei der einheitlichen Gewinnfeststellung der Streit darum geht, ob die einem Gesellschafter gezahlte Vergütung zu seinen gewerblichen Einkünften oder zu seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehört.

In dem dem vorliegenden ähnlichen Fall des BFH-Urteils IV 90/64 vom 21. Oktober 1966 (BFH 87, 551, BStBl III 1967, 433) war der erkennende Senat zu dem Ergebnis gekommen, daß der Streitwert frei zu schätzen sei. Es war dort nur streitig, ob ein Unternehmen von einer Gesellschaft oder von einem Alleinunternehmer mit einem stillen Gesellschafter betrieben wurde und deshalb der Gewinn einheitlich festzustellen und unter die Gesellschafter zu verteilen sei oder der eine der Beteiligten seinen Anteil als Kapitaleinkünfte beziehe. Der Senat ging davon aus, daß die einkommensteuerlichen Auswirkungen offenbar nur unerheblich sein könnten und in solchen Fällen der Streitwert nur frei geschätzt werden könne. In dem Beschluß VI B 49/66 vom 30. Juni 1967 (BFH 89, 328, BStBl III 1967, 612) hat es der VI. Senat des BFH für sinnvoll gehalten, die Grundsätze des Urteils I 320/60 S (Streit und Gewinnaufteilung zwischen Ehegatten) entsprechend anzuwenden, wenn die Einordnung von Einkünften in die Einkunftsart "Einkünfte aus Gewerbebetrieb" oder in die Einkunftsart "Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung" streitig ist, nämlich 10 v. H. des streitigen Gewinn- bzw. Überschußbetrages anzusetzen. Der erkennende Senat schließt sich dem VI. Senat insoweit an, als auch in den Fällen, bei denen bereits im Feststellungsverfahren abzusehen ist, daß sich keinerlei einkommensteuerliche Auswirkungen ergeben werden, der Streitwert auf einem bestimmten v.H.-Satz des streitigen Gewinn- bzw. Überschußbetrages festzusetzen ist. Er hält aber einen allgemeinen Satz von 10 v. H. hier für überhöht. Während bei Ehegattenfällen die Aufteilung des Gewinns einkommensteuerlich von erheblicher Bedeutung sein kann und die dabei erstrebte Vermeidung der Progression durchaus mit 10 v. H. des streitigen Betrages bewertet werden mag, kann nach Auffassung des Senats in den hier fraglichen Fällen, bei denen einkommensteuerliche Auswirkungen nicht nur nicht gering sind, sondern nachweislich gar nicht eintreten können, nur ein ganz niedriger v.H.-Satz gerechtfertigt sein. Weder ein das Rechtsmittel gewinnender noch ein es verlierender Steuerpflichtiger würde für den Ansatz hoher Gebühren - wie sie beispielsweise im vorliegenden Fall anfallen würden - Verständnis aufbringen, wenn die Streitfrage selbst für die Einkommensteuer keinerlei finanzielle Auswirkungen hat und der Steuerpflichtige lediglich durch die Höhe des Gewinns oder Verlustes "beschwert" ist. Der Senat hält es deshalb für sachgerecht, in Fällen der einheitlichen Gewinn- bzw. Überschuß-Feststellung, bei denen im Feststellungsverfahren abzusehen ist, daß sich keinerlei einkommensteuerliche Auswirkungen ergeben können, den Streitwert mit 1 v. H. des streitigen Gewinnbzw. Überschußbetrages oder Verlustes anzusetzen.

Eine Anrufung des Großen Senats wird wegen der Abweichung von dem Beschluß VI B 49/66 nicht erforderlich, da die Frage der Berechnung des Streitwerts, ob mit 10 v. H. oder mit 1 v. H. des streitigen Betrages, in dem Beschluß des VI. Senats nicht entscheidungserheblich war und der VI. Senat der Berechnung mit dem allgemeinen Satz von 1 v. H. zugestimmt hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69039

BStBl II 1970, 547

BFHE 1970, 11

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