Vermietung kein Vorstufenumsatz für die Seeschifffahrt

Hintergrund: Gesetzliche Regelung
Steuerfrei sind gemäß § 4 Nr. 2 UStG insbesondere „Umsätze für die Seeschifffahrt“ im Sinne von § 8 Abs. 1 UStG. Hierzu gehören Lieferungen, Umbauten, Instandsetzungen, Wartungen, Vercharterungen und Vermietungen von Wasserfahrzeugen für die gewerbliche Seeschifffahrt (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 UStG) sowie Lieferungen, Instandsetzungen, Wartungen und Vermietungen von Gegenständen, die zur Ausrüstung dieser Wasserfahrzeuge bestimmt sind (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 UStG), und andere sonstige Leistungen, die für den unmittelbaren Bedarf dieser Wasserfahrzeuge, einschließlich ihrer Ausrüstungsgegenstände und ihrer Ladungen, bestimmt sind (§ 8 Abs. 1 Nr. 5 UStG).
Sachverhalt: Umsatzsteuerpflicht mittelbarer Leistungen für die Seeschifffahrt
Der Sachverhalt stellt sich wie folgt dar:
- Die Klägerin ist Alleinerbin des während des finanzgerichtlichen Verfahrens verstorbenen M. Dieser war im Streitjahr 2011 alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Beigeladenen, einer GmbH, an die er ein Grundstück nebst Fuhr- und Gerätepark verpachtet hatte.
- Die GmbH verfügte über mehrere betriebsbereit auf dem Hafengelände eines Seehafens abgestellte Trimmraupen, die sie im Streitjahr der X-KG, einem Hafenumschlagsunternehmen, mietweise überließ. Die X-KG verwendete die Trimmraupen weit überwiegend zum Löschen von Seeschiffen sowie vereinzelt für Arbeiten in Lagerhallen und beim Entladen von Lastkraftwagen.
- Nach dem jeweiligen Löschvorgang übermittelte die X-KG der GmbH den Namen des gelöschten Seeschiffs und die für das Löschen in Anspruch genommenen Betriebsstunden der Trimmraupen. Auf dieser Grundlage erteilte die GmbH der X-KG für die mietweise Überlassung der Trimmraupen Rechnungen, die unter Bezug auf die Steuerfreiheit von Umsätzen für die Seeschifffahrt keine Umsatzsteuer auswiesen.
In der Umsatzsteuer-Jahreserklärung für das Streitjahr erklärte die Klägerin bzw. M unter Annahme des Bestehens einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft diese Umsätze als steuerfrei. Das Finanzamt (FA) war der Auffassung, dass die Vermietungen der Trimmraupen nicht als Umsätze für die Seeschifffahrt steuerfrei seien, da sie nicht unmittelbar an den Betreiber eines Seeschiffs bewirkt worden seien.
Einspruch und Klage hiergegen hatten keinen Erfolg
Im Revisionsverfahren rügte die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts und beantragte die Aufhebung des FG-Urteils. Das FA beantragte, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Die GmbH trug im Verfahren erläuternd vor, die Trimmraupen seien im Rahmen von seltenen Einzelaufträgen dazu genutzt worden, bereits von Seeschiffen gelöschte Waren in im Seehafen befindlichen Lagerhallen zusammenzuschieben. Im Übrigen seien sie aber fast ausschließlich beim Be- und Entladen von Seeschiffen eingesetzt worden, was sie, die GmbH, in den der Klägerin erteilten Rechnungen unterschieden habe.
Entscheidung: Steuerfreiheit zu Recht verneint
Die Steuerfreiheit gem. § 4 Nr. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 5 UStG ist im Hinblick auf die Vermietung der Trimmraupen durch die GmbH an die X-KG, die nicht Betreiberin von Seeschiffen war, sondern die die angemieteten Trimmraupen zum Löschen der Ladung von Seeschiffen verwendete und damit sonstige Leistungen an Schiffsbetreiber erbrachte, zu Recht verneint worden.
Verwendung für den unmittelbaren Bedarf nicht sicher
Sonstige Leistungen, die für den unmittelbaren Bedarf der in § 8 Abs. 1 Nr. 5 UStG bezeichneten Wasserfahrzeuge bestimmt sind, sind bei richtlinienkonformer Auslegung entsprechend Art. 148 Buchst. d MwStSystRL grds. nur dann steuerfrei, wenn der Unternehmer seine Leistung an den Schiffsbetreiber erbringt, während eine sonstige Leistung, die der Unternehmer auf einer dieser Leistung vorausgehenden Handelsstufe erbringt, nur dann steuerfrei ist, wenn die Bestimmung der – auf der Vorstufe erbrachten – sonstigen Leistung für den vorstehenden Bedarf als sicher gelten kann, ohne dass die Einführung von Kontroll- und Überwachungsmechanismen erforderlich ist.
Die Bestimmung der Verwendung der Trimmraupen für den unmittelbaren Bedarf von Wasserfahrzeugen einschließlich ihrer Ladungen ist im Urteilsfall nicht als sicher anzusehen. Dies ergibt sich bereits aus der fehlenden Identität der von der GmbH und der von der X-KG erbrachten Leistung. Unabhängig hiervon hätte die Prüfung der Bestimmung für den unmittelbaren Bedarf von Wasserfahrzeugen einschließlich ihrer Ladungen zudem die Einführung von Kontroll- und Überwachungsmechanismen erfordert, da vermietete Gegenstände für beliebige Zwecke verwendet werden können und selbst bei einer Vermietung nur für einen bestimmten Zweck die Zweckeinhaltung zu kontrollieren und zu überwachen ist.
Demgemäß spricht gegen die Steuerfreiheit zum einen, dass nach den Feststellungen des FG die X-KG die Trimmraupen im Streitjahr tatsächlich auch für nicht steuerbegünstigte Arbeiten in Lagerhallen und beim Entladen von Lastkraftwagen einsetzte (und entsprechend als steuerpflichtige Leistung behandelte). Zum anderen besteht objektiv die Möglichkeit, dass auch in weiteren Fällen eine nicht steuerbegünstigte Verwendung stattgefunden haben könnte, was nur mit Hilfe gesonderter Kontroll- und Überwachungsmechanismen ausgeschlossen werden kann.
Tatsächlich gewährleistete Kontrollen nicht auschlaggebend
Dass es im konkreten Fall aufgrund der tatsächlich gewährleisteten Kontrolle zu keiner unberechtigten Inanspruchnahme gekommen ist, ist im Hinblick darauf, dass bereits das – abstrakte – Erfordernis von Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen der Anwendung der Steuerfreiheit entgegensteht, unbeachtlich. Somit kann es bei Abschluss eines Vertrags über die Vermietung einer Maschine an einen Hafenumschlagsunternehmer, die objektiv sowohl für steuerfreie als auch für steuerpflichtige Leistungen verwendet werden kann, trotz einer von den Vertragsparteien getroffenen Zweckbestimmung, dass die Maschine beim Löschen eines Seeschiffs eingesetzt werden soll, aufgrund des Wesens der Vermietungsdienstleistung als bloße Nutzungsüberlassung nicht als sicher gelten, dass die Maschine nur für Umsätze verwendet wird, die nach § 8 Abs. 1 UStG steuerfrei sind.
Es reicht daher für die Steuerfreiheit eines Umsatzes auf vorausgehenden Handelsstufen weder aus, dass dieser eine notwendige Voraussetzung für die Ausführung des nachfolgenden – steuerfreien – Umsatzes ist, noch genügt es, dass die Kosten des Vorstufenumsatzes auf den Verfügungsberechtigten der Ladung abgewälzt werden können. Es sind auch keine sich aus anderen Regelungszusammenhängen ergebenden Nachweise für die tatsächliche Verwendung der Trimmraupen – vergleichbar einem Registrierungs- und Zulassungsverfahren für Luftfahrzeuge – erkennbar, welche eine Kontrolle der Einhaltung der vereinbarten Bestimmung hätten entbehrlich machen können.
BFH, Urteil v. 19.12.2024, V R 12/23; veröffentlicht am 15.5.2025
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