Vorsteuerberichtigung bei Erfolglosigkeit des Unternehmens

Entfällt bei einem gemischt genutzten Gegenstand die Verwendung für steuerpflichtige Umsätze bei fortdauernden steuerfreien Umsätzen, kann dies zu einer Vorsteuerberichtigung führen. Der bloße Leerstand ohne Verwendungsabsicht bewirkt dagegen keine Änderung der Verhältnisse.

Hintergrund: Einstellung eines erfolglosen Cafeteria-Betriebs

Streitig ist der Umfang des Vorsteuerabzugs nach Einstellung eines Cafeteria-Betriebs in einem Alten- und Pflegeheim.

Eine GmbH betreibt ein Alten– und Pflegeheim (umsatzsteuerfreie Tätigkeit). In 2003 errichtete sie in einem Anbau eine Cafeteria, die für Besucher und für Heimbewohner zugänglich war. Die GmbH vertrat die Auffassung, sie nutze die Cafeteria ausschließlich für steuerpflichtige Umsätze. Das FA nahm dagegen eine steuerfreie Nutzung zu 10% an (für Versammlungen der Heimbewohner) und korrigierte die Vorsteuer entsprechend.  

Nach einer Außenprüfung ging das FA davon aus, die GmbH habe in 2008 den Betrieb der Cafeteria eingestellt. Aufgrund der weiterhin bestehenden Nutzung durch die Heimbewohner habe sich das bisherige Nutzungsverhältnis von 10% Nutzung durch die Heimbewohner zu 90% Nutzung durch auswärtige Besucher auf eine nunmehr 100%ige Nutzung durch Heimbewohner geändert, sodass eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs vorzunehmen sei (Streitjahre 2009 bis 2012).

Die GmbH wandte ein, es liege keine Nutzungsänderung vor. Denn die Nutzung durch die Heimbewohner betrage nach wie vor lediglich 10%. Die Annahme einer weiter gehenden Nutzung widerspreche den tatsächlichen Gegebenheiten. Wegen der entsprechenden Verwendungsabsicht sei auf den Leerstand weiterhin die Nutzung als Café anzuwenden.

Das FG wies die Klage ab. Die Cafeteria habe nicht gänzlich leer gestanden, sondern sei nunmehr ausschließlich steuerfrei durch die Heimbewohner (für Veranstaltungen des Heims) genutzt worden. Eine Nutzung zu anderen als zu steuerfreien Zwecken habe nicht vorgelegen. Mit ihrer Revision machte die GmbH geltend, die bloße Nichtnutzung ohne private Verwendungsmöglichkeit führe nicht zu einer Vorsteuerberichtigung. Es liege allenfalls eine ein- oder zweimalige Nutzung jährlich für den Betrieb des Heims und seiner Bewohner (Versammlungen) vor.

Der BFH setzte das Revisionsverfahren aus und legte die Problematik des Vorsteuerabzugs bei Einstellung der Nutzung im Umfang der zuvor steuerpflichtigen Verwendung dem EuGH zur Vorabentscheidung vor (BFH v. 27.3.2019, V R 61/17, BFH/NV 2019, 786). Der EuGH hat hierauf mit Urteil "Finanzamt Bad Neuenahr-Ahrweiler" vom 9.7.2020, C-374/19 (EU:C:2020:546, BFH/NV 2020, 1037, Rz 35) geantwortet, dass ein Steuerpflichtiger "zur Berichtigung des ursprünglichen Vorsteuerabzugs verpflichtet ist, wenn er jeglichen besteuerten Umsatz in den Räumlichkeiten ... eingestellt hat, sofern er weiterhin steuerbefreite Umsätze in diesen Räumlichkeiten getätigt und diese somit nunmehr ausschließlich für diese Umsätze genutzt hat." Nach Vorliegen der EuGH-Entscheidung konnte der BFH nunmehr über die Revision der GmbH entscheiden.

Entscheidung: Unterscheidung zwischen Fortsetzung der steuerfreien Umsätze und bloßem Leerstand

Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies den Fall an das FG zurück. Entfällt bei einem zunächst gemischt für steuerpflichtige und steuerfreie Umsätze genutzten Gegenstand die Verwendung für die steuerpflichtigen Umsätze, setzt der Unternehmer jedoch die Verwendung für die steuerfreien Umsätze fort, kann dies zu einer Vorsteuerberichtigung führen. Dagegen bewirkt der bloße Leerstand ohne Verwendungsabsicht keine Änderung der Verhältnisse. Demnach ist (dem EuGH folgend) aufgrund der Einstellung der besteuerten Umsätze zu unterscheiden:

  • Werden die Räume weiterhin genutzt, und zwar nunmehr ausschließlich für steuerbefreite Umsätze, liegt eine Änderung der für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse vor, die zu einer Berichtigung des Vorsteuerabzugs führt.  
  • Bei einem bloßen Leerstand tätigt der Unternehmer dagegen überhaupt keine Umsätze. Eine Berichtigung kommt nicht in Betracht.

Möglicherweise punktuelle Verwendung für steuerfreie Umsätze

Im Streitfall ist somit entscheidend, ob die Räume der Cafeteria leer standen oder nunmehr (ausschließlich) im Rahmen steuerfreier Umsätze genutzt wurden. Das FG ging davon aus, dass nur die "steuerpflichtige Nutzung durch die auswärtigen Besucher weggefallen" sei, während die Nutzung durch die Heimbewohner "im bisherigen Umfang" fortgesetzt wurde. Entscheidend ist jedoch, ob die Räume der Cafeteria verschlossen waren und eine nur punktuelle Verwendung für Veranstaltungen des Heims mit einem Leerstand ohne Verwendungsabsicht im Übrigen vorlag. Denn im Umfang eines derartigen Leerstands liegt keine Nutzung für steuerfreie Umsätze vor. Für diesen Fall käme nur eine anteilige Vorsteuerberichtigung im Umfang der Verwendung für die (steuerfreien) Veranstaltungen, nicht aber eine vollumfängliche Berichtigung für das gesamte Jahr in Betracht. Hierzu sind vom FG in einem zweiten Rechtsgang weitere Feststellungen zu treffen.

Hinweis: Leerstand ohne Verwendungsabsicht

Die Überlegung des FG ist grundsätzlich zutreffend. Fällt bei einer gemischten Nutzung die steuerpflichtige Nutzung weg, kann sich die bisherige nur anteilige steuerfreie Nutzung in eine 100%ige steuerfreie Nutzung wandeln. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die steuerfreie Nutzung tatschlich in diesem Umfang stattfindet. Daran fehlt es, wenn an die Stelle der bisherigen steuerpflichtigen Nutzung ein Leerstand ohne Verwendungsabsicht tritt.  

BFH Urteil vom 27.10.2020 - V R 20/20 (V R 61/17), V R 20/20, V R 61/17 (veröffentlicht am 25.02.2021)

Alle am 25.02.2021 veröffentlichten Entscheidungen des BFH.