Vorsteuerabzug aus Rechnungen einer Briefkastenfirma
Die Klägerin, eine Kapitalgesellschaft, betreibt einen Schrotthandel. Sie bezog im Streitjahr neun Einzellieferungen von einer GmbH, die in einem inländischen Handelsregister eingetragen war. Der Geschäftsführer der GmbH hatte die Kontakte unter Angabe einer inländischen Festnetznummer, eines inländischen Firmensitzes sowie der Vorlage einer Bescheinigung, ein umsatzsteuerpflichtiges Unternehmen zu sein, angebahnt. Deren Steuerberater bestätigte der Klägerin, die GmbH versteuere ihre Umsätze nach den allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes und sei zum Vorsteuerabzug berechtigt. Der Schrott wurde jeweils von einem LKW mit ungarischen Kennzeichen zur Klägerin gebracht. Die Klägerin fertigte für jede Schrottanlieferung Wiegescheine und erteilte Gutschriften. Die GmbH stellte über die Schrottlieferungen Rechnungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis aus. Diese unterschrieb deren Geschäftsführer. Die Klägerin überwies den Rechnungsbetrag und machte Vorsteuern geltend.
Finanzamt verweigert Vorsteuerabzug
Das beklagte Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug, da in den Rechnungen der Sitz des leistenden Unternehmens nicht richtig angegeben sei. Eine „vollständige Anschrift“ setzte die Angabe der zutreffenden Anschrift voraus. Die Anschrift der GmbH im Inland befinde sich am Sitz einer Kanzlei, die eine Domiziladresse für weitere Firmen sei. Die GmbH habe dort kein eigenes Büro. Sie habe neben dem Geschäftsführer keine Angestellten, kein Lager und keinen ei
genen LKW. Die Geschäftsunterlagen seien in Ungarn gewesen. Dort sei ihr Sitz. Der Geschäftsführer der GmbH habe den von der Kanzlei zur Verfügung gestellten Schreibtisch mit Computer und Telefon einmal monatlich aufgesucht und Rechtsanwalt T bevollmächtigt, im Inland ihre Interessen wahrzunehmen.
Konkretisierung durch EuGH steht aus
Das Finanzgericht entschied hingegen, der Europäische Gerichtshof habe bislang den Begriff „vollständige Anschrift“ nicht konkretisiert. Es könne die Angabe des handelsrechtlichen Gesellschaftssitzes genügen. „Anschrift“ und „Sitz der wirtschaftlichen Aktivität“ seien nicht gleichzusetzen. Der Europäische Gerichtshof sei in Bezug auf formale Rechnungsanforderungen großzügig. Für diese Auslegung spreche der Grundsatz der Rechtssicherheit. Der Sitz könne im Gegensatz zu „geschäftlichen Aktivitäten“ mit allgemein zugänglichen Quellen, dem Handelsregister, bestimmt werden. Im Übrigen hätten im Inland geschäftliche Aktivitäten stattgefunden. Die Räume seien tatsächlich aufgesucht und die Leistungen, Schrottlieferungen, tatsächlich erbracht worden. Ein Vorsteuerabzug sei zwar bei betrügerischem oder missbräuchlichem Handeln ausgeschlossen. Die Klägerin habe sich jedoch nach den tatsächlichen Umständen nicht an einer Steuerhinterziehung beteiligt. Sie habe wie ein vernünftiger Wirtschaftsteilnehmer agiert.
Das FG Baden-Württemberg ließ die Revision zu. Diese ist anhängig unter dem Aktenzeichen V R 28/16.
FG Baden-Württemberg, Urteil v. 21.4.2016, 1 K 1158/14
Hinweis der Haufe Online Redaktion: Der BFH hat dem EuGH bereits entsprechende Fragen in zwei anderen Verfahren zur Klärung vorgelegt.
-
Vorsteuerabzug bei Betriebsveranstaltungen
407
-
Antrag auf Aufteilung der Steuerschuld nach § 268 AO ist unwiderruflich
391
-
Sonderausgabenabzug für einbehaltene Kirchensteuer auf Kapitalerträge aus anderen Einkunftsarten
355
-
Abschreibung für eine Produktionshalle
350
-
Vermietung an den Partner in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft
293
-
Anschrift in Rechnungen
266
-
Berechnung der Zehn-Jahres-Frist bei sanierungsrechtlicher Genehmigung
220
-
Teil 1 - Grundsätze
217
-
Korrektur des IAB-Abzugs nach § 7g Abs. 3 EStG
210
-
Entgeltlicher Verzicht auf Nießbrauch bei einem vermieteten Grundstück
2051
-
Unentgeltliche Übertragung eines Teil-Mitunternehmeranteils
23.12.2025
-
Rückgängigmachung eines nicht ordnungsgemäß angezeigten Erwerbsvorgangs
23.12.2025
-
Einbringung von Anteilen an einer grundbesitzenden PersG in erst kurz zuvor gegründete KapG
22.12.2025
-
Besteuerung von Zahlungen aus einem US-amerikanischen 401(k) pension plan
22.12.2025
-
Schadenersatz wegen Datenschutzverstößen einer Finanzbehörde
22.12.2025
-
Grunderwerbsteuer bei Verlängerung der Beteiligungskette
19.12.2025
-
Grunderwerbsteuer bei Verkürzung der Beteiligungskette
19.12.2025
-
Alle am 18.12.2025 veröffentlichten Entscheidungen
18.12.2025
-
Abgeltungszahlungen für den Urlaubsanspruch
17.12.2025
-
Anwendungsbereich des § 64 EStG
17.12.2025