Zur Verlustnutzung nach Beendigung einer zweigliedrigen KG durch Anwachsung auf eine GmbH
Rechtsfrage
Der BFH hatte im Urteilsfall zu klären, ob Verluste im Sinne des § 15a EStG und des § 10a GewStG, die für eine GmbH als alleinige Kommanditistin einer GmbH & Co. KG entstanden sind, im Fall der Anwachsung auf die GmbH von dieser mit eigenen Gewinnen verrechnet werden können.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, war alleinige Kommanditistin einer GmbH & Co. KG. 2011 trat die – am Kapital nicht beteiligte – alleinige persönlich haftende Gesellschafterin, die B Verwaltungs-GmbH, entschädigungslos "zum Stichtag 30.12.2011" aus der KG aus. Demzufolge ging das Vermögen der KG im Wege der Anwachsung auf die Klägerin über (§ 161 Abs. 2, § 105 Abs. 3 HGB i.V.m. § 738 BGB a.F., vgl. auch §§ 712, 712a BGB n.F.).
- In ihrer Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2011 machte die Klägerin einen Verlust geltend, der dem bisher von ihr nicht geltend gemachten Verlust nach § 15a EStG im Zeitpunkt der Anwachsung entsprechen sollte. Das Finanzamt (FA) folgte dem nicht.
- Korrespondierend machte die Klägerin in ihrer Gewerbesteuererklärung 2011 ebenfalls einen durch die Anwachsung übernommenen Gewerbeverlust geltend. Diesen Verlust berücksichtigte das FA im Gewerbesteuermessbescheid 2011 zunächst, änderte ihn später aber nach einer Außenprüfung, da es an der für die Verlustnutzung notwendigen Unternehmensidentität fehle.
- Die Einspruchsverfahren der Klägerin blieben in beiden Fällen erfolglos.
- Das für die KG zuständige Finanzamt erließ später u.a. einen Änderungsbescheid für 2011 über die gesonderte Feststellung des verrechenbaren Verlusts nach § 15a Abs. 4 EStG, in welchem ein verrechenbarer Verlust der Klägerin als Kommanditistin der KG auf den 31.12.2011 festgestellt wurde. Außerdem erging ein Änderungsbescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts auf den 31.12.2011. Diese Bescheide wurden bestandskräftig.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage, die zuletzt auf die Berücksichtigung eines Verlusts bei der Körperschaftsteuer und eines Verlustvortrags bei der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags jeweils für 2011, hilfsweise für 2012, gerichtet war, in den Hilfsanträgen für das dortige Streitjahr 2012 statt. Im Übrigen – in Bezug auf das dortige Streitjahr 2011 – wies es die Klage ab.
Revision durch das Finanzamt
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es macht u.a. geltend, das FG habe rechtsfehlerhaft angenommen, dass der nach § 15a Abs. 4 EStG festgestellte verrechenbare Verlust im Fall der Anwachsung einer KG auf eine GmbH mit jeglichen Gewinnen verrechnet werden könne. Gewerbesteuerrechtlich könne die angegriffene Entscheidung gleichfalls keinen Bestand haben. Zwar sei die Unternehmeridentität zwischen der KG und der Klägerin gewahrt, doch fehle es an der Unternehmensidentität.
Entscheidung: Körperschaft- und gewerbesteuerrechtliche Verlustnutzung in 2012
Zutreffend hat das FG der Klage jeweils für das Streitjahr 2012 stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Die für die Klägerin aus ihrer Beteiligung an der KG gemäß § 15a Abs. 4 EStG auf den 31.12.2011 festgestellten verrechenbaren Verluste mindern den Gewinn der Klägerin bei der Körperschaftsteuer erst für das Streitjahr 2012. Auch der für die KG auf den 31.12.2011 festgestellte vortragsfähige Gewerbeverlust nach § 10a GewStG ist bei der Klägerin erst im Streitjahr 2012 zu berücksichtigen.
Zur körperschaftsteuerrechtlichen Verlustnutzung
Der BFH hat bereits entschieden, dass § 15a EStG zum Wechsel des Kommanditisten in die Stellung eines persönlich haftenden Gesellschafters keine Aussage trifft und diese Regelungslücke des Gesetzes in der Weise auszufüllen ist, dass aufgrund der Übernahme der unbeschränkten gesellschaftsrechtlichen Haftung die bisher als verrechenbar festgestellten Verluste zwar nicht in ausgleichsfähige Verluste umzuqualifizieren sind, diese Verluste aber – einkunftsquellenbezogen – in Analogie zu § 15a Abs. 2 EStG von den zukünftig erzielten Beteiligungs- und Unternehmensgewinnen abzusetzen sind (vgl. BFH, Urteil v. 14.10.2003, VIII R 38/02, BStBl II 2004, 115, unter II.3.b und c, m.w.N.).
Diese Grundsätze gelten auch für den vorliegenden Fall, in dem das Vermögen der KG, deren Geschäftsbetrieb noch nicht vollständig eingestellt war, im Wege der Anwachsung auf die Kommanditisten-GmbH überging. Geht schon der Anteil am verrechenbaren Verlust des ausscheidenden Gesellschafters aus einer zweigliedrigen KG auf den letzten verbleibenden Gesellschafter über (vgl. BFH, Urteil v. 11.5.1995, IV R 44/93, BFHE 177, 466, unter I.5.), gilt dies erst recht für den Fall, in dem der verbleibende Gesellschafter alleiniger Inhaber der verrechenbaren Verluste war. Der Umstand, dass die Anwachsung auf eine GmbH erfolgt, führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Denn auch diese haftet mit ihrem gesamten Vermögen, wenn auch kraft Rechtsform hierauf beschränkt.
Wenn sich aus § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG für den – hier nicht gegebenen – Fall, dass eine Personengesellschaft in die Rechtsstellung einer Körperschaft eintritt, eine abweichende Rechtsfolge ergibt, ist dies Ausfluss einer Spezialregelung des Umwandlungssteuerrechts, die auf den Fall der (einfachen) Anwachsung nicht anwendbar ist. Die Regelung ist auch nicht – zu Lasten des Steuerpflichtigen – analog anzuwenden.
Saldierung mit allen Gewinnen der GmbH möglich
Die Klägerin als GmbH kann die von der KG übernommenen Verluste mit sämtlichen Gewinnen aus ihrem gesamten Betrieb saldieren, denn seit der Anwachsung gibt es nur noch eine einzige Einkunftsquelle, auf deren Gewinne es für eine mögliche Verrechnung ankommt; § 8 Abs. 2 KStG stellt klar, dass eine unter diese Vorschrift fallende Körperschaft nur einen einheitlichen Gewerbebetrieb hat.
Saldierung im Urteilsfall aber erst ab 2012 möglich
Ausgehend von dem Umstand, dass die letzte – bestandskräftige – gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlusts gemäß § 15a Abs. 4 EStG bei der KG auf den 31.12.2011 erfolgt ist, sind zukünftige Gewinne bei der Klägerin erst solche nach dem 31.12.2011. Ein Abzug des für die KG festgestellten Verlusts kann deshalb erst im Rahmen der Körperschaftsteuer für das Streitjahr 2012 erfolgen.
Zwar erfolgte die Anwachsung auf die Klägerin bereits zum 30.12.2011, was – aus dem Stichtagsprinzip folgend – an sich bedeutet, dass § 15a EStG bei der KG für das gesamte Jahr 2011 nicht mehr anzuwenden gewesen wäre. Demnach hätte auf den 31.12.2011 keine gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlusts gemäß § 15a Abs. 4 EStG mehr erfolgen dürfen. Gleichwohl ist ein solcher Bescheid ergangen und bestandskräftig geworden. Er ist daher die nach § 182 AO bindende Grundlage für die weitere Berücksichtigung der Verluste bei der Klägerin.
Hinweis: Auch gewerbesteuerrechtliche Verlustnutzung möglich
Der bei der KG festgestellte Verlust im Sinne des § 10a GewStG konnte von der GmbH ebenfalls genutzt werden. Nach Auffassung des BFH gibt es keine Rechtsgrundlage dafür, in einem Fall wie dem vorliegenden die Verlustnutzung von der identitätswahrenden Fortführung des verlustverursachenden Betriebs der Personengesellschaft abhängig zu machen. Der XI. Senat schließt sich insoweit den Ausführungen des III. Senats an (vgl. hierzu BFH, Urteil v. 25.4.2024, III R 30/21, BStBl II 2025, 56, Rz 30 ff.).
Der gewerbesteuerrechtliche Grundsatz der Unternehmenskontinuität erfordert wegen § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG jedenfalls dann nicht die Fortführung der Tätigkeit der bisherigen KG durch den ehemaligen Kommanditisten in der Rechtsform einer GmbH, wenn die Tätigkeit der KG zum Zeitpunkt der Anwachsung nicht vollständig eingestellt war. Ob von diesem Grundsatz dann eine Ausnahme zu machen wäre, wenn die unternehmerische Tätigkeit der Personengesellschaft bereits vor der Anwachsung vollständig beendet ist, konnte der BFH im Urteilsfall offenlassen; denn das gewerbliche Unternehmen, von dem der Verlust herrührt, war nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG zu diesem Zeitpunkt lediglich weitgehend, aber nicht vollständig eingestellt.
BFH, Urteil v. 19.3.2025, XI R 2/23; veröffentlicht am 28.8.2025
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