Unterbringung in Seniorenheim als außergewöhnliche Belastung?

Von hoher Praxisrelevanz ist die Frage, ob Aufwendungen für die Unterbringung in einem Seniorenheim als außergewöhnliche Belastung i.S.d. § 33 Abs. 1 EStG berücksichtigungsfähig sind, wenn eine ständige Pflegebedürftigkeit (noch) nicht gegeben ist. 

Die höchstrichterliche Rechtsprechung bietet dazu – soweit ersichtlich – dazu nur Weniges. Entschieden ist, dass Aufwendungen für die krankheitsbedingte Unterbringung in einem Seniorenwohnstift zwangsläufig i.S.d. § 33 EStG und nach Maßgabe der für Krankheitskosten geltenden Grundsätze als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind, soweit sie nicht außerhalb des Rahmens des Üblichen liegen (BFH, Urteil v. 14.11.2013, VI R 20/12, Haufe Index 6621157).

Unterbringung außerhalb des Pflegebereichs

Zur Frage, ob der Aufenthalt in einem Seniorenheim auch dann krankheitsbedingt sein kann, wenn eine ständige Pflegebedürftigkeit (noch) nicht gegeben ist, hat sich jetzt das Niedersächsische FG in einer für die Steuerpflichtigen erfreulichen Weise geäußert (FG Niedersachsen, Urteil v. 19.4.2018, 11 K 212/17, Haufe Index 11748591). Im Entscheidungsfall bewohnte eine Steuerpflichtige 2015 ein Apartment in einer Seniorenresidenz. Aus dem Wohnvertrag entstanden ihr für die ca. 63,70 qm große mit einer Küchenzeile, 2 Balkonen, 2 Bädern und einem Kellerraum ausgestattete 2-Zimmer-Wohnung Aufwendungen in Höhe von 33.883,50 EUR für Miete mit Nebenkosten. Die Steuerpflichtige mit einem Grad der Behinderung von 50 war nicht im Pflegebereich des Altersheims untergebracht, auch bezog sie keine Pflegeleistungen.

Finanzamt lehnte außergewöhnliche Belastungen ab 

Nach einem Attest ihres Hausarztes ist die Steuerpflichtige aufgrund ihrer diversen Krankheiten seit dem 1.10.2014 derart in ihrer Alltagskompetenz eingeschränkt, dass sie sich nicht mehr im eigenen Haushalt selbst versorgen kann. Eine Unterbringung in einem Senioren- und Pflegeheim sei daher aus ärztlicher Sicht ab diesem Zeitpunkt dauerhaft unumgänglich, da es sich um chronische Krankheitsbilder handele und eine Verbesserung sich nicht mehr einstellen werde. Nach einem vom Gericht im Klageverfahren eingeholten weiteren Attest desselben Arztes litt die Steuerpflichtige an einer schweren Osteoporose, einer fortgeschrittenen verschleißbedingten Veränderung der gesamten Wirbelsäule sowie der Knie- und Hüftgelenke und daraus resultierend schwersten Schmerzen im Bereich des Rückens und der Beine. Die Schmerzen seien teilweise so ausgeprägt gewesen, dass die Steuerpflichtige gelähmt gewesen sei. Zudem habe eine mittelgradige Depression bestanden. Das Finanzamt erkannte bei der Einkommensteuerveranlagung 2015 die als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Aufwendungen für die Seniorenresidenz nicht an, weil sie nicht außergewöhnlich i.S.d. § 33 EStG seien.

Praxis-Tipp: Aufwendungen sind dem Grund nach abzugsfähig

Das FG Niedersachsen hat entschieden, dass im Falle einer Heimunterbringung der Tatbestand des § 33 EStG erfüllt sein kann, wenn der Aufenthalt ausschließlich durch eine Krankheit veranlasst ist, wobei eine Unterscheidung zwischen "normalen" und altersbedingten Erkrankungen nicht vorzunehmen ist. Auch häufig im Alter auftretende Krankheiten können eine krankheitsbedingte Unterbringung rechtfertigen. Der Aufenthalt in einem Seniorenheim kann auch dann krankheitsbedingt sein, wenn eine ständige Pflegebedürftigkeit (noch) nicht gegeben ist. Der Höhe nach sind Aufwendungen jedoch nicht über den Betrag berücksichtigungsfähig, der rechnerisch auf eine übliche Wohnfläche in einem Seniorenheim von 30 qm entfällt.

Im Urteilsfall hat das FG die berücksichtigungsfähigen Gesamtkosten auf 30 qm umgerechnet und nach Abzug der zumutbaren Belastung und der Haushaltsersparnis von 8.472 EUR (= Grundfreibetrag 2015) als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen. Hiergegen wurde eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (Az beim BFH VI B 42/18).