BFH

Rückabwicklung einer Anteilsübertragung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage


 Irrtum über Steuerfolgen bei Ehevertrag

Wird die Übertragung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft durch die Parteien des Kaufvertrags wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage rückgängig gemacht, kann dieses Ereignis steuerlich auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückwirken. Die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, müssen sich weder aus dem Vertragswortlaut ergeben noch zeitnah mit Vertragsabschluss gegenüber der Finanzverwaltung offengelegt werden.

Hintergrund: Irrtum über Steuerfolgen bei Ehevertrag

Streitig war im Urteilsfall, ob eine aufgrund des Wegfalls der Geschäftsgrundlage erfolgte Vertragsanpassung ein rückwirkendes Ereignis darstellt, das einen entstandenen Veräußerungsgewinn gem. § 17 EStG mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit entfallen lässt.

Dem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

  • Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Der Kläger war an einer GmbH beteiligt.
  • Nachdem die Kläger abweichend vom gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft die Gütertrennung vereinbarten, ergab sich ein Zugewinnausgleichsanspruch der Klägerin. Diesen erfüllte der Kläger vereinbarungsgemäß durch die Übertragung von GmbH-Anteilen.
  • Die Kläger gingen beide – nach einer entsprechenden Auskunftserteilung durch den Steuerberater – davon aus, dass die Übertragung der GmbH-Anteile keine Einkommensteuer auslöse.
  • Das Finanzamt (FA) sah darin jedoch eine steuerpflichtige Veräußerung gemäß § 17 EStG und unterwarf den Vorgang im Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheid 2019 nach § 17 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 Satz 5 EStG der Besteuerung.
  • Daraufhin schlossen die Kläger in 2020 eine Änderungsvereinbarung. Sie hielten darin fest, dass sie bei Abschluss des Ehevertrags in 2019 übereinstimmend die Vorstellung gehabt hätten, dass die Übertragung der Anteile zum Ausgleich der Zugewinnausgleichsforderung keine einkommensteuerlichen Konsequenzen haben würde.
  • Statt der Anteilsübertragung vereinbarten sie nunmehr zur Erfüllung des Zugewinnausgleichsanspruchs eine Geldzahlung und im Übrigen die Stundung des Ausgleichsanspruchs. Sie seien übereinstimmend davon ausgegangen, dass der rechtliche Grund für die Abtretung der Geschäftsanteile entfallen sei.
  • Zur Erfüllung des "Bereicherungsanspruches nach § 812 BGB" übertrug die Klägerin u.a. die Geschäftsanteile mit allen Rechten, Pflichten und dem Gewinnbezugsrecht für das abgelaufene Geschäftsjahr an den Kläger zur Alleinberechtigung zurück und trat die Geschäftsanteile ab.
  • In ihrer Einkommensteuererklärung für 2019 erklärten die Kläger keinen Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG.

Das FA folgte dem nicht und setzte einen Veräußerungsgewinn an. Durch den vertraglich beschlossenen Zugewinnausgleich im Ehevertrag sei der Tatbestand des § 17 EStG erfüllt, es handele sich um einen tauschähnlichen Vorgang. Die Rückabwicklung durch die Änderungsvereinbarung stelle kein rückwirkendes Ereignis dar. Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Der Veräußerungsgewinn sei mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit entfallen. Die Rückübertragung der Geschäftsanteile auf den Kläger aufgrund der Änderungsvereinbarung stelle ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar.

Im Revisionsverfahren trägt das FA u.a. vor, dass sich Steuerpflichtige nicht nachträglich auf eine Steuerklausel berufen können, die sie der Finanzbehörde nicht rechtzeitig bekanntgegeben haben.

Entscheidung: Kein Veräußerungsgewinn wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage

Der BFH hat die Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen und die Auffassung des FG bestätigt. Es liegt kein Veräußerungsgewinn vor.

Die rückwirkende Änderung des Ehevertrags wurde anerkannt. Die Rückabwicklung kann steuerlich so behandelt werden, als wäre die Anteilsübertragung nie erfolgt. Allerdings bleiben die Voraussetzungen für die Anerkennung einer steuerlich rückwirkenden Änderung entsprechender vertraglicher Abreden streng und gelten nur für Ausnahmefälle.

Wegfall der Geschäftsgrundlage

Das Fehlen oder der Wegfall der Geschäftsgrundlage kann steuerrechtlich ein rückwirkendes Ereignis auslösen. So kann nach § 313 Abs. 1 BGB eine Anpassung des Vertrags verlangt werden, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

Nach § 313 Abs. 2 BGB steht es einer Veränderung der Umstände gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen. In Frage kommen Tatsachen oder rechtliche Bewertungen, wozu auch steuerrechtliche Folgen gehören. Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage kann jedoch nur dann erfolgreich geltend gemacht werden, wenn die Störung nicht ausschließlich in den Risikobereich einer Partei fällt und wenn die Vertragserfüllung trotz geänderter Umstände nicht zumutbar ist.

Weil die Ansprüche aus dem Steuerverhältnis nach § 38 AO entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft, kommt eine rückwirkende Änderung im Steuerrecht nur in Ausnahmefällen in Betracht.

Vor diesem Hintergrund verlangt der BFH, dass der Grund für den Wegfall der Geschäftsgrundlage bereits im Rechtsgeschäft "angelegt" sein muss. Mit seiner Formulierung "im Vertrag angelegt sein" hat der BFH nicht verlangt, dass sich die Anhaltspunkte für die Vertragsgrundlage im Wortlaut des Vertrags niederschlagen müssen. Maßgeblich ist vielmehr, dass steuerliche Folgen eines Vertrags nur dann als Geschäftsgrundlage angesehen werden können, wenn sie vor oder bei Vertragsschluss ausdrücklich erörtert worden sind.

Kenntnis der Finanzbehörde

Nicht entscheidend ist, wann die Finanzbehörde von den Umständen, welche zur Geschäftsgrundlage geworden sind, Kenntnis erlangt hat. Maßgeblich ist allein, ob der betreffende Steuerbescheid noch änderbar ist. Soweit der Bescheid bereits bestandskräftig geworden sein sollte, ergibt sich aus § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO jedenfalls nicht, dass das rückwirkende Ereignis dem FA zeitnah mitgeteilt werden müsste.

Darlegungs- und Beweislast

Die Grundsätze gebieten eine strenge Handhabung. Ein Steuerpflichtiger, der sich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage beruft, muss daher darlegen und nachweisen, dass vor oder beim Abschluss des gestörten Rechtsgeschäfts ein Umstand erörtert worden ist, dessen Eintritt nach der gemeinsamen Vorstellung der Vertragspartner derart evident ist, dass mit ihm der Vollzug des Rechtsgeschäfts "steht und fällt".

Rückwirkendes Ereignis durch Anpassung des Vertrags

Danach hat das FG im Ergebnis zutreffend einen rückwirkenden Wegfall des Veräußerungsgewinns nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage angenommen, wonach die Feststellungen des FG, dass die Kläger bei Abschluss des Ehevertrags davon ausgegangen seien, dass die Übertragung der Anteile nicht zu einer Einkommensteuerlast führen, den Senat nach § 118 As. 2 FGO binden.

Der Irrtum wurde von beiden Vertragspartnern geteilt, er lag bereits bei Vertragsabschluss vor und fiel in die Risikosphäre beider Vertragspartner. So trug das Risiko der Einkommensteuerbelastung nicht allein der Kläger, weil beide Kläger als nach §§ 26, 26b EStG zusammen veranlagte Eheleute gemäß § 44 AO Gesamtschuldner der Einkommensteuer sind. Schließlich war den Klägern nicht zumutbar, an dem Ehevertrag unverändert festzuhalten, weil die etwaigen erbschaftsteuerrechtlichen Vorteile durch die Einkommensteuerbelastung aufgezehrt worden wären.

BFH, Urteil v. 9.5.2025, IX R 4/23; veröffentlicht am 21.8.2025

Alle am 21.8.2025 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen




Schlagworte zum Thema:  Veräußerungsgewinn , GmbH , Zugewinnausgleich
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