Nachträgliche Anschaffungskosten bei Gesellschaftereinlagen

Beitrittsaufforderung an das BMF zu der Frage, ob Zuzahlungen, die der Gesellschafter in das Eigenkapital leistet und die als Kapitalrücklage auszuweisen sind, in jedem Fall zu nachträglichen Anschaffungskosten führen.

Hintergrund: Nachträgliche Anschaffungskosten bei Einzahlungen in die Kapitalrücklage

Streitig ist die Berücksichtigung nachträglicher Anschaffungskosten bei der Ermittlung eines Veräußerungsverlustes in 2010 nach § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG.

X war neben seinen drei Brüdern (L, D, F) an der vom Vater (V) in 1999 gegründeten A-GmbH beteiligt. Bereits 1999 hatte X eine Bürgschaft für Verbindlichkeiten der A-GmbH gegenüber einer Bank übernommen. Außerdem stand der Bank eine Grundschuld auf einem der mit einem kleinen Anteil beteiligten Mutter (M) gehörenden Grundstück als Sicherheit zu. In 2008/2009 erzielte die A-GmbH lediglich Verluste. Ende 2009 stellte sie ihren Geschäftsbetrieb ein und veräußerte ihr Vermögen an die I-GmbH. An dieser waren X, D und ein Dritter zu je 1/3 beteiligt. Durch den Tod der M gingen deren Anteil an der A-GmbH und das Grundstück auf X und seine Brüder als Erbengemeinschaft zu gleichen Teilen über.

In 2010 leisteten X und seine drei Brüder – jeweils in gleicher Höhe – Zuzahlungen in die Kapitalrücklage der A-GmbH, um eine Liquidation zu vermeiden. Nachdem die Bank Ende 2010 einen Teilverzicht auf ihre Forderungen in Aussicht gestellt hatte, zahlte die A-GmbH an die Bank 275.000 EUR. X und seine Brüder veräußerten sodann im Dezember 2010 ihre Anteile für 0 EUR an die I-GmbH.

A machte für 2010 einen Veräußerungsverlust von rund 80.000 EUR geltend, den er aus einem anteiligen Verlust der Stammeinlage und nachträglichen Anschaffungskosten aus der Kapitalzuführung von rund 70.000 errechnete. Das FA anerkannte einen Veräußerungsverlust von rund 40.000 EUR. Diesen ermittelte es, indem es die von allen Gesellschaftern geltend gemachten Anschaffungskosten von insgesamt 330.000 EUR (280.000 EUR Kapitalrücklage zzgl. 50.000 EUR Stammkapital) um die zugunsten der Bank eingegangene Grundschuld minderte und den verbleibenden Betrag (rund 155.000 EUR) auf X und die Brüder verteilte.

Die dagegen erhobene Klage wies das FG mit der Begründung ab, X seien aus den Einzahlungen in die Kapitalrücklage nur in Höhe eines geringen Betrags (1.700 EUR) nachträgliche Anschaffungskosten entstanden. Denn die Zuführungen in die Kapitalrücklage seien nur in dieser Höhe nicht zur Schuldentilgung verwandt worden. Die weiteren Zuführungen hätten wirtschaftlich betrachtet der Ablösung der von der Gesellschafterseite gewährten Sicherheiten (Grundschuld und Bürgschaften) gedient. Der Grundschuld habe zu keinem Zeitpunkt ein werthaltiger Rückgriffsanspruch gegen die A-GmbH zugestanden und die Bürgschaft sei durch "Stehenlassen" bei Kriseneintritt in 2008 ohne Werthaltigkeit eigenkapitalersetzend geworden.  

Das FG ließ die Revision zu. Es sieht die Frage als klärungsbedürftig an, ob die Ablösung von Gesellschaftersicherheiten über den Umweg der Einzahlung in das Eigenkapital generell zu Anschaffungskosten führt.

Entscheidung: Klärungsbedürftige Grundsatzproblematik

Der BFH nimmt das Revisionsverfahren zum Anlass, sich grundlegend mit der Rechtsfrage zu befassen, ob Zuzahlungen, die der Gesellschafter in das Eigenkapital leistet und die bei der Kapitalgesellschaft als Kapitalrücklage auszuweisen sind (§ 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB), bei diesem in jedem Fall und zu jedem Zeitpunkt zu – nachträglichen – Anschaffungskosten i. S. d. § 255 Abs. 1 Satz 1 und 2 HGB führen und mithin im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG zu berücksichtigen sind und ob solche Zahlungen einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO) darstellen können. Der BFH hält es für angezeigt, das BMF am Revisionsverfahren zu beteiligen und zum Beitritt aufzufordern.

Hinweis: Beitrittsaufforderung an das BMF

Das BMF bzw. die oberste Landesbehörde kann nach § 122 Abs. 2 FGO dem Revisionsverfahren beitreten, soweit Bundesrecht bzw. Landesrecht oder eine von den Landesfinanzbehörden verwaltete Abgabe streitig ist. Die Regelung ermöglicht diesen Behörden, sich jederzeit in ein anhängiges Revisionsverfahren einzuschalten und entscheidungserhebliche Gesichtspunkte vorzutragen. Mit der Rechtsstellung als Beteiligter kann die Behörde Akteneinsicht nehmen und wird am Schriftsatzaustausch beteiligt. Häufig wird eine detaillierte Stellungnahme zu bestimmten Fragen angefordert. Dass das hier nicht geschehen ist, weist darauf hin, dass der BFH die Problematik von Grund auf neu überdenken wird. Eine einfach strukturierte Entscheidung dürfte nicht zu erwarten sein. Die Frage der Behandlung von Zuzahlungen als Anschaffungskosten hängt im konkreten Fall von der jeweiligen Situation der Gesellschaft und vom Zeitpunkt der Zahlungen ab. Im Hinblick auf die zu erwartende Grundsatzentscheidung sind entsprechende Fälle offen zu halten.

BFH, Beschluss v. 11.10.2017, IX R 5/15, veröffentlicht am 15.11.2017.

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