Medienberichte über Ankauf von Steuer-CDs

Wer schwarze Auslandskonten unterhält und sich gegenüber dem deutschen Fiskus offenbaren will, kann mit einer Selbstanzeige ungestraft zur Steuerehrlichkeit zurückkehren. Die ersehnte Straffreiheit tritt nach einem neueren Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts allerdings nicht ein, wenn der Anleger zuvor in der Medienberichterstattung über den Ankauf von Steuerdaten seiner Bank erfahren hat.

Eine Selbstanzeige ist für Steuersünder ein attraktives Instrument, um ohne strafrechtliche "Blessuren" zur Steuerehrlichkeit zurückzukehren. Die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige tritt nach dem Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO allerdings nicht ein, wenn

  • eine der Steuerstraftaten bei Abgabe der Selbstanzeige bereits ganz oder teilweise entdeckt war und
  • der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste.

Mit dem letzten Tatbestandsmerksmal des "Rechnenmüssens" hat sich das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) mit Beschluss vom 30.10.2015 sehr ausführlich auseinandergesetzt: Im Zentrum der Entscheidung stand die Frage, ob ein Anleger mit verschwiegenen Auslandskonten in Anbetracht einer ausführlichen Medienberichterstattung über den Ankauf einer Steuer-CD durch den deutschen Fiskus mit der Entdeckung seiner Straftat rechnen musste, sodass seine Selbstanzeige keine strafbefreiende Wirkung entfaltet.

Der Fall: Anleger erstattet Selbstanzeige, Datensätze waren bereits ausgewertet

Im Entscheidungsfall hatte ein Anleger verschiedene Konten und Depots bei den schweizerischen Banken Credit Lyonnais, Baumann & Cie. und Julius Bär unterhalten und die damit erzielten Kapitaleinkünfte über Jahre nicht in seinen deutschen Einkommensteuererklärungen angegeben. Nachdem die nordrhein-westfälischen Finanzbehörden zum Jahreswechsel 2011/2012 eine Steuer-CD mit Kundendaten des Bankhauses Julius Bär angekauft hatten und die Presse darüber (samt Bankennennung) berichtet hatte, offenbarte sich der Anleger am 6.9.2012 mit einer Selbstanzeige bei seinem Finanzamt. Was er zu diesem Zeitpunkt noch nicht (sicher) wusste: Die Finanzverwaltung hatte die Datensätze zu diesem Zeitpunkt bereits ausgewertet, seine Kundendaten entdeckt, einen Verdachtsprüfungsvermerk geschrieben und ein Steuerstrafverfahren gegen ihn eingeleitet.

Die Entscheidung: Keine strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige

Das OLG entschied, dass der Selbstanzeige keine strafbefreiende Wirkung zukam, weil die Steuerstraftat bereits "entdeckt" war und der Anleger damit gerechnet haben musste, dass seine Hinterziehungstaten bereits entdeckt worden waren. Damit lag der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO vor.

Der gesetzliche Begriff des "Rechnenmüssens" ist eine Beweisregel zu Ungunsten des Täters. Ob dieser aufgrund der ihm nachweislich bekannten Umstände mit der Tatentdeckung rechnen musste, ist nach seinen individuellen Fähigkeiten zu entscheiden. Maßgeblich ist, ob er nach seiner persönlichen Erkenntnis- und Urteilsfähigkeit eine Tatentdeckung annehmen musste.

Während die überwiegenden Stimmen der Fachliteratur davon ausgehen, dass ein "Rechnenmüssen" erst vorliegt, wenn sich dem Täter aufgrund der ihm bekannten Umstände die Tatentdeckung aufdrängt, vertritt das OLG eine weitergefasstere Auslegung: Nach Gerichtsmeinung ist das Merkmal des "Rechnenmüssens" bereits erfüllt, wenn der Täter die Tatentdeckung für durchaus möglich oder wahrscheinlich hält. Es genügt für den Eintritt der Sperrwirkung, dass der Täter aufgrund der ihm bekannten Umstände eine Entdeckung für naheliegend hält, ohne hiervon aber bereits sicher ausgehen zu müssen.

Der Anleger im Entscheidungsfall musste nach diesen Maßstäben im Zeitpunkt der Selbstanzeige bereits mit der Tatendeckung gerechnet haben, denn er hatte nachweislich Kenntnis über den erfolgten Ankauf von Datensätzen der Bank Julius Bär gehabt. Die bloße Hoffnung des Anlegers, dass seine Kontodaten nicht auf der CD enthalten waren, stand der Annahme eines „Rechnenmüssens“ nach Gerichtsmeinung nicht entgegen.

Die Fachliteratur nimmt zwar an, dass ein Anleger auch bei medialer Berichterstattung über den Ankauf von Steuer-CDs erst dann mit der Tatentdeckung rechnen muss, wenn er vom Umfang der Datensätze und der Anzahl der betroffenen Kunden aus Deutschland erfährt. Das OLG befand diese Anforderungen allerdings für zu hoch angesetzt, weil den Medienberichten derartige Detailinformationen kaum jemals zu entnehmen sind.

Hinweis: Bei medialer Berichterstattung über einen Steuer-CD-Ankauf geht das OLG also relativ schnell davon aus, dass ein Anleger mit seiner Tatentdeckung rechnen muss und somit die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige entfällt. Nach dem Leitsatz des Beschlusses gilt dies jedenfalls dann, wenn die Medien explizit über die Bank des Anlegers berichtet haben. Der Weg in die Straffreiheit wird mit zunehmender Intensität der Berichterstattung also stetig schmaler.

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss v. 30.10.2015, 2 Ss 63/15 (71/15)


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