Streitthema "Verbindliche Bestellung bei Betriebseröffnung"

Bei der Frage, ob ein vor Abschluss der Betriebseröffnung in Anspruch genommener Investitionsabzugsbetrag eine verbindliche Bestellung des jeweiligen Wirtschaftsguts erfordert, scheiden sich die Geister.

Nach Ansicht der Verwaltung ist die Inanspruchnahme von Investitionsabzugsbeträgen in Jahren vor Abschluss der Betriebseröffnung oder bei Ausdehnung auf weitere Geschäftszweige nur dann möglich, wenn die Investitionsabsicht hinreichend durch die verbindliche Bestellung jedenfalls der wesentlichen Betriebsgrundlagen konkretisiert ist, für welche Investitionsabzugsbeträge geltend gemacht werden sollen (BMF, Schreiben v. 19.5.2009, IV C 6 - S 2139-b/07/10002). Ansonsten könnte § 7g EStG “ins Blaue hinein” in Anspruch genommen werden.

Die Änderungen bei der Strafverzinsung in den Fällen der Nichtinvestition, der Wegfall der Existenzgründerrücklagen und die fehlende Definition des Betriebsbegriffes führen zu keinem anderen Ergebnis.

Die aktuelle Rechtsprechung beurteilt dies jedoch anders: Für die Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrags ist gerade nicht notwendig, dass wesentliche Betriebsgrundlagen beim noch nicht eröffneten oder wesentlich erweiterten Betrieb verbindlich bestellt wurden. Das Vorhaben kann alternativ über einen Investitionsplan konkretisiert werden, wobei an den Nachweis für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals „beabsichtigt” keine übermäßig strengen Anforderungen zu stellen sind (FG Nürnberg, Urteil v. 28.7.2011, 7 K 655/10, Revision unter X R 42/11).

Es ist lediglich erforderlich, dass der Steuerpflichtige das begünstigte bewegliche Wirtschaftsgut in den beim Finanzamt einzureichenden Unterlagen seiner Funktion nach benennt, die Höhe der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten angibt und die im Abzugsjahr bestehende Investitionsabsicht nachweist. Auf Grundlage dieser Nachweise muss nur feststellbar sein, dass ein Selbstständiger ernsthaft und endgültig zur Anschaffung entschlossen ist (FG Münster, Urteile v. 8.2.2012, 11 K 3035/10 E und v. 12.5.2011, 10 K 4791/08 G,F, Revision unter IV R 22/11).

Das zur Ansparrücklage entwickelte Nachweiserfordernis der verbindlichen Bestellung ist auf den Investitionsabzug nicht übertragbar. Im Gegensatz zur alten Rechtslage ist beim Investitionsabzugsbetrag die Missbrauchsgefahr einer Nutzung ins Blaue hinein nahezu ausgeschlossen und für die Investitionsabsicht ist - dem Gesetzeszweck entsprechend - kein besonderer Nachweis eingeführt worden (FG München, Urteil v. 26.10.2010, 2 K 655/10, Revision unter X R 20/11). Für die hinreichende Konkretisierung der voraussichtlichen Investition reicht daher eine Prognose über das künftige Investitionsverhalten (Niedersächsisches FG, Urteil v. 3.5.2011, 13 K 12121/10, Revision unter III R 37/11).

Hinweis: Es mangelt jedoch an der Absicht, wenn der Erwerb vom Eintritt bestimmter Bedingungen abhängig ist und insbesondere dann, wenn der Bedingungseintritt in der Praxis eher unwahrscheinlich ist.

Praxis-Tipp: Aufgrund der zahlreich vorliegenden Revisionsverfahren können Einsprüche ruhend gestellt werden. Der BFH hatte bislang beim noch zu eröffnenden Betrieb und einer wesentlichen Betriebserweiterung ungeachtet der geäußerten Kritik an der verbindlichen Bestellung festgehalten (etwa BFH, Beschluss v. 29.6.2011, X B 59/10). Aktuell betont er aber, dass die Frage zum neuen Investitionsabzugsbetrag ganz anders zu beurteilen ist, weil § 7g EStG grundlegend geändert wurde und dadurch andere Anforderungen an die Konkretisierung und Ernsthaftigkeit einer voraussichtlichen Investition zu stellen sind (BFH, Beschluss v. 3.11.2010, I B 40/10, BFH/NV 2011 S. 637). Denkbar wäre etwa die Vorlage des Kostenvoranschlags des liefernden Unternehmens oder des Herstellers sowie der bislang erfolgte Schriftverkehr mit den Anbietern.

Diese Entscheidungen gegen die Verwaltungsmeinung begünstigen vor allem Existenzgründer. Sie bekommen die Steuervergünstigung, die sie in ihrer Anfangsphase als Liquiditätshilfe besonders benötigen. Darüber hinaus ist die Auffassung der Gerichte beim Einbau einer Solaranlage auf dem Dach von Eigenheim oder Mehrfamilienhaus verwendbar. In den Fällen, in denen der private Hauseigentümer durch den Einbau erst zum Gewerbetreibenden wird und damit eine Betriebseröffnung vorliegt, ist die Frage der verbindlichen Bestellung besonders häufig anzutreffen.

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