Hinzurechnung von Kindergeld im Rahmen der Günstigerprüfung
Hintergrund
Nach § 31 Satz 1 EStG wird die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des Existenzminimums eines Kindes einschließlich des Bedarfs für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung entweder durch Kinderfreibeträge (§ 32 Abs. 6 EStG) oder durch Kindergeld (§§ 62 ff. EStG) bewirkt. Ist der Abzug der Kinderfreibeträge für den Steuerpflichtigen günstiger als der Anspruch auf Kindergeld (von Amts wegen durchzuführende sog. Günstigerprüfung), erhöht sich die unter Berücksichtigung der Kinderfreibeträge ermittelte tarifliche Einkommensteuer um den Anspruch auf Kindergeld (§ 31 Satz 4 EStG).
Das Finanzamt hatte bei der Einkommensteuerveranlagung der Eheleute E für das Jahr 2004 eine Hinzurechnung von Kindergeld im Rahmen der Günstigerprüfung nach § 31 Satz 4 EStG in Höhe von insgesamt 4.774 EUR für die Kinder S, T und J vorgenommen. Die Eheleute waren der Auffassung, dass die Hinzurechnung eines Kindergeldanspruchs für die Kinder S und T zu Unrecht erfolgt sei, weil für beide Kinder – anders als für die Tochter J aus erster Ehe – weder ein Kindergeld beantragt noch Kindergeld bezogen worden sei. Das Finanzgericht wies die Klage ab.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision der Eheleute als unbegründet zurück und entschied, dass die Hinzurechnung der Kindergeldansprüche für S und T zu Recht erfolgt sei. Dass die Eheleute für die beiden Kinder tatsächlich kein Kindergeld bezogen hätten, sei ohne Bedeutung. Entscheidend sei nach § 31 Satz 4 EStG allein, dass ein Anspruch auf Kindergeld bestanden habe.
Mit dem StÄndG 2003 hat der Gesetzgeber aus Gründen der Verfahrensvereinfachung § 31 Satz 4 EStG in der Weise geändert, dass im Rahmen der Günstigerprüfung nicht mehr auf das tatsächlich gezahlte Kindergeld, sondern auf den Anspruch auf Kindergeld abzustellen ist. Ab dem Veranlagungszeitraum 2004 ist deshalb der Kindergeldanspruch unabhängig von der kindergeldrechtlichen Beurteilung durch die Familienkasse und unabhängig von der Kindergeldzahlung hinzuzurechnen, wenn die Berücksichtigung von Kinderfreibeträgen rechnerisch günstiger ist als der Kindergeldanspruch.
Diese Neuregelung beinhaltet nach Auffassung des BFH schon deshalb keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 GG, weil die Eheleute es selbst in der Hand gehabt hätten, eine Ungleichbehandlung durch einen Antrag auf Zahlung von Kindergeld zu vermeiden.
Anmerkung
Die Eheleute des Streitfalls waren entweder schlecht oder gar nicht beraten, da sie offensichtlich von der ab 2004 geltenden Gesetzesänderung keine Kenntnis hatten.
Sie hätten sonst sicher bei der zuständigen Familienkasse rechtzeitig gemäß § 67 EStG die Zahlung von Kindergeld für S und T beantragt. Mit Ablauf des Jahres 2008 ist hinsichtlich der Kindergeldansprüche für das Jahr 2004 die Festsetzungsverjährung eingetreten.
Urteil v. 13.9.2012, V R 59/10, veröffentlicht am 24.10.2012
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