EuGH: Besteuerung von innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäften

Bei einem österreichischen Vorabentscheidungsersuchen ging es um die Besteuerung von innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäften. Auch das deutsche Recht ist von dem Urteil betroffen.

Die Klägerin, eine in Deutschland ansässige Gesellschaft, erwarb im Zeitraum Oktober 2012 bis März 2013 unter Verwendung ihrer österreichischen USt-IdNr. Waren von in Deutschland ansässigen Lieferanten und verkaufte diese weiter an einen in Tschechien ansässigen Abnehmer (CZ). Die Waren wurden jeweils unmittelbar vom ersten deutschen Lieferer an den CZ-Abnehmer geliefert. In ihren Rechnungen an den CZ-Kunden verwies die Klägerin darauf, dass ein „innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft“ vorliege und der Rechnungsempfänger Steuerschuldner sei. In Österreich hatte die Klägerin keine Betriebsstätte. Die Klägerin gab in Österreich Zusammenfassende Meldungen (ZM), in denen sie ihre österreichische USt-IdNr., die des CZ-Abnehmers sowie die Bemessungsgrundlagen der Lieferungen angab, für die Zeiträume Oktober 2012 bis Januar 2013 am 8.2.2013 (und damit teilweise verspätet) ab, wobei sie wiederum erst mit korrigierten ZM vom 10.4.2013 angab, dass Dreiecksgeschäfte vorlägen. Für die Monate Februar und März 2013 gab die Klägerin die ZM am 10.4.2013 ab; zu diesem Zeitpunkt war ihre österreichische USt-IdNr. nicht mehr gültig.

Lagen Dreicksgeschäfte vor? 

Daraufhin setzte das FA Graz-Stadt USt für die innergemeinschaftlichen Erwerbe der Klägerin in Österreich fest. Es lägen „verunglückte“ Dreiecksgeschäfte vor. Die Klägerin habe innergemeinschaftliche Erwerbe in Tschechien getätigt, die aber wegen Verwendung der österreichischen USt-IdNr. zugleich als in Österreich bewirkt gelten. Ihrer Pflicht zur Erklärung des innergemeinschaftlichen Erwerbs in Österreich sei die Klägerin nicht nachgekommen. Auch habe sie die Besteuerung ihres innergemeinschaftlichen Erwerbs in Tschechien nicht nachgewiesen.

Bundesfinanzgericht wies Beschwerde ab 

Das vorinstanzliche Bundesfinanzgericht hatte die gegen die Bescheide des FA erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Das Gericht führte aus, strittig sei ausschließlich die Frage, ob der innergemeinschaftliche Erwerb der Klägerin in Österreich als besteuert gelte. Dies hätte insbesondere zur Voraussetzung, dass die Klägerin (als Erwerber) ihrer besonderen Erklärungspflicht nachgekommen wäre. Hierfür sei wiederum u.a. erforderlich gewesen, dass sie auf das Vorliegen eines Dreiecksgeschäfts in der ZM hingewiesen hätte. Ein derartiger Hinweis sei in der ursprünglichen ZM nicht enthalten gewesen. Damit sei aber nach Art. 25 Abs. 2 zweiter Satz AT-UStG die Steuerfreiheit des innergemeinschaftlichen Erwerbs in Österreich rückwirkend weggefallen. Da die AT-USt-IdNr. der Klägerin zum Zeitpunkt der ZM vom 10.4.2013 nicht mehr gültig gewesen sei, sei sie auch hinsichtlich der Zeiträume Februar und März 2013 ihrer Erklärungspflicht nach Art. 25 Abs. 6 AT-UStG 1994 nicht nachgekommen. 

Vor diesem Hintergrund wollte das vorlegende Gericht wissen, ob überhaupt innergemeinschaftliche Erwerbe i.S.d. Art. 141 MwStSystRL vorlagen. Dies vor dem Hintergrund, dass Art. 141 Buchst. c MwStSystRL verlange, dass die von dem Unternehmer erworbenen Gegenstände von einem anderen Mitgliedstaat aus als dem, in dem der Unternehmer für MwSt-Zwecke erfasst ist, versandt oder befördert werden. Die Klägerin sei aber in Deutschland, von wo aus die Gegenstände versandt/befördert wurden, für MwSt-Zwecke erfasst (weil dort ansässig).

Lägen keine innergemeinschaftlichen Erwerbe im Rahmen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts i.S.d. Art. 141 MwStSystRL vor, so wäre im Ausgangsverfahren der innergemeinschaftliche Erwerb in Österreich nach Art. 41 Abs. 1 MwStSystRL (wegen Verwendung der AT-USt-IdNr.) unabhängig davon zu besteuern, ob der Erwerber der Pflicht zur Abgabe der ZM nachgekommen ist (Art. 42 Buchst. b MwStSystRL).

Zusammenfassende Meldung muss fristgerecht abgegeben werden  

Die 2. Vorlagefrage betraf die Auslegung von Art. 42 und Art. 263 i.V.m. Art. 263 MwStSystRL. Das Vorlagegericht teilte nicht die Meinung des FA und der Vorinstanz, wonach die (ursprünglichen) ZM mangelhaft waren. Art. 25 Abs. 6 AT-UStG 1994 sieht – auf Basis von Art. 265 MwStSystRL - vor, dass die USt-IdNr. des Erwerbers, die USt-IdNr. des Empfängers sowie die jeweiligen Entgelte (Bemessungsgrundlagen) in den ZM anzugeben sind. Nach Art. 266 MwStSystRL können die Mitgliedstaaten zwar verlangen, dass die ZM weitere Angaben enthält. Das österreichische Recht sehe derartige weitere Angaben aber nicht vor. Das Vorlagegericht sah aber, dass die ursprünglichen ZM (für die Monate Oktober bis Dezember 2012) verspätet waren. Es wollte daher im Prinzip wissen, ob die Nichtanwendbarkeit der Erwerbsbesteuerung wegen Verwendung einer USt-IdNr.(Art. 41 Abs. 1 MwStSystRL; entspricht § 3d Satz 2 UStG ) gem. Art. 42 MwStSystRL (bei Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts) voraussetzt, dass die ZM auch fristgerecht abgegeben wurde. Es wies auf die in der Literatur vertretene Auffassung hin, wenn die ZM nicht rechtzeitig abgegeben worden sei, könne eine Steuerfreiheit des innergemeinschaftlichen Erwerbs nur mehr i. S. d. Art. 41 MwStSystRL durch den Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsmitgliedstaat erreicht werden.

Sind berichtigte Rechnungen in der ZM zu berücksichtigen?  

Dabei stützte das Gericht seine Auslegungszweifel auch auf die Rechtsprechung des EuGH zur rückwirkenden Anerkennung von Rechnungsberichtigungen im Urteil Senatex (EuGH, Urteil v. 15.9.2016, C-518/14 (Senatex)). Es erscheine nicht ausgeschlossen, dass die Erwägungen des EuGH zur Frage der Berichtigung von Rechnungen auch auf die Frage der nachträglichen Abgabe einer ZM zu übertragen sind. Wäre eine verspätete ZM jedenfalls dann zu berücksichtigen, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - bis zur Entscheidung der Vorinstanz betreffend den zu beurteilenden Zeitraum vorliegt, so würde der innergemeinschaftliche Erwerb in Österreich als besteuert gelten.

Entscheidung des EuGH  

Die erste Frage hat der EuGH erwartungsgemäß dahingehend beantwortet, dass für den Fall, dass ein Erwerber in mehreren Mitgliedstaaten für Mehrwertsteuerzwecke erfasst ist, nur die USt-IdNr., unter der er den innergemeinschaftlichen Erwerb tätigt, für die Beurteilung heranzuziehen ist, ob die Voraussetzung des Art. 141 Buchst. c MwStSystRL (Erfassung des Steuerpflichtigen in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns der Beförderung oder Versendung des Liefergegenstands) erfüllt ist. Der Vorteil der innergemeinschaftlichen Dreiecksregelung kann dem Steuerpflichtigen nicht allein deshalb versagt werden, weil er auch im Mitgliedstaat des Beginns der innergemeinschaftlichen Beförderung oder Versendung für Mehrwertsteuerzwecke erfasst ist (so wie dies im Sachverhalt der Fall war). 

Die Verfahrensbeteiligten selbst bezweifelten nicht das Vorliegen innergemeinschaftlicher Erwerbe i.S.d. Art. 141 MwStSystRL, da es nur darauf ankomme, welche USt-IdNr. der Abnehmer der innergemeinschaftlichen Lieferung im konkreten Fall verwendet habe.

Verwendung der USt-IdNr. ist entscheidend 

Der EuGH hat im Ergebnis bestätigt, dass es nur darauf ankommt, welche USt-IdNr. der Erwerber im Einzelfall verwendet hat, worauf auch Art. 265 i.V.m. Art. 42 MwStSystRL hindeuten. Nach dieser Bestimmung ist in der ZM die USt-IdNr. anzugeben, unter der der Unternehmer die Gegenstände erworben und anschließend geliefert hat. Art. 141 Buchst. c MwStSystRL ist nach der Entscheidung dahin zu verstehen, dass dann, wenn wie im Ausgangsfall der Unternehmer in mehreren Mitgliedstaaten mehrwertsteuerlich registriert ist, entscheidend ist, welche USt-IdNr. er im konkreten Fall verwendet hat.

Formelle Anforderungen 

Die zweite Frage, ob Art. 41 Abs. 1 MwStSystRL (= § 3d Satz 2 UStG) mit der alleinigen Begründung anwendbar ist, dass im Rahmen eines innergemeinschaftlichen Erwerbs, der für die Zwecke einer anschließenden Lieferung getätigt wurde, die Abgabe der ZM verspätet erfolgte, hat der EuGH bejaht. Der EuGH führt in diesem Zusammenhang aus, dass Art. 42 Buchst. a MwStSystRL die materielle Voraussetzung dafür regelt, dass der innergemeinschaftliche Erwerb in dem Mitgliedstaat, dessen USt-IdNr. der mittlere Unternehmer in einem Dreiecksgeschäft verwendet, als besteuert gilt, während Art. 42 Buchst. b MwStSystRL in Bezug auf die Pflicht zur Abgabe der ZM lediglich formelle Voraussetzungen enthält. Nach dem Neutralitätsgrundsatz kann die Nichterfüllung der formellen Anforderungen des Art. 42 Buchst. b MwStSysttRL durch den Unternehmer nicht dazu führen, dass die Anwendung des Art. 42 MwStSystRL in Frage gestellt wird, wenn die materiellen Voraussetzungen des Art. 42 Buchst. a MwStSystRL im Übrigen erfüllt sind. Wie in seinem Urteil in der Sache Senatex (EuGH, Urteil v. 15.9.2016, C-518/14 (Senatex)) gestattet der EuGH den Mitgliedstaaten aber, um die Nichtbefolgung formeller Anforderungen zu ahnden, andere Sanktionen als die Versagung der Anwendung von Art. 42 MwStSystRL, etwa die Auferlegung einer Geldbuße oder einer finanziellen Sanktion, die in angemessenem Verhältnis zur Schwere des Verstoßes steht. Die Verletzung einer formellen Anforderung kann aber zur Versagung der Anwendung von Art. 42 MwStSystRL führen, wenn sich der Unternehmer vorsätzlich an einer Steuerhinterziehung beteiligt hat.

Übertragung des Urteils auf das deutsche Recht 

Das deutsche Recht ist von dem Urteil betroffen. Die Antwort des EuGH zur 1. Vorlagefrage entspricht der geltenden deutschen Rechtslage (vgl. § 25b Abs. 1 Nr. 2 UStG und Abschn. 25b.1 Abs. 3 UStAE). Voraussetzung für das Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts ist u.a., dass die hieran beteiligten Unternehmer in jeweils verschiedenen Mitgliedstaaten für Zwecke der Umsatzsteuer erfasst sind (§ 25b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UstG). Die Ansässigkeit in einem dieser Mitgliedstaaten ist nicht erforderlich; maßgeblich ist vielmehr, dass der Unternehmer unter der USt-IdNr. auftritt, die ihm von einem dieser Mitgliedstaaten erteilt worden ist. Treten mehrere der an dem Dreiecksgeschäft beteiligten Unternehmer unter der USt-IdNr. desselben Mitgliedstaates auf, liegt kein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft vor. Der EuGH hat die bisherige Verwaltungsauffassung bestätigt, dass die Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte auch dann anwendbar ist, wenn der mittlere Unternehmer im Abgangsland ansässig bzw. für Mehrwertsteuerzwecke registriert ist. 

Hinsichtlich der Entscheidung des EuGH zur 2. Vorlagefrage enthält der UStAE (zu § 3d und § 25b UStG) keine Regelungen. Auch wurden die Auswirkungen des Urteils Senatex (EuGH, Urteil v. 15.9.2016, C-518/14 (Senatex )), auf die der EuGH diesbezüglich verweist (formelle Pflichtverletzungen können mit bestimmten angemessenen Sanktionen belegt werden), von der Verwaltung (bzw. dem Gesetzgeber) noch nicht umgesetzt. Klar ist nach dem Urteil, dass die verspätete Abgabe von ZM durch den mittleren Unternehmer in einem Dreiecksgeschäft alleine nicht dazu führen kann, dass die Rechtsfolge nicht eintritt, dass der innergemeinschaftliche Erwerb in dem Mitgliedstaat, unter dessen USt-IdNr. der mittlere Unternehmer aufgetreten ist, als besteuert gilt. Wird die Steuerschuld auf den letzten am Dreiecksgeschäft beteiligten Abnehmer übertragen, gilt der innergemeinschaftliche Erwerb des ersten am Dreiecksgeschäft beteiligten Abnehmers nach § 25b Abs. 3 UStG als besteuert. Diese fiktive Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs bei diesem ersten Abnehmer gilt für die Erwerbsbesteuerung in dem Mitgliedstaat, in dem die Beförderung oder Versendung endet (vgl. § 3d Satz 1 UStG ) und zugleich auch für die Beurteilung einer Erwerbsbesteuerung in dem Mitgliedstaat, unter dessen USt-IdNr. der erste Abnehmer auftritt (vgl. § 3d Satz 2 UStG).

Materielle Voraussetzung  für die Übertragung der Steuerschuld 

Nach § 25b Abs. 2 Nr. 3 UStG ist materielle Voraussetzung für die Übertragung der Steuerschuld auf den letzten Abnehmer in einem Dreiecksgeschäft, dass der erste dem letzten jeweils am Dreiecksgeschäft beteiligten Abnehmer eine Rechnung i. S. d. § 14a Abs. 7 UStG erteilt, in der die Steuer nicht gesondert ausgewiesen ist. Neben den Angaben nach § 14 Abs. 4 UStG sind in der Rechnung dieses ersten Abnehmers danach folgende zusätzliche Angaben erforderlich:

  • ein Hinweis auf das Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts, z.B. „Innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft nach § 25b UStG“ oder „Vereinfachungsregelung nach Artikel 141 MwStSystRL“;
  • ein Hinweis auf die Steuerschuld des letzten am Dreiecksgeschäft beteiligten Abnehmers;
  • die Angabe der USt-IdNr. des ersten am Dreiecksgeschäft beteiligten Abnehmers und
  • die Angabe der USt-IdNr. des letzten am Dreiecksgeschäft beteiligten Abnehmers.

Der letzte am Dreiecksgeschäft beteiligte Abnehmer soll durch die Hinweise in der Rechnung eindeutig und leicht erkennen können, dass er letzter Abnehmer in einem innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft ist und die Steuerschuld auf ihn übertragen wird.

Nach dem vorliegenden Urteil bleibt unklar, ob der EuGH (wie der Abgabe der ZM) auch dieser Rechnungsstellungspflicht ledig formale Bedeutung zuerkennen würde. Die Frage stellte sich in dem Verfahren nicht und musste daher vom EuGH nicht beleuchtet werden. In jedem Fall dürfte die Anwendung der Dreiecksregelung ausgeschlossen sein, wenn die Rechnungserteilung für den letzten Abnehmer nicht erkennen lässt, dass ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft vorliegt, da ansonsten das Besteuerungsrecht des Mitgliedstaats des Endes der Beförderung oder Versendung des Liefergegenstands gefährdet wäre.

EuGH, Urteil v. 19.4.2018, C-580/16 (Firma Hans Bühler KG)

Schlagworte zum Thema:  Innergemeinschaftlicher Erwerb, Rechnung, EuGH