
Eintrittsgelder einer Gemeinde für ein von ihr organisiertes Dorffest unterliegen dem ermäßigten Umsatzsteuersatz.
Hintergrund
Die Gemeinde führt jährlich im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art an einem Wochenende ein Dorffest durch. In den Streitjahren schloss sie dazu als Veranstalterin mit auftretenden Musikgruppen Honorarverträge ab. Darin waren die Vergütung, die Auftrittszeiten und der Auftrittsort festgelegt. Bei der Ausgestaltung ihres Programms waren die Künstler frei. Die Gemeinde sorgte u.a. für die Veranstaltungsräume nebst Bühne, den Strom, eine unentgeltliche Verpflegung und Übernachtung für die Künstler, den Erwerb der Schankerlaubnis und eine Sperrzeitverkürzung. Gegenüber den Besuchern trat sie als Gesamtveranstalterin auf eigene Rechnung auf und erzielte Einnahmen aus dem Verkauf von Eintrittskarten, die zum Besuch des kompletten Programms berechtigten.
Das FA unterwarf die Eintrittsgelder dem Regelsteuersatz und lehnte den Antrag auf Anwendung des ermäßigten Steuersatzes von 7 % ab. Dem folgte das FG und wies die Klage ab.
Entscheidung
Der BFH widerspricht dem FG. Der Umsatzsteuersatz ermäßigt sich u.a. für die Tätigkeit als "Schausteller" (§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG). Als Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller gelten "Schaustellungen, Musikaufführungen, unterhaltende Vorstellungen oder sonstige Lustbarkeiten auf Jahrmärkten, Volksfesten, Schützenfesten und ähnlichen Veranstaltungen" (§ 30 UStDV).
Nach der Rechtsprechung des BFH zu Mittelaltermärkten und Ritterturnieren ist dabei nicht zwischen der Organisation der Vorstellungen und den dort aufgeführten Leistungen zu unterscheiden, wenn der Unternehmer die Schaustellungen usw. unmittelbar an die Besucher "erbringt". Denn - bei richtlinienkonformer Auslegung - begünstigt die Regelung nicht eine personenbezogene, sondern eine tätigkeitsbezogene Leistung, die voraussetzt, dass der jeweilige Umsatz auf einer ambulanten, d.h. nicht ortsfest ausgeführten schaustellerischen Leistung beruht. Unmaßgeblich ist, ob der Schausteller seine Darbietungen in eigener Regie selbst veranstaltet oder ob er seine Leistungen im Rahmen eines fremdveranstalteten Volksfestes erbringt. Entscheidend ist, dass die seitens der Besucher von der Gemeinde bezogenen Leistungen in den Anwendungsbereich der Begünstigungsregelung (§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG) fallen. Dementsprechend ist die Gemeinde als Unternehmerin im umsatzsteuerrechtlichen Sinne zu behandeln und ist Leistende im Sinne der Steuerermäßigung.
Hinweis
Wie der BFH hervorhebt, ist der Regelung nicht zu entnehmen, dass der Leistende selbst Schausteller sein muss. Soweit sich aus Abschn. 12.8 Abs. 2 UStAE etwas anderes ergeben sollte, handelt es sich lediglich um eine Verwaltungsanweisung, die das Gericht nicht bindet und durch die daher eine selektive Anwendung des Regelsteuersatzes nicht angeordnet werden kann.
Im Übrigen würde eine unterschiedliche Behandlung der im Rahmen eines Dorffestes angebotenen Schaustellerleistungen und der außerhalb einer solchen Veranstaltung erbrachten gleichartigen Leistungen gegen das unionsrechtliche Neutralitätsprinzip verstoßen. Daher ist eine entsprechende unionsrechtskonforme Auslegung geboten.
Urteil v. 5.11.2014, XI R 42/12, veröffentlicht am 23.12.2014
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Schlagworte zum Thema: Umsatzsteuer, Steuersatz, Künstler
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