Das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht geht in die letzte entscheidende Phase
Zu welcher Entscheidung es neigt, lässt das Bundesverfassungsgericht auch in der mündlichen Verhandlung nicht durchblicken.
Nicht ausgeschlossen ist, dass das Bundesverfassungsgericht die Erbschaftsteuer in seiner derzeitigen Form insgesamt für verfassungswidrig hält und dessen Anwendung für die Zukunft oder auch rückwirkend versagt. Möglich ist allerdings auch, dass das Bundesverfassungsgericht das derzeitige Regelungswerk zwar nicht insgesamt aber zumindest teilweise für verfassungswidrig hält. In diesem Fall könnte das Erbschaftsteuerrecht für eine Übergangszeit noch weiterhin gelten, bis der Gesetzgeber die monierten Punkte nachbessert.
Eine denkbare Entscheidungsalternative wäre auch, dass das Gericht die Regelungen nicht bemängelt. Doch diese Option scheint die unwahrscheinlichste zu sein. Die teilweise kritischen Fragen der Richter in der mündlichen Verhandlung lassen vermuten, dass sie die derzeitigen erbschaftsteuerlichen Begünstigungen nicht unangetastet lassen. Hier käme beispielsweise eine Reduzierung der erbschaftsteuerlichen Verschonungsabschläge von derzeit 85 % bzw. 100 % in Betracht. Auch Forderungen nach Verschärfungen hinsichtlich der für die Begünstigungen notwendigen Voraussetzungen sind denkbar.
Fest steht derzeit nur, dass die derzeitigen Regierungsparteien weiter an der Erbschaftsteuer als Ländersteuer festhalten. Dies wurde ausdrücklich im Koalitionsvertrag vereinbart. Damit dürfte es auch in Zukunft eine Erbschaftsteuer geben, selbst wenn das Bundesverfassungsgericht das derzeitige Erbschaftsteuerrecht als verfassungswidrig einstufen sollte. Denkbar wären hier z. B. die Abschaffung der erbschaftsteuerlichen Begünstigungen und die gleichzeitige Senkung der Erbschaftsteuersätze. Zudem enthält der Koalitionsvertrag die ausdrückliche Aussage, dass auch künftig die Unternehmensnachfolge durch die Erbschaftsbesteuerung nicht gefährdet werden soll. Somit dürfte es weiterhin Begünstigungen bei Unternehmensübergaben geben. Fraglich ist nur in welcher Form und in welcher Höhe.
Sollte das Bundesverfassungsgericht Änderungen bei den erbschaftsteuerlichen Begünstigungen von Unternehmensvermögen verlangen, was nach der mündlichen Anhörung noch wahrscheinlicher geworden ist, muss der Gesetzgeber reagieren. Er könnte entweder die Voraussetzungen verschärfen oder die Begünstigungen herunterfahren. Möglich ist auch, dass der Gesetzgeber beides verändert, d. h. sowohl die Voraussetzungen verschärft als auch die Begünstigungen herunterfährt, um das Erbschaftsteuergesetz verfassungsfest zu machen.
Steuerpflichtige stehen daher heute vor dem Problem, ob Sie jetzt noch Schenkungen unter der Geltung des derzeitigen Erbschaftsteuerrechts vornehmen oder besser die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts warten sollen.
Durch Übertragungen vor dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts könnten zumindest die derzeitigen Begünstigungen gesichert werden. Dafür ist allerdings ein Steuerbescheid notwendig. Auch für den Fall, dass das Bundesverfassungsgericht die Nichtigkeit der Erbschaftsteuer feststellt, kann durch die Vereinbarung von Widerrufsklauseln in den Schenkungsverträgen vorgesorgt werden. Durch diese kann eine Schenkung rückgängig gemacht werden. Anschließend kann die Übertragung nochmals ohne Schenkungsteuer erfolgen.
Zu bedenken ist allerdings, dass sich die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der erbschaftsteuerlichen Begünstigungen vor allem hinsichtlich der Ausweitung des Verwaltungsvermögens um die sogenannten Finanzmittel (wie z. B. Bankguthaben, Forderungen aus Lieferungen und Leistungen) verschärft haben. Hier ist im Vorfeld genau zu rechnen, ob die Voraussetzungen für die Begünstigungen noch vorliegen.
Wer also noch das Heft des Handelns in der Hand behalten will, der sollte bereits heute damit beginnen, die für eine Übertragung notwendigen Vorbereitungen zu treffen. Nur so kann sichergestellt werden, dass man noch handeln kann, wenn man handeln will.
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