Beschränkung des Schuldzinsenabzugs bei Überentnahmen

Beim Abzugsverbot für betrieblich veranlasste Schuldzinsen ist die Bemessungsgrundlage auf den periodenübergreifenden Entnahmenüberschuss zu begrenzen (entgegen Rz. 11 des BMF-Schreibens v. 17.11.2005, BStBl I 2005 S. 1019).

Hintergrund: Berücksichtigung von Verlusten bei Überentnahmen

A betreibt einen Kfz-Handel mit Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich. In den Jahren bis 2006 erzielte er Verluste von (rund) 712.000 EUR und tätigte Überentnahmen von 751.000 EUR. In 2006 ergab sich eine Unterentnahme von 701.000 EUR und in den Streitjahren 2007/2008 von jeweils 66.000 EUR. A ging davon aus, die Unterentnahme des Jahres 2006 (701.000 EUR) sei um die Überentnahmen der Vorjahre (751.000 EUR) zu vermindern und die verbleibende Überentnahme (50.000 EUR) verringere sich durch die Unterentnahme in 2007, sodass für die Streitjahre keine Überentnahme mehr verbleibe. Das FA verrechnete dagegen die Unterentnahme 2006 (701.000 EUR) zunächst mit dem vorzutragenden Verlust aus den Vorjahren (712.000 EUR), so dass als Bemessungsgrundlage für die nicht abzugsfähigen Schuldzinsen die Überentnahme der Vorjahre (751.000 EUR) und ein vorzutragender Verlust von 11.000 EUR verblieb. Diesen verrechnete das FA in 2007 zunächst mit der Unterentnahme von 66.000 EUR und die verbleibende Unterentnahme (55.000 EUR) mit der vorgetragenen Überentnahme aus 2006 (751.000 EUR), so dass sich die Überentnahmen auf 696.000 EUR beliefen. In 2008 verrechnete es entsprechend die Unterentnahme von 66.000 EUR mit den aus 2007 vorgetragenen Überentnahmen von 696.000 EUR, so dass eine Überentnahme von 630.000 EUR mit entsprechend nicht abziehbaren Schuldzinsen (41.000 EUR/37.000 EUR) verblieb.

Das FG wies die Klage, mit der A geltend machte, die Unterentnahmen des laufenden Wirtschaftsjahrs seien mit den Überentnahmen der Vorjahre und erst danach mit den Verlusten der Vorjahre zu verrechnen, ab.

Entscheidung: Die Bemessungsgrundlage ist begrenzt auf den Entnahmeüberschuss des Zeitraums von 1999 bis zum aktuellen Wirtschaftsjahr

Die Bemessungsgrundlage der nicht abziehbaren Schuldzinsen entspricht der Summe der Überentnahmen und Unterentnahmen der einzubeziehenden Wirtschaftsjahre, d.h. ab 1999 (Einfügung des § 4 Abs. 4a EStG). Sind Verluste erwirtschaftet worden, ist zu differenzieren:

  • Obwohl der Gewinnbegriff auch Verluste umfasst, ist eine teleologische Reduktion des Begriffs dahin geboten, dass Verluste nicht zu einer Kürzung des Schuldzinsenabzugs führen dürfen. Denn § 4 Abs. 4a EStG will den Schuldzinsenabzug nur für den Fall einschränken, dass der Steuerpflichtige mehr entnimmt, als ihm hierfür an Eigenkapital zur Verfügung steht. Die Überentnahme ist daher auf den Entnahmenüberschuss begrenzt. Die Überentnahme darf nicht höher sein als die Entnahme und auch nicht höher als die Differenz zwischen Entnahme und Einlage. 
  • Das gilt auch bei der periodenübergreifenden Berechnung der Überentnahme. In einem ersten Schritt sind Verluste bei den zu addierenden Über- und Unterentnahmebeträgen in die Berechnung einzubeziehen. Denn der Verlust zehrt das für Entnahmen zur Verfügung stehende Kapital so auf wie der Gewinn es mehrt.
  • Da aber ein Verlust für sich genommen keine Überentnahme begründen darf, ist in einem zweiten Schritt im Wege der teleologischen Reduktion die Bemessungsgrundlage auf den kumulierten Entnahmenüberschuss der Totalperiode (von 1999 bis zum aktuellen Jahr) zu begrenzen. Denn die als Bemessungsgrundlage anzusetzende kumulierte Überentnahme darf nicht höher sein als die Entnahme der Totalperiode und auch nicht höher als die Differenz zwischen allen Entnahmen und Einlagen der Totalperiode. Ist der so ermittelte Wert geringer als die kumulierte Überentnahme der Jahre ab 1999, sind die nicht abziehbaren Schuldzinsen aufgrund dieses Werts zu ermitteln. Damit wird sichergestellt, dass ein in der Totalperiode erwirtschafteter Verlust die Bemessungsgrundlage nicht erhöht.
  • Die Revision des A war somit teilweise erfolgreich. Zwar lagen kumulierte Überentnahmen zwischen 1999 und 2007/2008 in Höhe von 700.000 EUR/630.000 EUR vor. A hatte in diesem Zeitraum aber nur insgesamt 390.000 EUR/419.000 EUR mehr entnommen als eingelegt. Da dieser Entnahmenüberschuss die kumulierten Überentnahmen unterschreitet, bildete er die Bemessungsgrundlage für die nicht abziehbaren Schuldzinsen.

Hinweis: Abweichung von der BMF-Verwaltungsregelung

Der BFH widerspricht damit der Verwaltungsauffassung in dem BMF-Schreiben v. 17.11.2005, BStBl I 2005 S. 1019 (Rz. 11). Danach ist für § 4 Abs. 4a EStG der Verlust stets vorrangig mit Unterentnahmen zu verrechnen. Die BFH-Auffassung stellt demgegenüber sicher, dass ein Verlust in der Totalperiode die Bemessungsgrundlage nicht erhöht und damit der Gefahr vorbeugt, dass ein Verlust ohne jede Entnahme zur teilweisen Versagung des Schuldzinsenabzugs führen kann. Der Verlust des aktuellen Jahres wird nicht anders bewertet als Verluste aus den Vorjahren. In einzelnen Jahren kann das günstiger, in anderen aber auch nachteiliger sein als die Verrechnung des BMF. Da es gleichgültig ist, in welchem Jahr innerhalb der Totalperiode Gewinne oder Verluste erzielt sowie Entnahmen oder Einlagen getätigt wurden, können sich Entnahmen in Gewinnjahren durch spätere Verluste in steuerschädliche Überentnahmen verwandeln. Der BFH verweist dazu auf die freie Entscheidung des Unternehmers, ob er im Vertrauen darauf, dass der erzielte Gewinn nicht zum Ausgleich mit künftigen Verlusten benötigt wird, diesen entnimmt oder aus Vorsichtsgründen stehen lässt. 

BFH, Urteil v. 14.3.2018, X R 17/16; veröffentlicht am 18.7.2018.