Ausfall einer privaten Darlehensforderung

Der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung führt nach Einführung der Abgeltungsteuer zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust in der privaten Vermögenssphäre.

Hintergrund: Ausfall einer privaten Darlehensforderung

A gewährte einem Dritten mit Vertrag vom 11.8.2010 ein mit 5 % verzinsliches Darlehen i. H. v. 24.274,34 EUR. Seit dem 1.8.2011 erfolgten die vereinbarten Rückzahlungen nicht mehr. Am 1.8.2012 wurde über das Vermögen des Darlehensnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet. A meldete die noch offene Darlehensforderung von 19.338,66 EUR zur Insolvenztabelle an.

In der Einkommensteuererklärung für 2012 machte A den Ausfall der Darlehensforderung als Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend, was das FA jedoch ablehnte. Auch das FG wies die Klage des A mit der Begründung ab, dass Aufwendungen, die das Kapital eines Darlehens betreffen, nicht von § 20 EStG erfasst würden.

Entscheidung: Ausfall als Verlust aus Kapitalvermögen  

Der BFH gab hingegen dem A Recht und entschied, dass auch der Ausfall einer Kapitalforderung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der privaten Vermögenssphäre zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG führe.

Mit der Einführung der Abgeltungsteuer im Unternehmensteuerreformgesetz 2008 wollte der Gesetzgeber eine vollständige steuerrechtliche Erfassung aller Wertveränderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen erreichen (vgl. BT-Drucks. 16/4841, S. 33, 55 ff.) und hat dafür die traditionelle quellentheoretische Trennung von Vermögens- und Ertragsebene bei den Einkünften aus Kapitalvermögen aufgegeben. Dieser Paradigmenwechsel hat nach Auffassung des BFH zur Folge, dass nach der Einführung der Abgeltungsteuer der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung zu einem steuerlich relevanten Verlust führt. Die Rückzahlung einer Darlehensforderung, die unter dem Nennwert des hingegebenen Darlehens  bleibt, ist insoweit dem Verlust bei der Veräußerung der Forderung gleichzustellen.

Da die Rückzahlung - ebenso wie die Veräußerung - ein Tatbestand der Endbesteuerung ist, liegt ein steuerbarer Verlust aufgrund eines Forderungsausfalls allerdings erst dann vor, wenn endgültig feststeht, dass keine weiteren Rückzahlungen mehr erfolgen werden. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögens des Darlehensnehmers reicht hierfür nicht aus (vgl. BFH, Urteil v. 25.1.2000, VIII R 63/98, BStBl II 2000 S. 343) - es sei denn, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist (vgl. BFH, Urteil v. 27.11.2001, VIII R 36/00, BStBl II 2002 S. 731) oder aus anderen Gründen feststeht, dass keine Rückzahlung mehr zu erwarten ist (vgl. BFH, Urteil v. 13.10.2015, IX R 41/14, BFH/NV 2016 S. 385).

Ob die Voraussetzung eines endgültigen Ausfalls der restlichen Darlehensforderung im Streitfall gegeben war, konnte der BFH auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen nicht überprüfen. Der BFH hat deshalb das finanzgerichtliche Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück verwiesen.

Hinweis: Trennung von Vermögens- und Ertragsebene für Kapitalvermögen aufgegeben

In der Gesetzesbegründung zum Unternehmensteuerreformgesetz 2008, mit dem die Abgeltungsteuer eingeführt worden ist, ist der vom BFH angesprochene Paradigmenwechsel (Aufgabe der Trennung von Vermögens- und Ertragsebene bei den Kapitaleinkünften) nicht ex pressis verbis zum Ausdruck gebracht worden. Er kann lediglich aus dem angesprochenen Ziel, "eine vollständige steuerrechtliche Erfassung aller Wertveränderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen" zu erreichen, abgeleitet werden. Ausdrücklich niedergelegt ist der Paradigmenwechsel allerdings in der mit dem Jahressteuergesetz 2009 eingeführten Übergangsregelung des § 52a Abs. 10 Satz 7 Halbsatz 2 EStG (jetzt: § 52 Abs. 28 Satz 16 Halbsatz 3 EStG n. F.), wonach Kapitalforderungen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG auch dann vorliegen, "wenn eine Trennung zwischen Ertrags- und Vermögensebene möglich erscheint". Und in der Gesetzesbegründung zum Jahressteuergesetz 2009 heißt es, dass dies für nach Einführung der Abgeltungsteuer angeschaffte Kapitalanlagen auch unabhängig von § 52a Abs. 10 Satz 7 EStG gelte, da die "theoretisch mögliche Unterscheidung zwischen Ertrags- und Vermögensebene ... im Rahmen der Abgeltungsteuer für neu angeschaffte Kapitalanlagen ohnehin wegfällt" (BT-Drucks. 16/10189, S. 66 rechte Spalte).

Die vom BFH vorgenommene Gleichstellung der Rückzahlung mit der Veräußerung einer Kapitalforderung folgt auch aus dem Gebot der Folgerichtigkeit. Denn wenn die Rückzahlung einer Kapitalforderung über dem Nennwert zu einem Gewinn i. S. d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG führt, muss auch eine Rückzahlung unter dem Nennwert zu einem steuerlich zu berücksichtigenden Verlust führen.

BFH, Urteil v. 24.10.2017, VIII R 13/15; veröffentlicht am 20.12.2017.

Alle am 20.12.2017 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen