Aufnahme eines Studiums nach Berufstätigkeit

Nimmt ein Kind nach Abschluss einer kaufmännischen Ausbildung ein Studium auf, welches eine Berufstätigkeit voraussetzt, stellt sich das Studium nicht mehr als integrativer Bestandteil einer einheitlichen Erstausbildung dar.

Hintergrund:

Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind, das sich weiterhin in Ausbildung befindet, bis zum 25. Lebensjahr nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Unschädlich ist allerdings eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden wöchentlich, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis (§ 32 Abs. 4 Sätze 2, 3 EStG).

Im Streitfall hatte die 23-jährige Tochter (T) ihre Ausbildung zur Kauffrau im Gesundheitswesen im Januar 2014 abgeschlossen. Anschließend arbeitete sie als Angestellte in einer Klinik. Nachdem ihr Arbeitgeber ihr anbot, ein berufsbegleitendes Studium an einer Verwaltungsakademie (VWA) mit dem Ziel einer Managementtätigkeit im Gesundheitswesen (Fachrichtung "Betriebswirt - VWA -") zu absolvieren, bewarb sie sich zum nächstmöglichen Studienbeginn und begann das Studium berufsbegleitend im September 2014. Sie reduzierte dabei ihre Arbeitszeit auf 30 Wochenstunden. Für diesen Studiengang war eine kaufmännische Berufsausbildung und eine einjährige Berufstätigkeit Voraussetzung. Obwohl T die einjährige Berufstätigkeit noch nicht abgeleistet hatte, wurde sie zunächst ausnahmsweise vorläufig immatrikuliert.

Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung für T ab Juli 2014 auf. Sie vertrat die Auffassung, T habe mit der Abschlussprüfung im Gesundheitswesen eine abgeschlossene Berufsausbildung. Da sie mit 30 Wochenstunden die für den Fall einer Zweitausbildung geltende Wochenarbeitsgrenze von 20 Wochenstunden überschritten habe, stelle das Studium eine kindergeldschädliche Zweitausbildung dar. Ebenso entschied das FG und wies die Klage des Vaters der T ab.

Entscheidung:

Für die Frage, ob bereits der erste (objektiv) berufsqualifizierende Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang zum Verbrauch der Erstausbildung führt oder ob bei einer mehraktigen Ausbildung auch ein nachfolgender Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang Teil der Erstausbildung sein kann, ist darauf abzustellen, ob sich der erste Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs darstellt. Dazu kommt es vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang (z. B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) zueinander stehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden. Dafür ist auch erforderlich, dass aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar wird, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat.

Der Umstand, dass das Studium im Streitfall erst nach einer Berufstätigkeit aufgenommen werden kann, führt nach Auffassung des BFH nicht dazu, die beiden Abschnitte als eine Ausbildungseinheit zu sehen. Denn das Studium an der VWA setzt eine berufspraktische Erfahrung von i.d.R. nicht unter einem Jahr voraus. Daraus ergibt sich, dass das Studium ein die berufliche Erfahrung berücksichtigender Weiterbildungsstudiengang (Zweitausbildung) ist. Die vor Studienbeginn erforderliche Berufstätigkeit führt zu einem Einschnitt (Zäsur), der den für eine einheitliche Ausbildung notwendigen engen Zusammenhang entfallen lässt. Das Gleiche gilt, wenn ein Kind eine weitere Ausbildung erst nach einer zwischenzeitlichen Berufstätigkeit beginnt. Wird somit eine Berufstätigkeit zwischen den einzelnen Ausbildungsabschnitten aufgenommen, die nicht lediglich der zeitlichen Überbrückung bis zum Beginn der nächsten Ausbildung dient, können die einzelnen Ausbildungsabschnitte nicht mehr als integrative Teile einer einheitlichen Ausbildung sein. Der BFH wies daher die Revision des Vaters der T zurück.

Hinweis:

Da ein Kind grundsätzlich bis zum 25. Lebensjahr berücksichtigt wird, kommt der Frage, ob es sich bei einem weiteren Ausbildungsgang um ein Erst- oder Zweitstudium handelt, nur dann Bedeutung zu, wenn das Kind die zulässige Wochenarbeitsgrenze von 20 Wochenstunden überschreitet. Ein erster berufsqualifizierender Abschluss gilt nicht als Erstausbildung, wenn sich dieser Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs darstellt. Das hat der BFH z.B. in folgenden Fällen bejaht: Prüfung als Steuerfachangestellter im Rahmen eines dualen Bachelorstudiums im Steuerrecht (BFH, Urteil  v. 3.7.2014, III R 52/13); Prüfung als Fachinformatiker im Rahmen einer dualen Ausbildung zum Bachelor in Wirtschaftsinformatik (BFH, Urteil v. 16.6.2015, XI R 1/14); Bachelorabschluss im Rahmen eines konsekutiven Masterstudiums (BFH, Urteil v. 3.9.2015, VI R 9/15).

Eine solche einheitliche Ausbildung liegt jedoch mangels eines engen Zusammenhangs bei einer Berufstätigkeit von rund einem Jahr nicht mehr vor. Eine Berufstätigkeit von dieser Dauer unterbricht den Ausbildungsgang, und zwar auch dann, wenn - wie hier - der zweite Ausbildungsabschnitt eine Berufstätigkeit voraussetzt. Eine Ausnahme hiervon anerkennt der BFH nur dann, wenn die zwischenzeitliche Berufstätigkeit lediglich der Überbrückung dient, weil mit der weiterführenden Ausbildung nicht früher begonnen werden kann.


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