Zukunfts-Strategie für Steuerkanzleien

Die Serie zeigt, wie Inhaber einer Steuerkanzlei mit den Unsicherheiten und Herausforderungen einer komplexen, dynamischen und im Detail unvorhersehbaren Zukunft umgehen sollten, um die Zukunft Ihrer Steuerkanzlei für sich, Ihre Partner, Mitarbeiter sowie Mandanten positiv und erfolgreich zu gestalten.

Wo führen uns unsere Entscheidungen bezüglich der Digitalisierung hin? Welche Mandantenbedürfnisse sind für uns maßgeblich in Zukunft? Welche Fähigkeiten sollte unser Team ausbauen und entwickeln, um fit für die Zukunft zu sein? Wie gestalten wir den Wandel – betriebswirtschaftlich sinnvoll und für alle Beteiligten auf eine Weise, die Motivation und Energie freisetzt? Solche Fragen beschäftigen aktuell alle Kanzleien. Sie zu beantworten heißt, sich mit einer komplexen, dynamischen und im Detail unvorhersehbaren Zukunft unternehmerisch verantwortlich auseinanderzusetzen. Es heißt, die Entwicklung der Kanzlei auf strategischer Ebene anzugehen. So stellen Sie Ihre Kanzlei unternehmerisch robust für die Zukunft auf.

Beschäftigung mit Strategie – Luxus oder Notwendigkeit?

Nimmt man allein die Nachfrage nach Steuerberatungsdienstleistungen als Erfolgskriterium, müsste man sagen, der Branche geht es ausgesprochen gut! Auch wenn Mandantinnen und Mandanten anspruchsvoller werden und die Höhe von Honoraren hinterfragt wird – insbesondere in Bereichen, in denen es gewerbliche Wettbewerber gibt wie bei der Finanz- und Lohnbuchhaltung –, so bleibt insgesamt betrachtet die Nachfrage nach Steuerberatungsdienstleistungen ungebrochen hoch. Ist aus strategischer Sicht also alles gut für Steuerkanzleien?

Die akuten Gründe, aus denen viele Steuerberaterinnen und Steuerberater bezüglich der "Gesamtsituation" ihrer Kanzleien kein gutes Gefühl haben, lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Die fachlichen Anforderungen steigen seit Jahren permanent,
  • die Finanzverwaltung verlagert ihre Aktivitäten von der Steuerdeklaration hin zu mehr Prüfungsaktivitäten, das heißt für Kanzleien mehr Betriebsprüfung und Sonderprüfungsaufwand,
  • neues Personal und Auszubildende zu bekommen, wird immer schwieriger,
  • die Qualifikationsanforderungen steigen permanent, im Zweifel bedeutet das mehr Kontrollaufwand für Berufsträgerinnen und Berufsträger,
  • Investitionen in Software – sowohl finanziell wie auch vom diesbezüglichen Know-how-Aufbau her – steigen permanent,
  • Mandantinnen und Mandanten erwarten zu Recht Lösungsangebote, die noch passender auf ihre individuelle Situation und ihr Unternehmen zugeschnitten sind, sind mit dem bisherigen "Angebot von der Stange" weniger zufrieden und teilweise entsprechend preissensibel,
  • bei vielen Kanzleien gibt es keine jährliche Routine von Honorarerhöhungen.
  • Letzteres kombiniert mit dem Nachholbedarf an Schulungen fachlicher, methodischer wie softwarebezogener Inhalte sowie dem Nachholbedarf an Gehaltssteigerungen in der Branche führt bei etlichen Kanzleien zu Kapazitätsengpässen bzw. schleichenden Rentabilitätsproblemen trotz weiterhin guter Umsatzlage.
  • Aus dieser Gemengelage wird leicht ein Teufelskreis, bei dem Kapazitätsengpässe zu geringerer Dienstleistungsqualität führen, was Unzufriedenheit bei Mandantinnen und Mandanten hervorruft, die sich entsprechend in einer schlechten Honorarlage auswirkt.

Doch sind das nicht alles operative Fragen und Dinge, die sich im Tagesgeschäft abspielen? So sehen das viele Steuerberaterinnen und Steuerberater, die sich selbst gern als "Praktiker" bezeichnen. Aus einer anderen Perspektive könnte man sagen, dass die oben aufgezählten Punkte Symptome einer strategischen Schieflage sind, die sich auf der operativen Ebene eben in diesen oder ähnlichen Punkten äußert.

Allgemein geläufige Trends erreichen Steuerkanzleien

Weitet man den Blick und begibt sich auf eine strategische Ebene, dann wird klar, dass die Ursache für die aktuellen Problemsymptome in Steuerkanzleien die mittlerweile allgemein geläufigen Trends sind, die sich jetzt auch in Steuerkanzleien auswirken:

  • Der demographische Wandel verschärft weiterhin den Personalengpass und treibt die Personalkosten noch weiter in die Höhe,
  • die Finanzverwaltung setzt künftig auf möglichst vollständig automatisierte Steuererhebung und ist auf die Mitwirkung von Steuerkanzleien zur Steuererhebung künftig deutlich weniger angewiesen als in der Vergangenheit,
  • die Digitalisierung birgt Chancen wie auch Risiken: Beide Seiten der Medaille bedeuten dringenden grundsätzlichen Veränderungsbedarf in Steuerkanzleien: Das Dienstleistungsangebot muss digitaler werden sowie gleichzeitig individueller auf unterschiedliche Mandantenbedürfnisse eingehen. Professionelles Qualitätsmanagement im Sinne eines Prozessmanagements für die Kernleistungsprozesse ist nicht mehr die Kür, sondern heute die Voraussetzung für effektives und mandantenorientiertes Arbeiten in einer Steuerkanzlei!

Diese und andere ähnliche operativen Probleme müssen sicherlich gelöst werden. Erfolgt das rein auf operativer Ebene, besteht die Gefahr, dass sie immer wieder durch andere operative Probleme ersetzt werden, sollte mit bloßer Symptombekämpfung reagiert werden. Eine Problemlösung grundsätzlicher Natur auf strategischer Ebene gilt es anzupacken, um langfristig "die Kuh vom Eis zu bekommen".

Viele Steuerkanzleien überrascht

Warum aber sind so viele Kanzleien so schlecht auf diese Herausforderungen vorbereitet, und warum werden sie von den operativen Symptomen der strategischen Probleme scheinbar völlig überrascht? Gründe hierfür lassen sich gegebenenfalls in einer mehr freiberuflichen als unternehmerischen Einstellung zur Kanzlei, zu einseitiger Fokus auf Effizienzsteigerungen und objektiver Überforderung auch mit fachlichen Anforderungen finden. Generell stellt sich ja die Frage, ob die oben genannten Herausforderungen von klassischen Einzelkanzleien überhaupt zu meistern sind oder ob generell größere Strukturen von Gesellschaften oder Netzwerken nötig sind, um Steuerberatung zukunftsfähig zu machen. Diese Frage stellt sich allein schon durch die fachlichen Aspekte, die sich aus der Komplexität des Steuerrechts und der Rechtsprechung ergeben.

Achtung: Eine vorschnelle Antwort auf diese Frage wäre jedoch eine Abkürzung des Strategieprozesses, den sich auch für Einzelkanzleien und diese, die es künftig bleiben wollen, zu durchlaufen lohnt.

Wie erkennt man strategischen Handlungsbedarf?

Es ist paradox: Bevor man eine strategische Analyse vornimmt, muss man grundsätzlich einen strategischen Ansatz der Problemlösung und -analyse wählen – sozusagen bevor einem genau klar ist, wo das Problem bzw. die strategischen Herausforderungen genau liegen. Es gilt die Devise: erst Augen, Ohren und alle anderen Sinne öffnen, um dann das weitere Vorgehen einschätzen zu können. Doch wenn man zunächst mit den Sinnen im Tagesgeschäft ist, wie schärft man die strategische Wahrnehmung?

Steuerberaterinnen und Steuerberater, die mit der überwiegenden Zahl der oben aufgeführten Punkte mitgehen können, sollten diese Herausforderungen nicht allein auf operativer, sondern auch auf strategischer Ebene anpacken.

Spielarten der Veränderung: Wandel 1. und 2. Ordnung

Eine einfache Möglichkeit, schnell grundsätzlichen strategischen Handlungsbedarf zu erkennen, ist die Einschätzung, welche Veränderungen Sie aus dem Bauch heraus als notwendig für die zukünftige Entwicklung Ihrer Kanzlei einschätzen. Es hat sich bewährt, diese Einschätzung gemeinsam mit dem Führungsteam oder im Partnerkreis der Kanzlei vorzunehmen. Dabei geht es um einen gemeinsamen genauen Blick auf die aktuelle strategische Situation und den Handlungsbedarf bezüglich der Weiterentwicklung der Kanzlei: 

Spielarten der Veränderung

Auch wenn Sie für sich schnell zu einer Einschätzung der Lage aus Ihrer persönlichen Sicht kommen, lohnt es sich, zumindest auf Führungsebene der Kanzlei oder auch mit ausgewählten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Diskussionen über die Einschätzungen der Art der Veränderungsnotwendigkeiten einzusteigen. Hier geht es mehr um den Austausch und die Qualität der Gespräche, als darum, ein bestimmtes oder das "richtige" Ergebnis zu erreichen.

Blick auf den Strategiebegriff

Zum Verständnis des Wesens von Strategie als Entscheidungsbefugnisse in der Kanzlei lassen sich folgende wichtige Eckpunkte festhalten:

  • Strategie beschäftigt sich mit Zukunft und mit überlebensrelevanten Fragen der Kanzleientwicklung.
  • Strategie beschäftigt sich mit grundsätzlichen Entscheidungen und Prämissen bezüglich der Kanzleiführung.
  • Strategie ist konsequenzenreich, d.h. sie hat direkte Auswirkungen auf das operative Tagesgeschäft und alle Personen in der Kanzlei.
  • Strategie ist immer schon da, d.h. jede Kanzlei hat eine etablierte Art und Weise mit Fragen aus der eigenen Verantwortung für die Zukunft der Kanzlei.

Diese Aspekte sind zunächst wertfrei zu verstehen. In der Praxis haben sich nämlich ganz unterschiedliche Umgangsweisen und Verständnisse entwickelt, was denn Strategie in unserer Kanzlei bedeutet und wie wir damit umgehen, die jeweils weder richtig noch falsch sind, weder besser noch schlechter:

  • Strategie als Plan/Roadmap
  • Strategie als Vision
  • Strategie als Position
  • Strategie als Wiederholung bisheriger Pfade und Muster

Abgesehen vom Strategieverständnis sowie auch der wichtigen und zu beleuchtenden Motive aller von der Strategie betroffenen Personen ist es unumgänglich, das Ziel einer strategischen Reise zu Beginn zu klären – ganz unabhängig davon, ob man das für sich selbst als Einzelkämpfer(in) oder im Partnerkreis ausmacht. Mit einer klaren Fokussierung auf Ergebnisse die erreicht und Veränderungen die umgesetzt werden sollen, wir sowohl der Prozess der Strategieerarbeitung wie auch die spätere Umsetzung effektiver. Besonders relevant ist es, die möglichen Erwartungen von später an der Umsetzung Beteiligten, sowie die konkreten Erwartung der im Strategieerarbeitungsprozess involvierten Personen – üblicherweise der Partnerkreis – zu bedenken.

Teil 2 - Strategische Planung und Neuausrichtung