Vermietungseinkünfte beim Progressionsvorbehalt

Ist der Ehegatte nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, kann beispielsweise ein EU-Staatsbürger trotzdem die Zusammenveranlagung beantragen, wenn er nach § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist. In diesem Fall löst der Antrag eine fiktive unbeschränkte Steuerpflicht für den Ehegatten aus.

Dies bestimmt § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG. Wird eine Zusammenveranlagung nach dierser Vorschrift beantragt, sind die ausländischen Einkünfte des Ehegatten (ggf. auch die des anderen Ehegatten, wenn er nur zeitweise unbeschränkt steuerpflichtig war) mit einer Bescheinigung der ausländischen Steuerbehörde (EU/EWR) nachzuweisen. Die im Ansässigkeitsstaat erzielten Einkünfte sind dann in der Regel dem Progressionsvorbehalt nach § 32b EStG zu unterwerfen.

Fall des FG Berlin-Brandenburg: Vermietungseinkünfte in Polen

Die Frage ob ausländische Einkünfte dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen sind, war Gegenstand eines Klageverfahrens vor dem FG Berlin-Brandenburg. Der Ehegatte der in Deutschland lebenden unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Person ist polnischer Staatsbürger und lebt in Polen. Es wurde die Zusammenveranlagung beantragt und für den Ehegatten die Bescheinigung EU/EWR beigefügt. Neben Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit wurden auch Vermietungseinkünfte in Polen erzielt, welche das Finanzamt dem Progressionsvorbehalt unterwarf.

§ 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EStG einschlägig?

Der Kläger vertrat die Auffassung, dass die Vermietungseinkünfte nach § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EStG nicht dem Progressionsvorbehalt unterliegen. Zwar gelte der Progessionsvorbehalt grundsätzlich nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG für Einkünfte, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung steuerfrei sind, nicht aber für Einkünfte aus der Vermietung oder der Verpachtung von unbeweglichem Vermögen oder von Sachinbegriffen, wenn diese in einem anderen Staat als in einem Drittstaat belegen sind.

FG wendet § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG an

Die Auffassung des Klägers hat das FG Berlin-Brandenburg nicht geteilt (Urteil v. 13.12.2021, 9 K 9061/21). § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG unterwerfe Einkünfte, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung steuerfrei sind, grundsätzlich einem besonderen Steuersatz, sofern sie von einem zeitweise oder während des gesamten Veranlagungszeitraums unbeschränkt Steuerpflichtigen erzielt worden sind.

Ebenso einem besonderen Steuersatz unterworfen werden daneben gemäß § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 u.a. solche Einkünfte, die bei Anwendung von § 1 Abs. 3 oder § 1a EStG im Veranlagungszeitraum bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens unberücksichtigt bleiben, weil sie nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegen. Dem Wortlaut nach schließe § 32b Abs. 1 Satz 2 für die dort genannten Einkünfte ausschließlich die Geltung des § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG aus, nicht jedoch die Geltung des § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG.

Der Ehegatte unterliegt hier – wie oben dargestellt - § 1a EStG. Indem der Gesetzgeber die Fälle der Steuerfreiheit nach einem DBA (§ 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG) bewusst neben die Fälle gestellt hat, in denen die Einkünfte "bei Anwendung des § 1a" bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens unberücksichtigt bleiben (§ 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG) habe er den Anwendungsbereich beider Normen voneinander abgegrenzt.

Revisionsverfahren beim BFH anhängig

Das FG hat die Revision zugelassen. Beim BFH ist nun folgende Rechtsfrage offen: Schließt dem Wortlaut nach § 32b Abs. 1 Satz 2 EStG für die dort genannten Einkünfte ausschließlich die Geltung des § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG aus, nicht jedoch die Geltung des § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG? Die Entscheidung des BFH (Az 9 K 9061/21) bleibt abzuwarten.