Pflege von nicht besonders qualifizierten Fachkräften begünstigt

Aufwendungen für die Pflege eines Steuerpflichtigen infolge einer Krankheit erwachsen zwangsläufig, sodass ein Abzug als außergewöhnliche Belastung nach § 33 Abs. 1 EStG zulässig ist. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die Abziehbarkeit von Pflegeaufwendungen für die eigene häusliche Pflege voraussetzt, dass diese von besonders qualifizierten Pflegefachkräften erbracht werden.

Zu den Krankheitskosten gehören die Aufwendungen, die unmittelbar zum Zwecke der Heilung der Krankheit mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglicher zu machen, wie insbesondere Kosten für die eigentliche Heilbehandlung und eine krankheitsbedingte Unterbringung. Zu dem begünstigten Personenkreis für Aufwendungen wegen Pflegebedürftigkeit und erheblicher eingeschränkter Alltagskompetenz zählen pflegebedürftige Personen, bei denen mindestens eine Schweregrad der Pflegebedürftigkeit nach den §§ 14, 15 SGB XI besteht und Personen, bei denen eine erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz nach § 45a SGB XI festgestellt wurde (R 33.3 Abs.1 Satz 1 EStR).

Pflegekosten von Personen, die nicht zu diesem begünstigten Personenkreis zählen und ambulant gepflegt werden, können ohne weiteren Nachweis auch dann als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, wenn sie von einem anerkannten Pflegedienst nach § 89 SGB XI (die Vergütung der ambulanten Pflegeleistungen und der hauswirtschaftlichen Versorgung wird zwischen dem Träger des Pflegedienstes und den Leistungsträgern für alle Pflegebedürftigen nach einheitlichen Grundsätzen vereinbart) gesondert in Rechnung gestellt worden sind (R 33.3 Abs. 1 Satz 3 EStR).

Beispiel mit Pflegestufe II

A ist seit Januar 2015 pflegebedürftig mit der Pflegestufe II, wobei eine vollstationäre Pflege nicht erforderlich ist. Sie zog die häusliche Pflege der stationären Heimunterbringung vor. Deshalb beantragte sie keine Pflegesachleistungen, sondern das Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegedienste nach § 37 SGB XI. A wandte sich an die Firma X mit Sitz in Polen, welche auf die Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung sowie auf die Unterstützung der Kunden bei alltäglichen Aktivitäten spezialisiert ist und nur in geringem Umfang auch Leistungen für die Grundpflege anbietet. Nach dem A mit der Firma X einen Dienstleistungsvertrag abschloss, wurde sie durch polnische Betreuungskräfte betreut. Diese sind überwiegend – wie vorgesehen – für hauswirtschaftliche Tätigkeiten zuständig und helfen bei Bedarf auch im Bereich der Körperpflege und Mobilität. 

Auffassung eines Finanzamts

Die entstehenden Pflegekosten (abzüglich des Pflegegeldes und soweit sie angemessen sind) der polnischen Firma X müssten eigentlich nach R 33.3 Abs. 1 S. 1 EStR abzugsfähig sein, weil A pflegebedürftig mit der Pflegestufe II ist. Auf einen anerkannten Pflegedienst nach § 89 SGB XI dürfte es insoweit nicht mehr ankommen. Hierzu hat aber ein Finanzamt im Rahmen einer Entscheidung des FG Baden-Württemberg (Urteil v. 21.6.2016, 5 K 2714/15) die Auffassung vertreten, dass ein Abzug nicht möglich ist, wenn es sich bei den Betreuungskräften nicht um ausgebildete Pflegekräfte bzw. einen anerkannten Pflegedienst nach § 89 SGB XI, welcher qualitätsgesicherte Pflegeleistungen erbringt, handelt. Auch sei davon auszugehen, dass keine ausgebildete Pflegekraft beschäftigt sei, wenn lediglich Pflegegeld gem. § 37 SGB XI gezahlt wird.

Praxis-Tipp: Abweichende Auffassung FG

Dies sieht das FG Baden-Württemberg aber anders. Auch Aufwendungen im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung dienen dazu, die Krankheit erträglicher zu machen und gehören daher als Pflegeaufwendungen zu den im Grunde nach abziehbaren Krankheitskosten. Eine Abziehbarkeit ist dann folgerichtig auch nicht deshalb ausgeschlossen, wenn es sich bei den Betreuungskräften nicht um besonders ausgebildetes Fachpersonal handelt. Eine solche Voraussetzung ergibt sich weder aus § 33 EStG noch aus § 64 EStDV.

Dies stehe auch im Einklang mit dem Sinn und Zweck des Pflegegeldes nach § 37 SGB XI. Mit dem Pflegegeld wird das Ziel verfolgt, bei Sicherstellung einer sachgerechten Pflege die Möglichkeit der häuslichen Pflege zu fördern und ihr Vorrang vor stationäre Unterbringung zu geben. Dabei ist das Pflegegeld nicht als Entgelt ausgestaltet. Es soll einen Anreiz darstellen und zugleich die Eigenverantwortlichkeit und Selbstbestimmung des Pflegebedürftigen stärken, indem diese das Pflegegeld zur freien Gestaltung ihrer Pflege einsetzen können. Es entspricht der Eigenverantwortlichkeit und Selbstbestimmung, wenn auf einen (entgeltlichen) Betreuungsdienst zurückgegriffen wird, auch wenn dieser nicht einem besonders qualifizierten Pflegedienst entspricht, so das FG. 

Bei ablehnender Haltung eines Finanzamts, sollte sich in vergleichbaren Fällen auf die Entscheidung des FG Baden-Württemberg bezogen werden.