Erhöhte Fahrtkosten für Schwerbehinderte

Steuerpflichtige, die so gehbehindert sind, dass sie sich außerhalb des Hauses nur mit Hilfe eines Kraftfahrzeugs bewegen können, können grundsätzlich alle Kraftfahrzeugkosten neben den Pauschbeträgen für behinderte Menschen als außergewöhnliche Belastung geltend machen. 

Angemessen sind aber nur Aufwendungen für Fahrten bis zu 15.000 km im Jahr und nur bis zur Höhe der Kilometerpauschale von 0,30 EUR. Fraglich ist, ob bei Vorliegen von außergewöhnlichen Umständen, die Kilometerpauschale ausnahmsweise überschritten werden darf.

Auffassung der Finanzverwaltung

Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, dass ein höherer Aufwand als 0,30 EUR unangemessen ist und deshalb im Rahmen nicht berücksichtigt werden darf (H 33.1-33.4 EStH 2015).

Einordnung der BFH-Rechtsprechung

Der BFH hat in einer älteren Entscheidung die Auffassung vertreten (Urteil v. 22.10.1996, III R 203/94, BStBl 1997 II S. 384), dass außergewöhnliche Umstände, die eine Überschreitung der Pauschale im Einzelfall rechtfertigen, u. a. dann vorliegen können, wenn ein Steuerpflichtiger wegen der Art seiner Behinderung auf ein besonders Fahrzeug angewiesen ist, für das überdurchschnittliche hohe Aufwendungen erforderlich sind. Die Berücksichtigung der Kfz-Kosten in tatsächlicher Höhe hatte der BFH z. B. auch dann für ausnahmsweise zulässig erachtet, wenn besondere Umstände die Benutzung eines Kfz erfordern, weil z. B. keine öffentliche Verkehrsverbindung besteht (Urteil v. 3.12.1998, III R 5/98, BStBl 1999 II S. 227).

Die zuletzt genannte Ausnahme hat der BFH aber später ausdrücklich aufgegeben (Urteil v. 19.5.2004, III R 16/02, BStBl 2005 II S. 23). Im Rahmen dieser Entscheidung hat der BFH zum Ausdruck gebracht, dass bei der Benutzung eines Kfz, welches auch für allgemein veranlasste Fahrten eingesetzt wird, aus Anlass einer medizinischen Maßnahme, die auf diese Maßnahme entfallenden anteiligen Kfz-Aufwendungen stets nur bis zur Höhe der amtlichen Kilometerpauschsätze berücksichtigt werden können. Denn (auch) hier sei kein Grund dafür ersichtlich, warum die zwangsläufigen Kfz-Aufwendungen je gefahrenem Kilometer höher sein sollten als die der großen Mehrzahl der Steuerpflichtigen im Durchschnitt tatsächlich entstehenden Kosten und warum im Rahmen des Angemessenen ein höherer Aufwand als bei der Mehrzahl der Steuerpflichtigen zu berücksichtigen sein sollte.

Hieraus kann m. E. aber nicht geschlossen werden, dass bei Benutzung eines KFZ generell nur ein Aufwand von 0,30 EUR in Frage kommt. So hatte z. B. das FG Niedersachsen (Urteil v. 9.2.2007, 11 K 736/05) wegen der besonderen Umstände Kilometerkosten von 1,05 DM als rechtmäßig angesehen. 

Praxis-Tipp: Revision gegen Urteil des FG Hessen

Das FG Hessen hat aktuell entschieden (Urteil v. 23.06.2016, 6 K 2397/12), dass außergewöhnliche Umstände z. B. dann vorliegen, wenn einem Steuerpflichtigen aufgrund seiner Behinderung nicht möglich ist, einen normalen PKW zu nutzen und selbst die Beförderung sitzend im Rollstuhl, nur in ausgesuchten Fahrzeugen möglich ist, um dem Erfordernis, Erschütterungen weitgehend zu verhindern (im Urteilsfall lag eine fortgeschrittene Osteoporose vor), gerecht zu werden. Diese Besonderheiten führen nach Auffassung des FG (im Urteilsfall) zu überdurchschnittlichen Aufwendungen, weil schon der Preis für ein solches Fahrzeug, welches von seiner Größe, seinem zulässigen Gesamtgewicht, seiner Motorenleistung und damit der Möglichkeit des behindertengerechtes Umbaus den Anforderungen genügt, deutlich über dem liegt, den die Mehrzahl körperlich eingeschränkten Personen für ein Fahrzeug aufwenden muss. Hierbei wurde auch berücksichtigt, dass das Fahrzeug, zur Beförderung im Rollstuhl, über entsprechende Ausmaße, eine Hebevorrichtung sowie ein entsprechendes Befestigungssystem verfügen muss und dass Fahrten mit einer auswärtigen Übernachtung die Mitnahme einer Reihe von Hilfsmitteln sowie eines Dusch-/Toilettenstuhls und eines mobilen Lifters erfordern. Daher erkannte das FG Kilometerkosten von 0,7764 EUR an. 

Da gegen die Entscheidung des FG Hessen ein Revisionsverfahren vor dem BFH läuft, sollte in vergleichbaren Fällen und bei ablehnender Haltung durch ein Finanzamt Einspruch eingelegt werden und auf das anhängige Revisionsverfahren (VI R 28/16) verwiesen werden.