Doppelte Haushaltsführung innerhalb derselben Gemeinde

Liegen der Ort des eigenen Hausstandes und der Beschäftigungsort in derselben politischen Gemeinde, stellt sich bei einer doppelten Haushaltsführung die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Wohnung (am Ort des eigenen Hausstandes) als noch zum Beschäftigungsort gehörend anzusehen ist.

FG Rechtsprechung bei Familienwohnung am Beschäftigungsort

Eine doppelte Haushaltsführung liegt nur vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte einen eigenen Hausstand unterhält und auch am Ort der ersten Tätigkeitsstätte wohnt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG). Der Ort des eigenen Hausstandes und der Beschäftigungsort müssen demnach auseinanderfallen. Nach der Rechtsprechung der Finanzgerichte ist dabei unter Beschäftigungsort nicht die jeweilige politische Gemeinde zu verstehen, sondern der Bereich, der zu der konkreten Anschrift der Arbeitsstätte noch als Einzugsgebiet anzusehen ist (FG Baden-Württemberg, Urteil v. 16.6.2016, 1 K 3229/14; FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 16.12.2015, 7 K 7366/13; FG Hamburg, Urteile v. 26.2.2014, 1 K 234/12; v. 17.12.2014, 2 K 113/14, Urteilsfälle alle vor 2014).

Ein Arbeitnehmer wohnt deshalb bereits dann am Beschäftigungsort, wenn er von seiner Wohnung aus ungeachtet von Gemeinde- und Landesgrenzen seiner Arbeitsstätte in zumutbarer Weise täglich aufsuchen kann. Denn dann ist der Arbeitnehmer nicht außerhalb des Orts, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, sondern bereits am Ort des eigenen Hausstandes beschäftigt. Ausschlaggebend ist insoweit nicht allein die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte.

Es ist vielmehr auf alle wesentlichen Umstände des Einzelfalls abzustellen und neben der Entfernung auch auf die Verkehrsanbindung mit privaten und öffentlichen Verkehrsmitteln, die Erreichbarkeit dieser Verkehrsmittel bei Arbeitsbeginn und -ende sowie eventuelle besondere Umstände beim Arbeitsablauf abzustellen. Eine Wohnung am Beschäftigungsort kann danach regelmäßig angenommen werden, wenn sie in einem Bereich liegt, von dem aus der Arbeitnehmer üblicherweise täglich zu diesem Ort fahren kann.

Grenze von einer Stunde

Dabei liegen Fahrzeiten von etwa einer Stunde für die einfache Strecke noch in einem zeitlichen Rahmen, in dem es einem Arbeitnehmer zugemutet werden kann, von seinem Hausstand die Arbeitsstätte aufzusuchen. Denn solche Fahrzeiten werden von einer Vielzahl von Pendlern täglich für den Weg von ihrer Wohnung zur Arbeitsstätte in Kauf genommen, ohne dass diese darin Anlass für einen Umzug oder eine Zweitwohnung näher an der Arbeitsstätte sehen. Das Zeitmaß von einer Stunde ist zurückzuführen auf das BFH-Urteil vom 19.4.2012 (VI R 59/11). Allerdings ging es hierbei nicht um die Frage, ob der Ort des eigenen Hausstandes und der Beschäftigungsort auseinanderfallen, sondern ob eine 141 km entfernte Zweitwohnung von der aus der Beschäftigungsort in ca. einer Stunde zu erreichen war, noch ein Wohnen am Beschäftigungsort darstellt. Dies hatte der BFH bejaht.

Beispiel mit Wohnungen in derselben politischen Gemeinde

A wohnt mit seiner Ehefrau in einer einwohner- und flächenmäßig großen politischen Gemeinde, von der aus die kürzeste Wegstrecke zu seiner Tätigkeitsstätte 25 Entfernungskilometer beträgt. Zusätzlich bewohnt er von Montag bis Freitag eine angemietete Wohnung, die lediglich 1 km von der Tätigkeitsstätte entfernt liegt. Durch die Anmietung der Zweitwohnung hat sich seine allgemeine Fahrzeit für die Strecke von 40 auf 2 Minuten verringert.

Nach der Auffassung des FG Berlin-Brandenburg und des FG Baden-Württemberg liegt hier keine steuerlich zu berücksichtigende doppelte Haushaltsführung vor und zwar auch dann nicht, wenn in der Gesamtschau eine tägliche Fahrzeitverkürzung von einer Stunde eintritt. Denn diese Voraussetzung bestehe nur bei der Frage der steuerlichen Berücksichtigung von Umzugskosten. Gegen die Entscheidungen der beiden FG laufen Revisionsverfahren vor dem BFH, welche es abzuwarten gilt (Az. beim BFH: VI R 2/16 und VI R 31/16).

Praxis-Tipp: Reisekostenreform ab 2014

Die Finanzverwaltung hat ab 2014 aus Vereinfachungsgründen geregelt, dass von einer Zweitunterkunft oder -wohnung am Ort der ersten Tätigkeitsstätte dann noch ausgegangen werden kann, wenn der Weg von der Zweitunterkunft oder -wohnung zur ersten Tätigkeitsstätte weniger als die Hälfte der Entfernung der kürzesten Straßenverbindung zwischen der Hauptwohnung (Mittelpunkt der Lebensinteressen) und der ersten Tätigkeitsstätte beträgt (BMF, Schreiben v. 24.10.2014, BStBl. 2014 I S. 1412 Tz. 101). Befinden sich der eigene Hausstand und die Zweitwohnung innerhalb desselben Orts (derselben Stadt oder Gemeinde) kann für die Frage der beruflichen Veranlassung ebenfalls diese Vereinfachungsregelung (Entfernung Zweitwohnung und erste Tätigkeitsstätte im Vergleich zur Entfernung zwischen Hauptwohnung und ersten Tätigkeitsstätte) herangezogen werden.

Zwar vertritt das FG Berlin-Brandenburg hierzu die Auffassung (Urteil v. 16.12.2015, 7 K 7366/13 zu den Jahren 2010–2012), dass die Vereinfachungsregel ab 2014 nur die Frage betrifft, ob der Umzug beruflich veranlasst ist. Fehle es aber an einem Auseinanderfallen von Beschäftigungsort und Ort der Hauptwohnung, seien die Aufwendungen für eine Zweitwohnung auch dann nicht als Werbungskosten berücksichtigungsfähig, wenn die Zweitwohnung aus beruflichem Anlass begründet worden ist.

Dem ist m. E. nicht zu folgen, weil sich ansonsten die Frage stellt, was überhaupt mit der Vereinfachungsregel zu Wohnungen innerhalb desselben Orts geregelt werden sollte. Vielmehr ist m. E. davon auszugehen, dass ab 2014 nicht die Fahrzeit, sondern aus Vereinfachungsgründen die Wegstrecke (sowohl für die berufliche Veranlassung als auch für die Frage des Auseinanderfallens) entscheidend sein soll. Bei A ist daher davon auszugehen, dass der Ort des eigenen Hausstandes und der Beschäftigungsort – trotz derselben politischen Gemeinde – auseinanderfallen, weil der Weg von der Zweitwohnung zur ersten Tätigkeitsstätte (1 km) weniger als die Hälfte der Entfernung der kürzesten Straßenverbindung zwischen der Hauptwohnung und der ersten Tätigkeitsstätte (25 km) beträgt. In vergleichbaren Fällen sollte sich daher auf die Vereinfachungsregel des BMF-Schreibens bezogen werden.