Digitalisierung in Steuerkanzleien

Die Entwicklung einer Steuerkanzlei zum digitalen Dienstleister ist der Prozess, der Inhaber, Mitarbeiter und Mandanten permanent begleiten wird. Mit den folgenden 5 Tipps ziehen Sie die Digitalisierung auch bei Schwierigkeiten durch.

Die Digitalisierung ist eben kein klassisches, klar umrissenes Projekt, das ein fest definiertes Ziel hat – und nach dessen Erreichen abgeschlossen ist. Häufig wird in diesem Zusammenhang das Bild von einem Marathonlauf bemüht. Das greift aber noch zu kurz. Bei der Digitalisierung geht es um eine Reihe von Marathonläufen. Erst kommt der "regionale", dann Berlin, London oder New York. Die Herausforderung ist, immer wieder die Motivation, die Zeit und die Energie aufzubringen, um nicht aufzuhören. Hierfür geben wir Ihnen 5 konkrete Tipps.

Tipp 1: Definieren Sie Ihr Warum

Digitalisierung ist kein Selbstzweck – und auch kein Trend, dem wir folgen. 

Sie brauchen für die Digitalisierung ein "Warum". Dies können Sie im Laufe der Zeit immer wieder aufbauen und es in Erinnerung rufen. Aus Ihren Überlegungen sollte daher ein Satz resultieren, der klar macht, warum Sie eine digitale Kanzlei haben wollen:

"Ich möchte in meiner Kanzlei alle digitalen Möglichkeiten ausschöpfen, weil..."

Und die Fortsezung sollte auf keinen Fall sein:"...das alternativlos ist","...wir sonst keine Mandanten / keine Mitarbeiter / keinen Kanzleiwert mehr erreichen","...wir das müssen","...das alle tun". das stimmt zwar alles, aber Motivation fördern Sie mit diesen Aussagen nicht.

Denken Sie ruhig groß. Hier einige Beispiele:

  • "...wir und unsere Mandanten dadurch die Freiheit bekommen, uns auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben zu konzentrieren."
  • "...wir damit die Möglichkeit schaffen, Routinetätigkeiten zu automatisieren und uns endlich ganz auf die umfassende Beratung unserer Mandanten zu konzentrieren."
  • "...wir für alle Beteiligte die Möglichkeit schaffen, unabhängig von Raum und Zeit gut zusammen zu arbeiten."

Tipp: Zuerst sollten Sie Ihr persönliches "Warum" definieren. Stimmen Sie es mit Ihren Partnern ab (beruflich und privat). Formulieren Sie es dann aus der Perspektive Ihrer Mitarbeiter und Mandanten. Nur wenn das "Kanzlei-Warum" für alle Beteiligten mindestens einen Identifizierungsaspekt enthält, überzeugt es dauerhaft.

Tipp 2: Straffes Projektmanagement – Fokus auf das WWP

Das "Warum" sorgt für die Motivation, das Projektmanagement für die Struktur. Die grobe Struktur der Digitalisierung betrifft drei Bereiche:

  1. fachliche Arbeit,
  2. interne Zusammenarbeit und
  3. Zusammenarbeit mit Mandanten und anderen externen Partnern.

Digitalisierung hat ja auch immer viel mit "Tools" zu tun. Solange es nicht das digitale "Schweizer Taschenmesser" gibt, das alle Bereiche abdeckt, füllt sich die Kanzleiautobahn schnell mit vielen Baustellen. Die Folge: Es wird unübersichtlich. Staus, Umleitungen, Geschwindigkeitsbegrenzungen und Schleichwege sind an der Tagesordnung. Die Motivation geht verloren und das große Projekt Digitalisierung schleppt sich dahin.

Um den Überblick zu behalten und die Baustellen auf ein verträgliches Maß zu begrenzen, brauchen Sie zunächst ein straffes und realistisches Projektmanagement. Die Anzahl der in einer Kanzlei gleichzeitig machbaren Projekte hängt von der Anzahl der Menschen in der Kanzlei ab, die Verantwortung für ein Projekt übernehmen können und wollen. Und wenn Sie das zunächst erst mal alleine sind, dann gibt es eben nur ein Projekt!

Die Grundregel: Jeder "Projektverantwortliche" hat gleichzeitig immer nur ein "WWP" – wirklich wichtiges Projekt. An diesem Projekt wird ausschließlich gearbeitet – am besten zu einer fest geblockten Projektzeit (mindestens ein Stunde ausschließlich für dieses Projekt). Nur wenn das Projekt durch externe Ursachen stockt, kommt das "ZWP" zum Zuge – das zweitwichtigste Projekt. Mehr Projekte gleichzeitig pro Kopf gibt es nicht. Ist das WWP abgeschlossen, rückt das ZWP auf und ein neues ZWP wird ausgesucht.

Tipp 3: Legen Sie den roten Faden fest

Trotz der "WWP-Methode" bleibt es natürlich auf dem permanenten Weg in die digitale Zukunft bei vielen Einzelprojekten. Diese stehen oft irgendwie nebeneinander – ohne, dass sie auf den ersten Blick tatsächlich ein gemeinsames Ziel verfolgen. Das ferne Ziel "irgendwie möglichst digital werden" bleibt da schwammig.

Daher sollten Sie mit griffigen "Abschnittszielen" arbeiten. Diese Ziele bilden die Klammer für die einzelnen WWP der Projektverantwortlichen. Sie helfen auch bei der Auswahl des nächsten wichtigen Projekts. Beispiele für Abschnitssziele:

  1. "Go Paperless": Wir wollen in allen Prozessen (zumindest intern) komplett papierlos arbeiten – nie wieder Baumcarpaccio!
  2. "Go Portal": Die Zusammenarbeit mit unseren Mandanten und anderen externen Partnern soll komplett über ein Portal unserer Wahl laufen – nie wieder Mandantenmails!
  3. "Go Interface": Wir wollen alle Daten beim Mandanten über Schnittstellen abgreifen – nie wieder Medienbrüche!
  4. "Go Cloud": Wir wollen komplett in der Cloud arbeiten – nie wieder abhängig von Zeit und Ort!

Die Reihenfolge dieser Beispiele ist nicht zufällig gewählt. Es ist einfach nicht sinnvoll, ein Portal auszurollen oder Homeoffice zu propagieren, wenn intern noch viel Papier genutzt wird.

Der Vorteil der Abschnittsziele: Sie haben ein "übergeordnetes", konkretes (sogar messbares) Ziel über alle Unterprojekte und auch über alle Kanzleiprozesse hinweg. Das Abschnittsziel kann gut als Jahresziel ausgelegt sein. 3 bis 4 Jahre sind für die "Erst-Digitalisierung" ein realistischer Zeitraum.

Das Jahresziel fokussiert Sie darüber hinaus auch bei Messen oder Podcasts und Newslettern. Denn alles, was Sie und Ihre Mitarbeiter in diesem Jahr tun, muss direkt das gewählte Ziel fördern.

Tipp 4: Beziehen Sie alle mit ein

Die Entscheidung, dass Ihre Kanzlei digital werden soll, ist Ihre. Diskutieren Sie mit Ihren Mitarbeitern und Mandanten also nicht mehr "ob" die Digitalisierung kommt. In der Diskussion heute kann es ausschließlich nur noch um die Frage gehen "wann und "wie" die Digitalisierung konkret aussehen wird.

Genau an dieser Stelle ist der Einbezug der Protagonisten sinnvoll und notwendig - allein schon aus dem Grund, dass sonst alles an der Kanzleileitung hängen bleibt.

Fassen Sie die Basis hier breiter. Das Ziel "Digitalisierung" haben Sie vorgegeben. Meist muss man auf dem Weg zum großen Ziel mehrmals die Autobahn wechseln. Die Jahresziele haben also immer ihre eigene Autobahn – gewechselt wird erst, wenn das Teilziel erreicht wird. Für die Festlegung der konkreten Route sind Ihre Mitarbeiter dann auch mitverantwortlich.

Der Einbezug der Mandanten sollte zumindest über eine klare Kommunikation geschehen. Zeigen Sie Ihrem Mandanten auf, welche konkreten Auswirkungen die Digitalisierung Ihrer Kanzlei wann auf ihn haben wird. Was werden Sie tun? Was werden die Aufgaben des Mandanten sein?

Tipp 5: Machen Sie die Erfolge möglich und sichtbar

Schauen Sie auf die "Misserfolge" oder auf die Erfolge? Es geht dabei nicht um die rosa Brille.

Zum einen sollten Sie die Digitalisierung von Anfang an so konzeptionieren, dass Misserfolge deutlich unwahrscheinlicher werden. Der am häufigsten auftretende "Misserfolg" ist meist schon: "Bei diesem Punkt ist nichts passiert." Misserfolge entstehen auch oft, wenn Sie sich unklare und/oder unrealistische Ziele setzen. Mit den Tipps 1 bis 5 können Sie dem wirksam vorbeugen.

Zum anderen ist es Ihre Aufgabe, die Erfolge für alle in der Kanzlei (und auch für die Mandanten) sichtbar zu machen. Kommunizieren Sie mäßig, aber regelmäßig – auf

  • Ihrer Website (Zielgruppe sind hier potenzielle Neumandanten),
  • in Ihrem Newsletter bzw. Ihrer Mandantenzeitung,
  • bei Besprechungen mit Ihrem Team,
  • bei den Entwicklungsgesprächen mit Ihren Mitarbeitern,
  • an der Pinnwand in der Küche,
  • in speziellen Workshops zum Thema,
  • im Kanzleichat...

Einfach ausgedrückt: Digitalisierungserfolge müssen im Alltag immer wieder Thema sein - beispielsweise die Umstellung eines Mandanten, der Digitalisierungsskeptiker ist.

Fazit: Lassen Sie sich von der ersten Unübersichtlichkeit und der Vielfalt der Möglichkeiten der Digitalisierung nicht abschrecken und von der Hektik in der Branche nicht anstecken. Es bleibt Zeit für einen stetigen, unaufgeregten, pragmatischen Weg in die Digitalisierung. Für die Konzeption Ihres Weges ist es allerdings höchste Zeit.