Der Status Quo betriebswirtschaftlicher Beratung

Am 13.9.2016 erschien ein Artikel in der FAZ, in dem der Präsident der Bundessteuerberaterkammer, Raoul Riedlinger, den durchschnittlichen Anteil der betriebswirtschaftlichen Beratung in Kanzleien auf im Ergebnis lediglich 4,2 % bezifferte, gemessen am Umsatz. Warum ist die Quote so gering in einem Geschäftsfeld, das seit Jahren als Zukunftsmarkt gepriesen wird und das als Angebot in keiner Broschüre oder Website von Kanzleien fehlen darf?

Minimalanforderungen an das Zahlenwerk

Die betriebswirtschaftliche Nutzung der Zahlen sollte in Unternehmen selbstverständlich sein. Leider ist dem häufig nicht so. Zum Beleg: Eine Minimalanforderung in Firmen wäre die monatliche und zeitnahe intensive Durchsicht einer korrekt abgegrenzten betriebswirtschaftlichen Auswertung (BWA) mit der Umsetzung der Maßnahmen, die sich daraus ergeben. 

In der Realität jedoch werden BWAs oft nicht richtig abgegrenzt oder verspätet erstellt, nur einmal jährlich besprochen oder verschwinden ungelesen in der Ablage. Manche Mandanten wollen sie überhaupt nicht sehen. Daran wird das Problem ersichtlich.

Für höhere Ansprüche gilt das gleiche: Wie hoch ist der Prozentsatz Ihrer Mandanten, die mit einer Kostenrechnung arbeiten, definiert als die Nutzung von Kostenstellen und Kostenträgern? Ich wette, es sind keine 3 %, abgesehen vielleicht von Firmen, die Konzernstrukturen angehören.

Warum ist das so? Warum interessieren sich Entscheider so wenig für ihre Zahlen? Und warum bestellen Unternehmen bei Steuerberatern keine Beratung, um diese Instrumente aufzubauen?

Betriebswirtschaftliche Beratung als kostenfreier Service

Oft wird seitens der Kanzleien argumentiert, dass eine betriebswirtschaftliche Beratung sehr wohl erfolge, jedoch als im Preis inbegriffene Beratungsleistung, die zum Service gehöre und nicht extra berechnet wird.

Tatsächlich wäre es vermessen, dies bei Kanzleien infrage zu stellen, die entsprechend verfahren. Ich sehe dies insgesamt, über alle Kanzleien hinweg, aber nicht ganz so rosig. Eine kritische Nachfrage zu Umfang und Qualität betriebswirtschaftlicher Beratung durch Kanzleien wird oft auffällig rasch und mit einer gewissen Empörung zurückgewiesen.

Trotzdem bleibe ich bei der kritischen Betrachtung und argumentiere wie folgt: Eine betriebswirtschaftliche Beratung kann nicht besser sein, als die Zahlen, die ihr zugrunde liegen. Sind, wie eben beschrieben, BWAs und andere Auswertungen tatsächlich nur bedingt tauglich oder kommen nur selten zum Einsatz, kann die darauf aufbauende Beratung nicht besser sein als die Qualität dieser Instrumente. Fehlen weitergehende Werkzeuge wie Kostenrechnung oder Liquiditätsplanung, gilt das Gleiche.

Als Kanzlei kann man daher intern schnell prüfen, wie die eigenen BWAs ausgestattet sind, ob Mandanten sie nutzen und wie intensiv darüber kommuniziert wird. Dies definiert, inwieweit die betriebswirtschaftliche Beratung überhaupt kompetent erfolgen kann. Somit hat man eine sachliche Diskussionsgrundlage.

Ursachenforschung

Damit wird noch keine Aussage getroffen, woran das liegt. Wenn Mandanten einfach kein Interesse haben, ist eine betriebswirtschaftliche Beratung nicht möglich, egal ob als Service oder gegen Berechnung.

Die Ursachen für einen geringen Dienstleistungsumfang in diesem Bereich können bei Mandanten und Kanzleien gleichermaßen liegen. Die folgenden Einschätzungen basieren auf Gesprächen mit meinen Kunden in Seminaren, in Beratungssituationen und aus Reaktionen von Steuerberatern auf die Eigeninitiative dieser Mandanten.

Dabei soll gelten, dass hier die Grundlagen einer betriebswirtschaftlichen Beratung betrachtet werden, reguläre BWAs und Controllingreporte. Die Minimalstandards also auf Basis der Buchhaltungszahlen, nicht fortgeschrittene Systeme. Es geht zunächst um die Pflicht, nicht um die Kür.

Eine Diskussion darüber lohnt. Betrachten wir erst die Sichtweise der Entscheider in Firmen.

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