Auflösung einer in einer Sonderbilanz gebildeten § 6b-Rücklage

Scheidet ein Mitunternehmer aus der Personengesellschaft aus, kann sich die Frage stellen, wie die in einer Sonderbilanz gebildete § 6b-Rücklage aufzulösen ist.

Muss die in einer Sonderbilanz gebildete § 6b Rücklage eines aus einer Personengesellschaft ausgeschiedenen Mitunternehmers im Rahmen der bisherigen Mitunternehmerschaft fortgeführt und bei Ablauf der Reinvestitionsfrist aufgelöst werden (also vom Feststellungsfinanzamt), oder hat die Fortführung und Auflösung unmittelbar im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des ausgeschiedenen Gesellschafters zu erfolgen (also durch das Wohnsitzfinanzamt)?

Bildung einer § 6b-Rücklage für den Gewinn aus einer Betriebs- oder Anteilsveräußerung

Eine § 6b-Rücklage kann prinzipiell auch für Betriebs- oder Anteilsveräußerungsgewinne gebildet werden, soweit Gewinne aus der Veräußerung begünstigter Wirtschaftsgüter im Veräußerungsgewinn enthalten sind. Die Weiterführung solcher Rücklagen ist für die Zeit zulässig, für die sie ohne Veräußerung des Betriebs bzw. des Mitunternehmeranteils zulässig gewesen wäre (R 6b Abs. 10 Satz 1 EStR).

Steuerfolgen bei Bildung einer § 6b-Rüclklage

Wird ein Mitunternehmeranteil veräußert und dabei ein reinvestitionsfähiger Gewinn erzielt, der in voller Höhe auf das zum Sonderbetriebsvermögen gehörende Betriebsgrundstück entfällt, kann der Gewinn in voller Höhe durch Bildung einer § 6b-Rücklage nach § 6b Abs. 3 Satz 1 EStG in einer Sonderbilanz neutralisiert werden. Wird für den Gewinn aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils eine § 6b-Rücklage gebildet, so führt die spätere Auflösung der Rücklage zu nachträglichen nicht tarifbegünstigten Einkünften aus Gewerbebetrieb. Der Gewinn aus der späteren Auflösung der Rücklage unterliegt als laufender Gewinn der Einkommensteuer zum Normaltarif.

Unterschiedliche Auffassungen im Schrifttum

In der Literatur wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass auch nach dem Ausscheiden aus einer Mitunternehmerschaft die § 6b-Rücklage im Rahmen der Gewinnermittlung der Personengesellschaft fortzuführen ist (z.B. Bolik, DStR 2015 S. 1355). Eine andere Auffassung besagt, dass im Falle der Veräußerung des ganzen Mitunternehmeranteils die Rücklagenbildung bei der Gesellschaft, die Fortführung und Auflösung beim Gesellschafter zu erfolgen hat (Schmidt/Loschelder, EStG, 41. Aufl. 2022, § 6b Rn. 58).

Auffassung der Finanzverwaltung

Die Finanzverwaltung vertritt die Ansicht, das Bilanzierungswahlrecht für die Bildung, Fortführung und Auflösung der § 6b-Rücklage anlässlich der Veräußerung eines gesamten Mitunternehmeranteils sei auf Ebene des veräußernden Gesellschafters durch Abgabe entsprechender Bilanzen im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung auszuüben (FinMin Schleswig-Holstein, Kurzinformation v. 2.9.2014, DStR 2014 S. 2180).

Entscheidung des FG München

Das FG München hat entschieden, dass die nachträglichen Einkünfte nach § 24 Nr. 2 EStG aus der Auflösung der § 6b Rücklage nicht mehr einheitlich und gesondert festzustellen sind (FG München, Urteil v. 10.6.2021, 13 K 1825/19, Az. beim BFH X R 14/21). Da der Gesellschafter aus der Mitunternehmerschaft ausgeschieden sei, könne nicht im Rahmen des Feststellungsverfahrens durch Feststellungsbescheid über die Fortführung bzw. Auflösung der § 6b-Rücklage entschieden werden.

Zwar sei nach der Rechtsprechung des BFH das Bilanzierungswahlrecht durch entsprechenden Bilanzansatz im "veräußernden" Betrieb auszuüben, sodass für das Schicksal der Rücklage maßgeblich auf die Bilanz des veräußernden Betriebs abzustellen sei. Da die Verfolgbarkeit in der Buchführung an die Buchführung des nämlichen Betriebs anknüpft, komme nach Auffassung des BFH insoweit nur die Behandlung der Rücklage und damit auch die Ausübung des Wahlrechts zur Auflösung im veräußernden Betrieb in Betracht (BFH, Urteil v. 19.12.2012, IV R 41/09). Im Fall des BFH sei der Gesellschafter aber weiterhin an der Mitunternehmerschaft beteiligt gewesen und habe dadurch sein Bilanzierungswahlrecht in der beim Finanzamt eingereichten Sonderbilanz ausgeübt.

Ist die Reinvestitionsfrist abgelaufen und ist keine entsprechende Übertragung oder freiwillige Auflösung erfolgt, muss nach Ansicht des FG München das Wohnsitzfinanzamt des Gesellschafters die Rücklage unter Beachtung der Verzinsungsregelung des § 6b Abs. 7 EStG erfolgswirksam auflösen.