Geplante Änderung von EU-Richtlinien zur Mehrwertsteuer

Die Europäische Kommission hat den Bundesrat über geplante Änderungen von vier Richtlinien bzw. Verordnungen zur Mehrwertsteuer unterrichtet. Betroffen ist insbesondere der Bereich des grenzübergreifenden elektronischen Geschäftsverkehrs zwischen Unternehmen und Verbrauchern (sog. B2C). Der Bundesrat hat die Änderungen in seiner Sitzung am 10.2.2017 erörtert und jeweils Stellung genommen.

Nachfolgend wird der Inhalt der vorgesehenen Änderungen zusammen mit den Ergebnissen aus der Länderkammer jeweils kurz dargestellt.

Mehrwertsteuerliche Pflichten für die Erbringung von Dienstleistungen und für Fernverkäufe von Gegenständen

Die EU-Kommission hat vorgeschlagen die Richtlinie 2006/112/EG und die Richtlinie 2009/132/EG zu ändern. Ziel ist es, die derzeit geltenden Mehrwertsteuervorschriften für den elektronischen Geschäftsverkehr zu modernisieren und die Mehrwertsteuer zukunftsfähig zu machen. Hierzu sind 3 Schwerpunkte geplant:

  • Die Komplexität der Pflichten soll reduziert werden, damit die Unternehmen (insbesondere KMU) nicht unnötig im grenzübergreifenden elektronischen Geschäftsverkehr behindert werden.
  • Das System soll neutral ausgestaltet werden, derzeit auftretende Nachteile gegenüber Unternehmen aus Drittländern beseitigt werden. Diesen ist es derzeit u. U. möglich, Leistungen mehrwertsteuerfrei in der EU zu erbringen, während EU-Unternehmen dafür bis zu 27 % Umsatzsteuer zu zahlen haben.
  • Die Steuerbefreiungen für die Einfuhr von Kleinsendungen führt zu Steuerausfällen, die mit bis zu 5 Mrd. EUR geschätzt werden.

Um hier entgegen zu wirken, ist ab 2018 ein Schwellenwert für den grenzüberschreitenden Handel geplant, durch den viele Unternehmen von dem gegenwärtigen KEA-System (= Mini One Stop Shop - MOSS) ausgenommen werden. Auch soll durch vereinfachte Beweisanforderungen eine Kosteneinsparung für Unternehmen erreicht werden.

Richtlinien-Vorschlag (BR-Drucks. 728/16)

Der Bundesrat begrüßt diese Änderungen. Zugleich bittet er jedoch die damit verbundene Ausdehnung des Bestimmungslandprinzips sorgfältig zu prüfen. Insbesondere eine Kontrolle bzw. Prüfung vor Ort ist kritisch und könnte das Steueraufkommen beeinträchtigen. Auch dass die Aufzeichnungspflichten des Ansässigkeitsstaates maßgebend sein sollen, sieht die Länderkammer kritisch. Ein Vollzugsdefizit droht.

Stellungnahme BR (BR-Drucks. 728/16 (B))

Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und Betrugsbekämpfung

Geplant ist zudem die Verordnung (EU) Nr. 904/2010 zu ändern. Dies soll die zugrunde liegende IT-Infrastruktur verbessern und die notwendige Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten ermöglichen. Ziel ist es, die kleine einzige Anlaufstelle (KEA) erfolgreich auf andere Dienstleistungen als Telekommunikations- und Rundfunkdienstleistungen sowie elektronisch erbrachte Dienstleistungen und Fernverkäufe von Gegenständen auszuweiten.

Vorschlag der EU-Kommission (BR-Drucks. 729/16)

Diese Maßnahme wird vom Bundesrat ebenfalls positiv gewertet. Allerdings bestehen gegen das sog. Legislativpaket grundsätzliche Bedenken. Auch wird kein Bedarf für einen Zugang der EU-Kommission zu den Daten des MOSS-Verfahrens gesehen. Zudem sollten Prüfungen bei den Unternehmen nicht durch den Mitgliedsstaat der Identifizierung erfolgen; dies könnte negativ für das inländische Steueraufkommen sein.

Stellungnahme BR (BR-Drucks. 729/16 (B))

Mehrwertsteuersätze für Bücher, Zeitungen und Zeitschriften

Der Rat der EU-Kommission plant ferner eine Änderung der Richtlinie 2006/112/EG. Aktuell müssen elektronisch erbrachte Dienstleistungen, darunter auch Veröffentlichungen in elektronischer Form, mit dem normalen Mehrwertsteuersatz (in Deutschland 19 %) besteuert werden. Demgegenüber können Veröffentlichungen auf jedem physischen Träger mit einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz (in Deutschland 7 %) besteuert werden. Teilweise ist auf bestimmte Druckveröffentlichungen auch eine Steuerbefreiung möglich.

Vorgesehen ist, die Mehrwertsteuerrichtlinie so zu ändern, dass auf elektronische Veröffentlichungen dieselben Mehrwertsteuersätze anzuwenden sind wie auf Veröffentlichungen auf physischen Trägern. In der Praxis sind insbesondere der Handel mit sog. e-books und elektronischen Zeitungen betroffen.

Richtlinien-Vorschlag (BR-Drucks. 732/16)

Der Bundesrat äußert sich auch dazu positiv. Jedoch sollte der Anwendungsbereich für stark ermäßigte Steuersätze bis hin zu Nullsteuersätzen nicht zu sehr ausgedehnt werden; dies würde zu einer nicht anzustrebenden Zersplitterung der Steuersätze führen.

Stellungnahme BR (BR-Drucks. 732/16 (B))

Befristete generelle Umkehrung der Steuerschuldnerschaft

Schließlich ist eine weitere Änderung der Richtlinie 2006/112/EG vorgesehen, mit einer generellen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft auf Lieferungen bestimmter Gegenstände und Dienstleistungen über einem bestimmten Schwellenwert. Als Fernziel ist die Einrichtung eines endgültigen Mehrwertsteuersystems für den grenzübergreifenden Handel zwischen Unternehmen (B2B) innerhalb der EU geplant. Dies wird dann auf dem Grundsatz einer Besteuerung im Bestimmungsland der Gegenstände (sog. Bestimmungslandprinzip) beruhen. Dadurch soll eine Besteuerungslücke mit ca. 160 Mrd. EUR geschlossen und ein Ausfall von 50 Mrd. EUR durch Betrugsfälle verhindert werden.

Bis zu dessen Verwirklichung wird als "Sofortmaßnahme" an eine zeitlich befristete generelle Umkehrung der Steuerschuldnerschaft (sog. Reverse-Charge-Verfahren) gedacht. Dies könnte ab einem Rechnungsschwellenwert von 10.000 EUR greifen.

Richtlinien-Vorschlag (BR-Drucks. 820/16)

Auch die generelle Umkehrung der Steuerschuldnerschaft wird durch den Bundesrat befürwortet. Zwar gilt diese aktuell bereits für einige Leistungen bzw. Branchen, doch reicht dies für eine wirksame Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs nicht aus. Allenfalls eine Anpassung des geplanten Schwellenwerts der Höhe und der Sache nach wird von der Länderkammer für sinnvoll erachtet. Gleiches gilt auch für den Kreis der Mitgliedsstaaten, welche eine generelle Umkehrung der Steuerschuldnerschaft nach einer Ermächtigung durch die Kommission einführen würden.

Stellungnahme BR (BR-Drucks. 820/16 (B))