Erbschaftsteuerreform - Änderungen im Regierungsentwurf

Der Regierungsentwurf zur Erbschaftsteuerreform 2015, den das Kabinett am 8.7.2015 beschlossen hat, enthält einige Änderungen gegenüber dem Referentenentwurf. Prof. Dr. Lars Zipfel erläutert die wichtigsten Punkte und deren finanzielle Auswirkungen.

Kurz vor der parlamentarischen Sommerpause einigte sich die Berliner Regierungskoalition auf den Gesetzentwurf für die Reform der Erbschaftsteuer. Am 8.7.2015 beschloss die Bundesregierung den Gesetzentwurf in das Gesetzgebungsverfahren einzubringen. Nun ist der Bundesrat an der Reihe, sich zu dem Entwurf zu äußern. Dessen Stellungnahme wird mit Spannung erwartet. Die erste Beratung des Gesetzentwurfs im Bundesrat findet voraussichtlich am 25.9.2015 statt.

Beibehaltung des Grundkonzepts des Referentenentwurfs mit Änderungen im Detail

Der Regierungsentwurf übernimmt grundsätzlich das Konzept des Gesetzentwurfs des Bundesfinanzministeriums vom 2.6.2015. Es bleibt somit dabei, dass die erbschaftsteuerlichen Begünstigungen künftig nur noch auf das neu definierte begünstigte Unternehmensvermögen in Anspruch genommen werden können, während das nicht begünstigte Unternehmensvermögen in vollem Umfang in die erbschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage eingeht. Angesichts dieser für alle Unternehmen anzuwendenden Verschlechterung scheint die geschätzte Erhöhung des Erbschaftsteueraufkommens von maximal 200 Mio. EUR pro Jahr viel zu niedrig angesetzt zu sein.

Ferner bleibt es bei den vorgesehenen Verschonungsregelungen für Erwerber von Großvermögen. Diese können in Zukunft zwischen der Inanspruchnahme eines sich mit zunehmenden Vermögen abschmelzenden Verschonungsabschlags (§ 13c ErbStG-neu) und einem Steuererlass unter Anrechnung des Privatvermögens (§ 28a ErbStG-neu) wählen.

Zudem bleibt es bei der Minderung der Beschäftigtengrenze, ab der die Lohnsummenregelungen zu beachten sind.

Allerdings enthält der Entwurf zahlreiche Änderungen im Detail, die teilweise zu Vorteilen aber auch zu Nachteilen für die Betroffenen führen. Die Änderungen sind im Folgenden dargestellt.

Änderungen bei der Ermittlung des begünstigten Unternehmensvermögens

Weiterhin wird daran festgehalten, den Verwaltungsvermögenstest abzuschaffen und durch ein neues System zur Ermittlung des begünstigten Vermögens zu ersetzen. Danach soll die Einordnung als begünstigtes Unternehmensvermögen grundsätzlich davon abhängig gemacht werden, ob ein Wirtschaftsgut als Hauptzweck einer originären gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit dient.

Möglicher Vorteil für Immobilienunternehmen

Dies könnte vor allem für Immobilienunternehmen in Zukunft zu Vorteilen bei der Erbschaftsteuer führen. Derzeit stellen fremdvermietete Grundstücke (Wohnungen, aber auch Geschäftsgrundstücke) außer in einigen Ausnahmefällen grundsätzlich Verwaltungsvermögen dar, was bei reinen Immobilienunternehmen regelmäßig zur Versagung der erbschaftsteuerlichen Begünstigungen führt. Sollten künftig Grundstücke bei Immobilienunternehmen dem Hauptzweck des Unternehmens dienen, könnten diese als begünstigtes Unternehmensvermögen einzustufen sein, das grundsätzlich begünstigt ist. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Tätigkeit des Immobilienunternehmens über eine reine Vermögensverwaltung hinausgehen muss. Diese Abgrenzung wird in der Praxis die größten Schwierigkeiten bereiten.

Änderungen bei der Begünstigung von Beteiligungen an Drittstaats-Tochtergesellschaften

Als wichtigste Änderung gegenüber dem Referentenentwurf ist die Klarstellung zu nennen, dass auch im Unternehmensvermögen gehaltene Beteiligungen an Drittstaats-Tochtergesellschaften begünstigt sein können. Deren Begünstigung war nach dem Referentenentwurf noch mehr als fraglich. Zudem wurden im Finanzmitteltest die im derzeitigen Recht bereits geltenden Ausnahmen für Kreditinstitute und Versicherungen ergänzt.

Generell dürfte die Umsetzung der Neudefinition des begünstigten Unternehmensvermögens im weiteren Gesetzgebungsverfahren vor allem mit den Ländern noch für erheblichen Diskussionsstoff sorgen. Denn die Finanzbehörden der Länder müssen diese Regelungen umsetzen, die in der Praxis in jedem Einzelfall zu kontroversen Diskussionen führen können.

Änderungen für Großunternehmen

Die Freigrenze, ab der die Regelungen für Großunternehmen anzuwenden sind, wurde auf 26 Mio. EUR pro Erwerb von einer Person innerhalb von 10 Jahren angehoben. Im Referentenentwurf lag diese Grenze noch bei 20 Mio. EUR.

Die Prüfung der Freigrenze von 26 Mio. EUR ist weiterhin zeitraumbezogen für mehrere innerhalb von 10 Jahren von derselben Person anfallende Erwerbe vorzunehmen. Bei Überschreiten der Freigrenze wird nicht nur die Gewährung der erbschaftsteuerlichen Begünstigungen des Letzterwerbs (durch den die 26 Mio. EUR-Grenze überschritten wird), sondern rückwirkend auch die der vorherigen Schenkungen versagt. Für die gesamten Übertragungen kommen dann nur noch die Begünstigungen zur Anwendung, die für Großvermögen vorgesehen sind.

Die Freigrenze kann sich auf 52 Mio. EUR erhöhen, wenn im Gesellschaftsvertrag bestimmte Entnahme-, Abfindungs- und Verfügungsbeschränkungen enthalten sind. Allerdings müssen diese - wie bisher bereits geplant - 10 Jahre vor und 30 Jahre nach dem Übertragungsstichtag vorliegen. Im Referentenentwurf war lediglich eine Erhöhung der Freigrenze auf 40 Mio. EUR vorgesehen.

Wird die Freigrenze überschritten, soll wie bisher dem Erwerber solchen Vermögens weiterhin ein Wahlrecht zwischen

  • der Nutzung eines sich reduzierenden Verschonungsabschlags (§ 13c ErbStG-E) und
  • eines Steuererlasses im Fall des Nachweises der Bedürftigkeit des Erwerbers (§ 28a ErbStG-E)

zur Verfügung. Nur eine der beiden Optionen kann gewählt werden.

Alternative 1: Reduzierender Verschonungsabschlag ohne Verschonungsbedarfsprüfung

Weitere Änderungen sieht der Gesetzentwurf vor allem bei der Inanspruchnahme des sich reduzierenden Verschonungsabschlags (§ 13c ErbStG-E) vor.

Die Erhöhung der Freigrenze für Großvermögen auf 26 Mio. EUR hat auch Auswirkungen auf den zur Anwendung kommenden abschmelzenden Verschonungsabschlag. Bis zu einem begünstigten Unternehmensvermögen von 26 Mio. EUR pro Erwerber kann zwischen der Anwendung des ungekürzten Abschlags von 85 % (Regelverschonung) und des ungekürzten Abschlags von 100 % (Optionsverschonung) gewählt werden.

Übersteigt dagegen das erworbene begünstigte Unternehmensvermögen 26 Mio. EUR, vermindert sich der jeweilige Verschonungsabschlag um jeweils 1 Prozentpunkt für jede volle 1,5 Mio. EUR, die der Wert des begünstigten Vermögens den Betrag von 26 Mio. EUR übersteigt.

Bei Vermögen über 116 Mio. EUR (bisher 110 Mio. EUR) vermindert sich der Verschonungsabschlag nicht weiter und es steht den Erwerbern von Großvermögen ohne Bedürfnisprüfung je nach Wahl des Verschonungsabschlags ein Mindestabschlag von 20 % im Fall der Regelverschonung bzw. von 35 % im Fall der Optionsverschonung zur Verfügung.

Hinweis: An dieser Stelle hat sich der Regierungsentwurf gegenüber dem Referentenentwurf verschlechtert. Bisher sah der Referentenentwurf noch einen Mindestabschlag von 25 % im Fall der Regelverschonung bzw. von 40 % im Fall der Optionsverschonung vor.

Insgesamt stellen sich die erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlagen in Abhängigkeit vom begünstigten Vermögen wie folgt dar (Werte in EUR):

begünstigtes
Vermögen

Referentenentwurf

Regierungsentwurf

Änderung zum Referenten-entwurf

 

Verschonungs-abschlag

Verschonungs-abschlag

Abschlag

BMG nach Abschlag

20.000.000

85%

3.000.000

85%

3.000.000

0

26.000.000

81%

4.940.000

85%

3.900.000

-1.040.000

30.000.000

79%

6.300.000

83%

5.100.000

-1.200.000

40.000.000

72%

11.200.000

76%

9.600.000

-1.600.000

50.000.000

65%

17.500.000

69%

15.500.000

-2.000.000

60.000.000

59%

24.600.000

63%

22.200.000

-2.400.000

70.000.000

52%

33.600.000

56%

30.800.000

-2.800.000

80.000.000

45%

44.000.000

49%

40.800.000

-3.200.000

90.000.000

39%

54.900.000

43%

51.300.000

-3.600.000

100.000.000

32%

68.000.000

36%

64.000.000

-4.000.000

110.000.000

25%

82.500.000

29%

78.100.000

-4.400.000

116.000.000

25%

87.000.000

25%

87.000.000

0

ab 116.000.000

25%

90.000.000

20%

96.000.000

6.000.000

200.000.000

25%

150.000.000

20%

160.000.000

10.000.000

500.000.000

25%

375.000.000

20%

400.000.000

25.000.000

Die Berechnung zeigt, dass die Änderungen im Regierungsentwurf bis zu einem Vermögen von 116 Mio. EUR zu einer geringeren Bemessungsgrundlage führen, während ab einem Vermögen von 116 Mio. Euro die Bemessungsgrundlagen durch die Absenkung des Mindest-Verschonungsabschlags steigen.

Neu ist auch, dass es zusätzlich zu einer geringeren Reduzierung des Verschonungsabschlags kommt, wenn die Freigrenze aufgrund der Satzungsbeschränkungen auf 52 Mio. EUR steigt. Liegen die Voraussetzungen der erhöhten Freigrenze von 52 Mio. EUR vor, berechnet sich der Minderungsbetrag des Verschonungsabschlags nicht mehr - wie bisher vorgesehen - auf Basis der normalen Freigrenze von (bisher) 20 Mio. EUR, sondern auf Basis der satzungsbedingt erhöhten Freigrenze von 52 Mio. EUR. Diese Wirkung illustriert das folgende Beispiel (Werte in EUR):

begünstigtes
Vermögen

Referentenentwurf

Regierungsentwurf

Änderung zum Referenten-entwurf

 

Abschlag

BMG nach Abschlag

Abschlag

BMG nach Abschlag

20.000.000

85%

3.000.000

85%

3.000.000

0

26.000.000

85%

3.900.000

85%

3.900.000

0

30.000.000

85%

4.500.000

85%

4.500.000

0

40.000.000

85%

6.000.000

85%

6.000.000

0

50.000.000

65%

17.500.000

85%

7.500.000

-10.000.000

60.000.000

59%

24.600.000

80%

12.000.000

-12.600.000

70.000.000

52%

33.600.000

73%

18.900.000

-14.700.000

80.000.000

45%

44.000.000

67%

26.400.000

-17.600.000

90.000.000

39%

54.900.000

60%

36.000.000

-18.900.000

100.000.000

32%

68.000.000

53%

47.000.000

-21.000.000

110.000.000

25%

82.500.000

47%

58.300.000

-24.200.000

120.000.000

25%

90.000.000

40%

72.000.000

-18.000.000

130.000.000

25%

97.500.000

33%

87.100.000

-10.400.000

140.000.000

25%

105.000.000

27%

102.200.000

-2.800.000

142.000.000

25%

106.500.000

25%

106.500.000

0

143.000.000

25%

107.250.000

20%

114.400.000

7.150.000

150.000.000

25%

112.500.000

20%

120.000.000

7.500.000

200.000.000

25%

150.000.000

20%

160.000.000

10.000.000

500.000.000

25%

375.000.000

20%

400.000.000

25.000.000

Die Berechnung zeigt, dass diese Änderung im Regierungsentwurf die größte Auswirkung auf die erbschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage entfaltet.

Alternative 2: Steuererlass nach Verschonungsbedarfsprüfung

Beim Steuererlass bleibt es weitgehend bei den bisher im Referentenentwurf geplanten Regelungen. Hier muss der Erwerber nachweisen, dass er persönlich nicht in der Lage ist, die Steuer aus seinem verfügbaren Vermögen zu begleichen. Das verfügbare Vermögen umfasst dabei 50 % der Summe aus dem mit der Erbschaft oder Schenkung zugleich übergegangenen Vermögen und dem im Übertragungszeitpunkt beim Erwerber vorhandenen Vermögen. Nicht zum verfügbaren Vermögen gehört in beiden Fällen begünstigtes Unternehmensvermögen.

Da die - ohne Anwendung der Verschonungsabschläge – festgesetzte Steuer nur „soweit“ erlassen wird, wie sie nicht durch verfügbares Vermögen beglichen werden kann, kommt es nur zu einem Teilerlass. Der Teil der Steuer, der durch verfügbares Vermögen beglichen werden könnte, wird demzufolge nicht erlassen, sondern ist sofort im Fälligkeitszeitpunkt zu zahlen. Allerdings enthält der Regierungsentwurf ebenso wie bereits der Referentenentwurf zumindest Stundungsmöglichkeiten für die sofort zu zahlende Steuer. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Einziehung der Steuer im Fälligkeitszeitpunkt eine erhebliche Härte für den Erwerber bedeuten würde und der Anspruch nicht gefährdet erscheint. Hierbei wird eine erhebliche Härte insbesondere dann fingiert, wenn der Erwerber einen Kredit aufnehmen oder verfügbares Vermögen veräußern muss, um die Steuer entrichten zu können.

Zudem erhöht sich das verfügbare Vermögen auch um Vermögen, das innerhalb von 10 Jahren nach der Übertragung dem Erwerber aus anderen Erbschaften und Schenkungen zufließt. Die nachträgliche Erhöhung des verfügbaren Vermögens mindert zugleich rückwirkend die Höhe der erlassenen Steuer.

Wird diese Option für Großvermögen gewählt, gelten die gleichen Lohnsummen- und Behaltensregelungen wie sie im Rahmen der Optionsverschonung anzuwenden sind.

Für die endgültige Gewährung des Steuererlasses darf weiterhin die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen innerhalb von 7 Jahren nach dem Erwerb (Lohnsummenfrist) insgesamt 700 % der Ausgangslohnsumme nicht unterschreiten (Mindestlohnsumme). Unterschreitet die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen die Mindestlohnsumme, vermindert sich der erlassene Steuerbetrag rückwirkend in demselben prozentualen Umfang, wie die Mindestlohnsumme unterschritten wird.

Auch ein Verstoß gegen die Behaltensregelungen innerhalb der hier geltenden 7-jährigen Behaltensfrist führt zu einer rückwirkenden Verringerung der erlassenen Steuer. Hier gelten allerdings auch die Reinvestitionsklausel und der nur zeitanteilige Wegfall der erlassenen Steuer.

Änderungen bei der Lohnsumme

Die vom BVerfG geforderte Minderung der Arbeitnehmergrenze für die grundsätzliche Anwendung der Lohnsummenregelung wird beibehalten. Nur noch Unternehmen mit weniger als 4 Beschäftigten sind von der Lohnsummenregelung für die Inanspruchnahme der Begünstigungen ausgenommen. Für kleinere Unternehmen mit mehr als 3 Beschäftigten sind allerdings geringere Mindestlohnanforderungen vorgesehen. Gegenüber dem Referentenentwurf, der nur geringere Mindestlohnanforderungen für Unternehmen mit 4 bis 10 Beschäftigten vorsah, sieht der Regierungsentwurf noch weitere geringere Mindestlohnanforderungen für Unternehmen mit 11 bis 15 Beschäftigten vor. Unternehmen mit mehr als 15 Beschäftigten müssen dann die allgemeinen und bereits heute schon geltenden Mindestlohnsummen einhalten. Insgesamt stellen sich die einzuhaltenden Mindestlohnsummen nach dem Regierungsentwurf wie folgt dar:

 

Regelverschonung

Optionsverschonung

Zahl der Beschäftigten

Lohnsummenfrist 5 Jahre

 

Lohnsummenfrist

7 Jahre

Mindestlohnsumme

durchschnittliche Lohnsumme p.a.

Mindestlohnsumme

durchschnittliche Lohnsumme p.a.

0 bis 3

Keine Lohnsummenregelung

4 bis 10

250%

50,00%

500%

71,43%

11 bis 15

300%

60,00%

565%

80,71%

über 15

400%

80,00%

700%

100,00%

Eine weitere Änderung enthält der Regierungsentwurf bezüglich der Berechnung der Beschäftigtengrenzen und der in die Lohnsumme einzubeziehenden Vergütungen. So sollen Auszubildende, Beschäftigte im Mutterschutz, Eltern in Elternzeit sowie Kranke, die Krankengeld erhalten, weder in die Beschäftigtenzahl einbezogen werden noch sollen deren Vergütung Eingang in die Lohnsumme finden.