OFD Kommentierung: Besteuerung von Erstattungszinsen

Ob Erstattungszinsen auch von Kapitalgesellschaften als steuerpflichtige Einnahme anzusetzen sind, muss demnächst das Bundesverfassungsgericht klären. Die OFD Münster beleuchtet die Thematik mit aktueller Verfügung.

Zinsen zur Einkommensteuer nach § 233a AO, die das Finanzamt an den Steuerpflichtigen zahlt (sog. Erstattungszinsen), waren bis Mitte 2010 noch nach überstimmender Meinung von BFH und Finanzverwaltung als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern. Der BFH vollzog mit Urteil vom 15.6.2010 (VIII R 33/07, BStBl 2011 II, S. 503) die Kehrtwende und entschied, dass Erstattungszinsen zur Einkommensteuer nicht mehr länger besteuert werden dürfen. Denn das Gericht ordnete Erstattungszinsen dem nichtsteuerbaren Bereich zu, soweit sie auf nichtabziehbare Steuern i. S. d. § 12 Nr. 3 EStG (z.B. die Einkommensteuer) entfallen.

Hinweis: Der Gesetzgeber reagierte darauf mit dem Jahressteuergesetz 2010 (JStG) vom 8.12.2010 und schrieb die Steuerpflicht von Erstattungszinsen ausdrücklich im Einkommensteuergesetz fest (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG n.F.). Diese „Klarstellung“ gilt in allen Fällen, in denen die Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist. Auch die Besteuerung durch dieses „Nichtanwendungsgesetz“ wird momentan vom BFH überprüft (anhängige Verfahren u.a. VIII R 1/ 11, VIII R 36 /10, VIII R 26/12).

Auswirkungen auf die Körperschaftsteuer

Die OFD Münster erklärt mit Verfügung vom 14.11.2012, dass im Bereich der Körperschaftsteuer keine entsprechende Gesetzesänderung vorgenommen wurde, dies allerdings auch nicht notwendig war, weil die vorgenannte BFH-Rechtsprechung keine Auswirkungen auf die Besteuerung von Erstattungszinsen zur Körperschaftsteuer hat. Dies gehe aus einem Beschluss der Körperschaftsteuer-Referatsleiter des Bundes und der Länder hervor. Die Rechtsprechung bezieht sich nur auf den Bereich der Einkommensteuer, da nur in diesem Bereich Einnahmen dem nichtsteuerbaren Bereich des Steuerpflichtigen zugeordnet werden können. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des I. Senats des BFH, dass Kapitalgesellschaften steuerlich gesehen über keine außerbetriebliche Sphäre verfügen, sodass bei ihnen dem Grunde nach alle Einnahmen als Betriebseinnahmen zu werten sind. Von einer Körperschaft empfangene Erstattungszinsen gehören demnach weiterhin zu den steuerpflichtigen Einnahmen (R 48 Abs. 2 Satz 2 KStR).

Hinweis: Nachzahlungszinsen unterliegen hingegen dem Abzugsverbot des § 10 Nr. 2 KStG.

Auswirkungen auf die Gewerbesteuer

Auch Erstattungszinsen zur Gewerbesteuer sind nach Auffassung der OFD weiterhin als steuerpflichtige Einnahme zu behandeln.

Hinweis: Nachzahlungszinsen zur Gewerbesteuer unterliegen dem Abzugsverbot des § 4 Abs. 5b EStG.

Keine Aussetzung der Vollziehung

Die Finanzämter dürfen nach Weisung der OFD keine Aussetzung der Vollziehung (AdV) gewähren, sofern der Steuerpflichtige Einspruch gegen die Besteuerung von Erstattungszinsen zur Körperschaft- und Gewerbesteuer einlegt.  

Die OFD verweist in diesem Zusammenhang auf das Urteil des FG Düsseldorf vom 17.5.2011 (Az. 6 K 703/08 K, G), wonach die Erfassung von Erstattungszinsen als steuerpflichtige Betriebseinnahme bei Kapitalgesellschaften verfassungsrechtlich unbedenklich ist. Der BFH hatte zur hiergegen erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss vom 15.2.2012 (Az. I B 97/11) ausdrücklich erklärt, dass

  • Zinsen auf erstattete Körperschaftsteuerzahlungen (Erstattungszinsen) das Einkommen von Kapitalgesellschaften erhöhen und

  • die geänderte BFH-Rechtsprechung zu Erstattungszinsen auf die Einkommensteuer (Urteil vom 15.6.2010, a.a.O.) nicht auf die Einkommensermittlung von Kapitalgesellschaften übertragbar ist.

Ruhen des Verfahrens möglich

Die OFD weist darauf hin, dass das BVerfG die Steuerpflicht von Erstattungszinsen und die Abziehbarkeit von Nachzahlungszinsen bei Kapitalgesellschaften aufgrund einer Verfassungsbeschwerde prüfen muss (anhängiges Verfahren hinsichtlich Körperschaftsteuer: 2 BvR 1407/12; hinsichtlich Gewerbesteuer: 2 BvR 1608/12). Soweit sich Einspruchsführer auf diese Verfahren berufen, müssen die Finanzämter ein Ruhen des Verfahrens kraft Gesetzes gewähren.

Hinweis: Das sog. Ruhen des Verfahrens kraft Gesetzes (§ 363 Abs. 2 Satz 2 AO) tritt ein, wenn ein Einspruch auf ein anhängiges Verfahren gestützt wird, das wegen der Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm oder wegen einer Rechtsfrage beim EuGH, BVerfG oder einem obersten Bundesgericht wie dem BFH anhängig ist. Sobald das Gerichtsverfahren abgeschlossen ist, nimmt das Finanzamt das ruhende Einspruchsverfahren wieder auf, sodass sich später von positiven Signalen aus der Rechtsprechung profitieren lässt.

OFD Münster, Verfügung vom 14.11.2012, Kurzinformation Körperschaftsteuer Nr. 6/2010