BMF: Umsatzsteuerrechtliche Organschaft

Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).

Eine Eingliederung von Nichtunternehmern in Organkreise ist ausgeschlossen. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG steht - auch unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils vom 9.4.2013 (Az. C-85/11) - im Einklang mit Art. 11 MwStSystRL. Nach Auffassung des EuGH geht aus Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL nicht hervor, dass nichtsteuerpflichtige Personen nicht in eine Mehrwertsteuergruppe einbezogen werden können. Hieraus ist jedoch nicht zu folgern, dass Nichtunternehmer zwingend in die Regelungen zur Organschaft einzubeziehen sind. Vielmehr können die Mitgliedstaaten - wenn sie von der Option des Art. 11 MwStSystRL Gebrauch machen - auch Nichtunternehmer in eine Mehrwertsteuergruppe einbeziehen; sie sind hierzu jedoch nicht verpflichtet. Dies ergibt sich auch aus dem EuGH-Urteil vom 25.4.2013 (Az. C-480/10), wonach die Mitgliedstaaten eine Umsetzung von Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL auf bestimmte Personen beschränken können.

Der Ausschluss von Nichtunternehmern durch § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG beruht auf Art. 11 Abs. 2 MwStSystRL, wonach ein Mitgliedstaat, der die Gruppenregelung umgesetzt hat, die erforderlichen Maßnahmen treffen kann, um Steuerhinterziehungen oder -umgehungen durch die Anwendung dieser Bestimmung vorzubeugen. Die nationale Beschränkung der Organschaft auf Unternehmer verhindert, dass durch Einbeziehung von Nichtunternehmern in den Anwendungsbereich des Umsatzsteuersystems insbesondere der Vorsteuerabzug entgegen der Bestimmungen des § 15 UStG auf von diesem Personenkreis bezogene Leistungen missbräuchlich ausgeweitet wird.

Im Übrigen bleibt der Ausgang der vom BFH in den Verfahren XI R 17/11 und XI R 38/12 dem EuGH vorgelegten Vorabentscheidungsersuchen abzuwarten.

Konsequenzen des BFH-Urteils vom 8.8.2013 sowie der Beschlüsse vom 11.12.2013

Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH kommt es für die Annahme der organisatorischen Eingliederung darauf an, dass der Organträger die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrscht oder aber zumindest durch die Gestaltung der Beziehungen zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft sichergestellt ist, dass eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung bei der Organtochter nicht stattfindet. Mit Urteil vom 8.8.2013 (Az. V R 18/13), hat der BFH seine Rechtsprechung geändert. Danach ist es für die organisatorische Eingliederung nicht ausreichend, dass die Muttergesellschaft lediglich sicherstellt, dass eine von ihrem Willen abweichende Willensbildung bei der Tochtergesellschaft nicht stattfindet. Vielmehr muss sie in der Lage sein, ihren Willen in der Organgesellschaft durchzusetzen. In Insolvenzfällen endet die organisatorische Eingliederung, wenn das Insolvenzgericht für die Organgesellschaft einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und zugleich gem. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO anordnet, dass Verfügungen nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind.

Darüber hinaus hat der BFH mit Beschlüssen vom 11.12.2013 die Verfahren XI R 17/11 und XI R 38/121 ausgesetzt und dem EuGH die folgenden Fragen zur Auslegung des Unionsrechts vorgelegt:

  1. Nach welcher Berechnungsmethode ist der (anteilige) Vorsteuerabzug einer Holding aus Eingangsleistungen im Zusammenhang mit der Kapitalbeschaffung zum Erwerb von Anteilen an Tochtergesellschaften zu berechnen, wenn die Holding später (wie von vornherein beabsichtigt) verschiedene steuerpflichtige Dienstleistungen gegenüber diesen Gesellschaften erbringt?
  2. Steht die Bestimmung über die Zusammenfassung mehrerer Personen zu einem Steuerpflichtigen in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG einer nationalen Regelung entgegen, nach der (erstens) nur eine juristische Person - nicht aber eine Personengesellschaft - in das Unternehmen eines anderen Steuerpflichtigen (sog. Organträger) eingegliedert werden kann und die (zweitens) voraussetzt, dass diese juristische Person finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch (im Sinne eines Über- und Unterordnungsverhältnisses) „in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist“?
  3. Falls die vorstehende Frage bejaht wird: Kann sich ein Steuerpflichtiger unmittelbar auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG berufen?

Vor dem Hintergrund der Vorabentscheidungsersuchen wird die Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 8.8.2013 (Az. V R 18/13) und damit dessen allgemeine Anwendung über den entschiedenen Einzelfall hinaus bis auf weiteres zurückgestellt.

Änderung der Regelungen zur organisatorischen Eingliederung in Abschn. 2.8 UStAE

Abschn. 2.8 Abs. 9 UStAE enthält Aussagen zur organisatorischen Eingliederung in den Fällen, in denen leitende Mitarbeiter des Organträgers als Geschäftsführer der Organgesellschaft tätig sind. Die Regelungen gehen auf Rechtsprechung des BFH zurück, die auf der Annahme beruht, dass der leitende Mitarbeiter des Organträgers dessen Weisungen bei der Geschäftsführung der Organgesellschaft aufgrund eines zum Organträger bestehenden Anstellungsverhältnisses und einer sich hieraus ergebenden persönlichen Abhängigkeit befolgen wird und er bei weisungswidrigem Verhalten vom Organträger als Geschäftsführer der Organgesellschaft uneingeschränkt abberufen werden kann. Dieses Abhängigkeitsverhältnis besteht jedoch nicht nur bei leitenden, sondern bei allen Mitarbeitern des Organträgers. Die Urteile des BFH sind grundsätzlich weiter anzuwenden, jedoch wird künftig auf das Merkmal der Leitungsfunktion des Mitarbeiters verzichtet. Hierdurch werden zudem Abgrenzungsschwierigkeiten vermieden.

Daneben ist es notwendig, die in Abschn. 2.8 Abs. 8 Satz 10 und Abs. 10 Satz 4 und 5 UStAE enthaltenen Aussagen zur Vermittlung der organisatorischen Eingliederung in Beteiligungsketten bzw. zur Annahme einer organisatorischen Eingliederung in Beherrschungs- und Eingliederungsfällen klarstellend näher zu erläutern.

Vor diesem Hintergrund wird Abschn. 2.8 UStAE geändert.

Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Für vor dem 1.1.2015 ausgeführte Umsätze wird es nicht beanstandet, wenn sich die am vermeintlichen Organkreis Beteiligten bei der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung des Sachverhalts übereinstimmend auf Abschn. 2.8 Abs. 9 UStAE in der am 4.5.2014 geltenden Fassung berufen.

Die Anwendung der Übergangsregelung des BMF-Schreibens vom 7.3.2013 in der Fassung des Schreibens vom 11.12.2013 bleibt unberührt.

BMF, Schreiben v. 5.5.2014, IV D 2 - S 7105/11/10001, IV D 2 - S 7105/13/10003

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