Berücksichtigung nachträglich bekannt gewordener Kapitalerträge

Werden nach bestandskräftig durchgeführter Festsetzung bisher nicht erklärte, dem Kapitalertragsteuerabzug unterworfene Erträge bekannt, liegen regelmäßig neue Tatsachen vor, die eine Bescheidänderung rechtfertigen.

Allerdings ist mit Einführung der Abgeltungsteuer auch verfahrensrechtlich eine andere Rechtslage entstanden.

Entsprechend ist daher wie folgt zu unterscheiden:

1. Rechtslage bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2008

Die nachträglich bekannt gewordenen Kapitalerträge stellen neue Tatsachen im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO dar, die zur Änderung der Steuerfestsetzung berechtigen. Die Änderung ist auch dann durchzuführen, wenn sich nach Anrechnung der Kapitalertragsteuer eine niedrigere verbleibende Einkommensteuerschuld und damit ein Steuererstattungsanspruch ergeben. Ob die Anrechnung der Kapitalertragsteuer tatsächlich in Betracht kommt, regelt sich unter den Voraussetzungen des § 130 AO.

2. Rechtslage ab Veranlagungszeitraum 2009

Nach Einführung der Abgeltungsteuer zum 1.1.2009 kommt eine Anrechnung der Kapitalertragsteuer grundsätzlich nur noch in Betracht, wenn der Steuerpflichtige in seiner Einkommensteuererklärung einen Antrag nach § 32d Abs. 4 bzw. Abs. 6 EStG gestellt hat. Eine solche Antragstellung ist nur bis zur Bestandskraft möglich.

Dies hat zur Folge, dass mit einem nach Eintritt der Bestandskraft gestellter Antrag keine Bescheidänderung mehr erreicht werden kann, weil die dem Finanzamt durch die Antragstellung nachträglich bekannt gewordenen neuen Tatsachen (Vorliegen von Kapitalerträgen mit Kapitalertragsteuerabzug) nicht rechtserheblich sind. Denn hätte das Finanzamt von den Kapitaleinnahmen bei Durchführung der Veranlagung Kenntnis gehabt, hätte es sie gleichwohl – mangels Antrag – nicht in die Veranlagung mit einbezogen. Entsprechend kann daher auch die einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht angerechnet werden, da sie die Erfassung der Kapitalerträge bei der Veranlagung voraussetzt (§ 36 Abs. 2 Satz 2 EStG).

Eine Bescheidänderung aufgrund eines nachträglich gestellten Antrags ist daher nur noch möglich, wenn der Einkommensteuerbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist oder aufgrund eines eingelegten Einspruchs noch nicht bestandskräftig ist.

Praxishinweis

Aufgrund dieser verfahrensrechtlichen Rechtslage sollte spätestens bei Erhalt des Steuerbescheides geprüft werden, ob ggf. doch ein Antrag nach § 32d Abs. 4 oder 6 EStG zu einem günstigeren steuerlichen Ergebnis führt und der Antrag sodann im Einspruchswege gestellt werden.

(LfSt Bayern v. 16.2.2012, S 0351.2.1 – 17/1 St 42)

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