Zusammenfassung

 
Begriff

Rechtmäßige Verwaltungsakte können, auch nachdem sie unanfechtbar geworden sind, bei Vorliegen der Voraussetzungen widerrufen werden. Es ist dabei zwischen dem Widerruf eines begünstigenden und eines nicht begünstigenden Verwaltungsaktes zu unterscheiden sowie zwischen dem Widerruf mit Wirkung für die Zukunft und dem mit Wirkung für die Vergangenheit. Der Widerruf selbst erfolgt durch Verwaltungsakt.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Sozialversicherung: Der Widerruf von Verwaltungsakten ist in den §§ 46 und 47 SGB X geregelt.

1 Widerruf eines rechtmäßigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes

1.1 Wirkung für die Zukunft

Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden.[1] Der Verwaltungsakt muss wirksam und rechtmäßig sein.

Des Weiteren muss es sich um einen nicht begünstigenden, d. h. um einen belastenden Verwaltungsakt handeln. Ein solcher liegt vor, wenn er nachteilhaft ist, mithin weder ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat.

Der Widerruf kann sowohl auf Anregung des Betroffenen als auch von Amts wegen erfolgen und ist jederzeit möglich, vorausgesetzt, es liegt kein Ausschlussgrund vor.

Ob ein Widerruf erfolgt, liegt im Ermessen der Behörde. Die Ermessensentscheidung muss jedoch fehlerfrei getroffen werden.

 
Achtung

Abgrenzung

Der Widerruf ist nicht zu verwechseln mit einer neuen Sachentscheidung der Behörde (Neuregelung). Auch ist der Widerruf abzugrenzen von einer Entscheidung, die infolge geänderter Umstände getroffen wird.

1.2 Ausschlussgrund

Der Widerruf eines rechtmäßigen, nicht begünstigenden Verwaltungsaktes ist ausgeschlossen, wenn

  • ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder
  • aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.[1]
 
Praxis-Beispiel

Gesetzlicher Ausschlussgrund (§ 8 Abs. 2 Satz 3 SGB V)

Ein Arbeitnehmer ist wegen der Höhe seines Jahresarbeitsentgelts in der Kranken- und Pflegeversicherung versicherungsfrei.[2] Jahre später wird er wegen gesetzlicher Erhöhung der Jahresarbeitsentgeltgrenze wieder versicherungspflichtig. Da er inzwischen Mitglied eines privaten Krankenversicherungsunternehmens geworden ist und dortbleiben möchte, lässt er sich nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB V von der Versicherungspflicht befreien. Einige Zeit später bereut er dies und möchte die Befreiung widerrufen. Nach ausdrücklicher Vorschrift in § 8 Abs. 2 Satz 3 SGB V ist das aber nicht möglich.

Der Widerruf eines Verwaltungsaktes ist auch dann ausgeschlossen, wenn der Widerruf keinen Sinn ergibt. Dies ist beispielsweise bei einer Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 6 SGB VI der Fall, weil die Wirkung der Befreiung nach § 6 Abs. 5 SGB VI begrenzt ist und bei einer Änderung der Verhältnisse die Befreiung ohnehin entfällt.

2 Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsaktes

2.1 Wirkung für die Zukunft

Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, soweit dies durch eine Rechtsvorschrift

  • ausdrücklich zugelassen (z. B. bei der Heilmittelabgabe) oder
  • durch Verwaltungsakt vorbehalten ist (z. B. als Nebenbestimmung eines Verwaltungsaktes) oder
  • der Verwaltungsakt mit einer Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.[1]

Der Verwaltungsakt muss rechtmäßig sein. Des Weiteren muss es sich um einen begünstigenden Verwaltungsakt handeln, mithin muss er ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt haben.

Ein in Rechtsvorschriften zugelassener Widerruf eines Verwaltungsaktes ist nicht typisch für Sozialleistungen, sodass diese Vorschrift nur in Ausnahmefällen bei entsprechenden gesetzlichen Vorschriften angewendet werden kann.

Der Widerrufsvorbehalt in einem Verwaltungsakt bei nicht rechtzeitiger Erfüllung einer zulässigen Auflage ist dagegen üblich. Zulässige Auflagen in Verwaltungsakten werden z. B. bei Zubilligung einer Leistung mit der Aufforderung nach einem entsprechenden Verhalten oder zur Sicherung eines Heilerfolgs bei Rehabilitationsmaßnahmen verwendet. Voraussetzung für den Widerruf des Verwaltungsaktes ist die Nichterfüllung oder nicht rechtzeitige Erfüllung einer zulässigen Auflage.

Die Entscheidung liegt im Ermessen der Behörde, welches jedoch fehlerfrei ausgeübt werden muss.

2.2 Wirkung für die Vergangenheit

Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, der eine Geld- oder Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks zuerkennt oder hierfür Voraussetzung ist, kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn

  • die Leistung, die nicht oder nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird oder
  • mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb der gesetzten Frist erfüllt hat.[1]

Mit der Möglichkeit, rechtmäßige begünstigende Verwaltungsakte auch für die Vergangenheit ...

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