Rechtskraft nein

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufenthalt in einer Einrichtung. Ort der Einrichtung. Gewöhnlicher Aufenthalt. Rechtmäßigkeit des Aufenthalts. Kostenerstattung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Aufenthalt in einer Einrichtung im Sinne des § 10a Abs. 2 AsylbLG setzt ein faktisches Obhutsverhältnis voraus, das jedenfalls bei einer mit Wissen und Wollen der Einrichtung erfolgten Entlassung für mehrere Tage in der Regel entfällt. Auf die Motive und Zielsetzungen, die hinter einer solchen Entlassung stehen, kommt es grundsätzlich nicht an.

2. Für die Feststellung des gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne des § 10a Abs. 3 AsylbLG kommt es im Anwendungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes nicht auf die ausländer- oder asylverfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit des Aufenthalts des Leistungsberechtigten an (Fortführung von Senat, Beschluss vom 19.04.2000 – 7 S 313/00 –, FEVS 52, 74).

3. Ein gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne des § 10a Abs. 3 AsylbLG kann auch am Ort einer Einrichtung nach § 10a Abs. 2 AsylbLG begründet werden.

 

Normenkette

AsylbLG §§ 10a, 10b

 

Verfahrensgang

VG Freiburg i. Br. (Urteil vom 06.11.2001; Aktenzeichen 8 K 2641/99)

 

Nachgehend

BVerwG (Beschluss vom 25.10.2006; Aktenzeichen 5 B 31.06)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. November 2001 – 8 K 2641/99 – geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klage ist auf Kostenerstattung für Aufwendungen in Höhe von 584.710,20 DM (298.957,58 Euro) nebst Zinsen gerichtet, die der Klägerin in der Zeit vom 09.03.1998 bis 05.05.1999 für die stationäre Krankenhilfe zugunsten des russischen Staatsangehörigen R. B. (im Folgenden: B.) entstanden sind.

Der am 23.06.1971 geborene B. reiste im Jahr 1990 erstmals in die Bundesrepublik Deutschland ein und wurde im Juni 1993 nach erfolgloser Durchführung eines Asylverfahrens nach Russland abgeschoben. Zu einem nicht feststehenden späteren Zeitpunkt reiste er erneut in die Bundesrepublik ein und hielt sich im Folgenden illegal dort auf. Im September 1996 wurde B. festgenommen und befand sich im Anschluss daran in verschiedenen Justizvollzugsanstalten in Untersuchungs- und Strafhaft, zuletzt – seit dem 06.05.1997 – in der Justizvollzugsanstalt Mannheim. Mit Urteil vom 19.02.1997 – 6 Ls 7 Js 15020/96 – wurde B. vom Amtsgericht – Schöffengericht – Offenburg wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringen Mengen in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

Bei B. wurde im Jahre 1997 eine akute lymphatische Leukämie festgestellt, zu deren Behandlung er zunächst in das Klinikum Mannheim (Waldhofklinik Mannheim) aufgenommen wurde. Die Staatsanwaltschaft Offenburg verfügte unter dem 28.10.1997 die Unterbrechung der Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe für die Dauer der stationären Behandlung des B. in der Waldhofklinik. Dort wurde er vom 17.10.1997 bis zum 02.01.1998, vom 14.01. bis zum 16.01.1998, vom 28.01. bis zum 18.02.1998 und vom 23.02.1998 bis zum 08.03.1998 stationär behandelt. In der Zeit zwischen diesen Behandlungen hielt sich B. nach eigenen Angaben bei seiner Freundin in Offenburg auf.

Mit Schreiben vom 12.02.1998 teilte das Klinikum Mannheim der Klägerin mit, bei B. sei zur Heilung seiner Leukämie die Durchführung einer Knochenmarktransplantation erforderlich, und bat um eine entsprechende Kostenübernahmeerklärung, die von der Klägerin unter dem 19.02.1998 abgegeben wurde.

B. wurde am 09.03.1998 in die Universitätsklinik Freiburg verlegt, wo am 24.04.1998 die Knochenmarktransplantation durchgeführt wurde. Unter dem 08.10.1998 und dem 11.12.1998 bat die Universitätsklinik Freiburg für die Weiterbehandlung des B. in einer Rehabilitationsklinik um eine Kostenübernahmeerklärung, die die Klägerin – begrenzt auf den Pflegesatz nach den RVO-Kassensätzen – mit Schreiben vom 21.01.1999 abgab. B. wurde daraufhin in die Neurologische Klinik Elzach verlegt, wo er bis zum 06.05.1999 stationär behandelt wurde.

Mit Schreiben vom 26.02.1998 machte die Klägerin – zunächst gegenüber der Stadt Offenburg – einen Kostenerstattungsanspruch nach § 103 Abs. 1 BSHG geltend. Beigefügt war eine schriftliche Erklärung des B. vom 10.02.1998, die dieser in der Klinik in Mannheim abgegeben hatte und in der es hieß, er habe sich „vom Januar bis September 1995” (gemeint war wohl 1996) in Offenburg aufgehalten; die Anschrift sei ihm nicht mehr bekannt. Mit Schreiben vom 30.11.1998 lehnte das Landratsamt Ortenaukreis für den Beklagten die Kostenerstattung ab, im Wesentlichen mit der Begründung, dass B. in der maßgeblichen Zeit vor seiner Inhafti...

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