Rz. 28

§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ordnet die Anrechnung von mit dem Elterngeld vergleichbaren Leistungen an, auf die eine nach § 1 BEEG berechtigte Person außerhalb Deutschlands oder gegenüber einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung Anspruch hat. Angerechnet werden nicht nur die der berechtigten Person selbst zustehenden Leistungen, sondern ggf. auch Leistungen i. S. d. Nr. 3, auf die der andere nach § 1 BEEG berechtigte Elternteil einen Anspruch hat.[1]

 

Rz. 29

Dabei gilt es insbesondere zu beachten, dass bereits der Anspruch auf eine vergleichbare Leistung den Weg für eine Anrechnung frei macht. Auf deren tatsächlichen Bezug kommt es hingegen nicht an, wenngleich die Gesetzesmaterialien, wonach darauf abzustellen sein soll, ob im Ausland dem Elterngeld vergleichbare Leistungen bezogen werden[2], ein anderes Verständnis nahelegen.

 

Rz. 30

Unausgesprochene Folge dessen ist die Verpflichtung der für die Gewährung von Elterngeld zuständigen Behörde, zu prüfen, ob die Antragsteller einen Anspruch auf eine dem Elterngeld vergleichbare Leistung im Ausland oder gegenüber einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung haben. Der Anspruch auf Elterngeld gilt in dem Umfang als erfüllt, in dem die vergleichbare Leistung zusteht. Ist der Bezug der Leistung antragsabhängig, gilt § 3 Abs. 3.[3]

 

Rz. 31

Einen Überblick über die Familienleistungen innerhalb der EU und der EFTA bieten die im Internet abrufbaren MISSOC-Tabellen.[4]

 

Rz. 32

 
Hinweis

Bezug vergleichbarer Leistungen

Auch die Monate, in denen dem Elterngeld vergleichbare Leistungen i. S. d. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bezogen werden (können), gelten als Bezugsmonate der Person, die auf die vergleichbare Leistung einen Anspruch hat. Freiwillige Leistungen sind hiervon aber ausgenommen.[5]

[1] BT-Drucks. 17/9841 S. 28.
[2] Vgl. BT-Drucks 16/1889 S. 22.
[3] Vgl. Rz. 55 f.
[5] Vgl. KSW/von Koppenfels-Spies, § 3, Rz. 10.

2.3.1 Adressatenkreis

 

Rz. 33

Betroffen von der Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ist zunächst die Gruppe der Anspruchsberechtigten nach § 1 Abs. 2 BEEG und damit all jene, die in Deutschland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Darüber hinaus zählt zum Adressatenkreis, wer die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BEEG erfüllt, jedoch gegenüber einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung einen Anspruch auf vergleichbare Leistungen hat. Dies steht gleichwohl unter dem Vorbehalt der Vorrangigkeit europäischen Verordnungsrechts, weshalb der Norm nur geringe praktische Bedeutung beigemessen wird.[1]

 

Rz. 34

 
Hinweis

Kein Elterngeld für Bedienstete der EZB

Art. 15 des Abkommens vom 18.9.1998 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Zentralbank über den Sitz der Europäischen Zentralbank schreibt Deutschland als Sitzstaat eine Gewährung von Elterngeld an Bedienstete der EZB nicht vor.[2]

[1] Vgl. KSW/von Koppenfels-Spies, § 3, Rz. 9.
[2] EuGH, Urteil v. 19.7.2012, C-62/11 [Feyerbacher], juris, Rz. 45.

2.3.2 Vergleichbarkeit der Leistung

 

Rz. 35

Ob eine im Ausland oder von einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung gewährte Leistung vergleichbar ist, ist anhand objektiver Umstände für jede Leistungsart gesondert zu ermitteln. Ausschlaggebend ist insoweit die Zweckrichtung der vergleichbaren Leistungen. Diese müssen sich dadurch auszeichnen, dass sie die Betreuung und Erziehung des Kindes fördern und damit einhergehende Ausfälle von Erwerbseinkommen (zumindest teilweise) kompensieren.[1] Auch beitragsfinanzierte ausländische Leistungen können hierzu zählen.

[1] Vgl. Brose/Weth/Volk/Brose, § 3, Rz. 18.

2.3.3 Vorrang des Europarechts

 

Rz. 36

Das Fundament des koordinierenden Europarechts stellt auf primärrechtlicher Ebene Art. 48 AEUV dar. Dreh- und Angelpunkt des Sekundärrechts ist seit dem 1.5.2010 die VO (EG) 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 29.4.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit[1], geändert durch VO (EG) 987/2009 v. 16.9.2009[2], und die VO (EG) 988/2009 v. 16.9.2009[3] zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der VO (EG) 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und die VO (EU) 465/2012.[4]

 

Rz. 37

Die VO (EG) 883/2004 und VO (EG) 987/2009 gelten seit dem 1.4.2012 in der Schweiz und seit dem 1.6.2012 in Norwegen, Island und Liechtenstein.[5] Der sachliche Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 erfasst im Vergleich zur VO (EWG) 1408/71 nicht mehr nur Leistungen bei Mutterschaft, sondern ausdrücklich auch gleichgestellte Leistungen bei Vaterschaft (Art. 3 Abs. 1 lit. b VO (EG) 883/2004) und Familienleistungen (Art. 3 Abs. 1j VO (EG) 883/2004).[6]

 

Rz. 38

Die VO (EG) 883/2004 verfolgt das Ziel, Doppelleistungen an Anspruchsberechtigte zu vermeiden. So bestimmt Art. 10 VO (EG) 883/2004 – vorbehaltlich einer anderen Regelung – dass aufgrund der Verordnung ein Anspruch auf mehrere Leistungen gleicher Art aus derselben Pflichtversicherungszeit weder erworben noch aufrechterhalten wird. Die Bestimmung des im Einzelfall anwendbaren nationalen Rechts richtet sich nach den Art. 11 bis 16 V...

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