Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. Beteiligung an Fondsgesellschaften. Ermittlung des Verkehrswertes. Kurs- bzw Verkaufswert. risikobehaftete Kapitalanlageform. keine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Verwertung. keine besondere Härte

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Ermittlung des Verkehrswertes nach § 12 Abs 4 S 1 SGB II kann für Beteiligungen an Fondgesellschaften (geschlossene Fonds) weder auf die getätigten Einlagen noch den sog Buchwert abgestellt werden, wenn dieser Wert im maßgebenden Zeitpunkt nicht realisiert werden kann. Handelbare Gesellschaftsbeteiligungen sind mit dem tatsächlichen Kurs-/Verkaufswert als Vermögen im Sinne von § 12 Abs 1 SGB II zu berücksichtigen.

2. Zur Bestimmung des Merkmals der Unwirtschaftlichkeit im Sinne von § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 1 SGB II ist je nach Vermögensgegenstand zu differenzieren. Eine Vermögensverwertung ist dann nicht unwirtschaftlich, wenn der Wertverlust eines Vermögensgegenstandes nicht unmittelbar aus dem Umstand einer vorzeitigen Veräußerung, sondern aus der spezifisch risikobehafteten Form der Kapitalanlage resultiert.

3. Die Wahl einer hoch spekulativen Anlageform, die nicht im Ansatz die Gewähr dafür bietet, dass im Zeitpunkt des Renteneintrittes zumindest ein angemessener Grundbetrag für den Ruhestand zur Verfügung steht, lässt nicht darauf schließen, dass der Vermögensgegenstand für die Altersvorsorge bestimmt ist. Die Verwertung eines solchen Vermögensgegenstandes bedeutet für den Betroffenen deshalb keine besondere Härte im Sinne von § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB II.

 

Normenkette

SGB II § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 9 Abs. 1, § 12 Abs. 1, 3 S. 1 Nr. 6, Abs. 4 S. 1; SGB VI §§ 6, 231a, 321

 

Tenor

Die Berufungen des Klägers gegen die Urteile des Sozialgerichts Gotha vom 19. Februar 2015 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für die Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zeitraum 1. September 2010 bis 28. Februar 2012.

Der am … geborene Kläger und seine Ehefrau, die am … 1957 geborene I. K., wohnten im streitigen Zeitraum in einer ca. 84 m² großen Wohnung in der … in A., für die eine Gesamtmiete von 450 Euro (Kaltmiete 330 Euro, Vorauszahlungen für Betriebs- und Heizkosten 120 Euro) zu zahlen war.

Seit Dezember 2004 übt der Kläger - mit nur kurzzeitiger Unterbrechung im Monat August 2009 - eine selbständige Tätigkeit als Finanz- und Versicherungsmakler aus. Seit April 2005 ist er als freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert. Ab 20. Dezember 2004 zahlte er zunächst Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung auf Grundlage der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage. Seit Januar 2008 leistet er keine Beiträge mehr zur gesetzlichen Rentenversicherung. Die Ehefrau des Klägers nahm zum 6. Dezember 2007 eine selbständige Tätigkeit als Handelsvertreterin für Hemden und Maßbekleidung sowie Zubehör auf, aus der sie nach eigenen Angaben keine bzw. nur geringfügige Einnahmen erzielt.

Die Eheleute bezogen zunächst Arbeitslosenhilfe und ab 1. Januar 2005 Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem SGB II vom Beklagten.

Am 31. August 2010, 24. Februar 2011 und 1. September 2011 beantragte der Kläger die Fortzahlung der bis einschließlich August 2010 fortlaufend gewährten Grundsicherungsleistungen. Die Frage, ob er oder in der Bedarfsgemeinschaft lebende Personen von der Rentenversicherungspflicht befreit seien, verneinte der Kläger. Mit seinen Fortzahlungsanträgen reichte er jeweils Vermögensübersichten ein, wonach er (gemeinsam mit seiner Ehefrau) über folgende Vermögenswerte verfügte:

Stand 

30. August 2010

14. Februar 2011

31. August 2011

1.    

Anlagen in Aktien/Aktienfond

14.233,00 EUR

 15.643,00 EUR

 12.747,00 EUR

2.    

Guthaben auf Spar- und Girokonten

 1.868,00 EUR

 290,00 EUR

 177,00 EUR

3.    

Mietkautionskonto zugunsten Vermieter

 660,00 EUR

 660,00 EUR

 660,00 EUR

4.    

Fondgebunde Rentenversicherung

 4.849,00 EUR

 4.849,00 EUR

 5.400,00 EUR

(……………...)

5.    

Beteiligungen an Fondgesellschaften

 26.400,00 EUR

 23.750,00 EUR

 23.000,00 EUR

(…………….)

6.    

Riesterrente U. I. (Kläger)

 1.866,00 EUR

 2.094,00 EUR

 2.097,00 EUR

7.    

Riesterrente U. I. (Ehefrau)

 617,00 EUR

 839,00 EUR

 839,00 EUR

Gesamtvermögen

 50.493,00 EUR

 48.125,00 EUR

 44.920,00 EUR

Das Aktien/Fondvermögen wird in Depots bei verschiedenen Banken (u. a. Bankhaus H., … …, …, …, … B., …, …) geführt und setzt sich aus einer Vielzahl verschiedener Aktien/Fonds zusammen. Der Bestand der Depots wechselt stetig, indem der Kläger selbst einzelne Aktien/Fonds veräußert und andere kauft.

In die fondgebundene Rentenversicherung bei der … Versicherungsgruppe zahlte der Kläger bis 1. Oktober 2009 insgesamt 5.400 Euro ein. Danach endete die Beitragszahlung vertragsgemäß. Im Zusammenhang mit dem Erstantrag auf Grundsicherung...

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