Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. mittelbare Folgen eines Arbeitsunfalls gem § 11 Abs 1 SGB 7. Gesundheitsschäden aufgrund einer durchgangsärztlichen Behandlung. berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung. objektive Sicht. subjektive Sicht des Versicherten. Verhalten des D-Arztes. Behebung eines unfallbedingten Gesundheitsschadens. Kausalitätsprüfung: Theorie der wesentlichen Bedingung. funktionelle Bewegungseinschränkung der Schulter und Narbenbildung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Gesundheitsschäden aufgrund einer ärztlichen Behandlung sind auch dann mittelbare Unfallfolgen, wenn die Heilbehandlung zwar objektiv der Behebung eines nicht durch das Unfallereignis bedingten Leidens dient, der Verletzte aufgrund des Verhaltens eines Durchgangsarztes jedoch den Eindruck haben durfte, die Behandlung solle zur Behebung der durch einen Arbeitsunfall verursachten Gesundheitsschäden durchgeführt werden (Anschluss an BSG vom 6.9.2018 - B 2 U 16/17 R = SozR 4-2700 § 11 Nr 2).

2. Auch die Prüfung des Ursachenzusammenhangs zwischen einer Gesundheitsstörung und einer der nach § 11 Abs 1 SGB 7 tatbestandlichen Maßnahme erfolgt nach der Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 31/11 R = UV-Recht Aktuell 2012, 993).

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 4. September 2017 und der Bescheid der Beklagten vom 12. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. November 2015 werden abgeändert.

Als weitere Folge des Arbeitsunfalles vom 22. August 2014 wird eine Wundheilungsstörung mit Fistelbildung sowie eine daraus resultierende ausgedehnte Narbenbildung und eingeschränkte Beweglichkeit der linken Schulter festgestellt.

Die Beklagte wird zur Übernahme von Heilbehandlungskosten über den 21. September 2014 hinaus nach pflichtgemäßen Ermessen verurteilt.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zur Hälfte zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob als weitere Folge eines von der Beklagten als Arbeitsunfall anerkannten Ereignisses vom 22. August 2014 eine Rotatorenmanschettenruptur und Bewegungseinschränkungen der Schulter links anzuerkennen sind.

An diesem Tag stürzte der Kläger bei Arbeiten in seinem Wald am Steilhang mit dem linken Arm auf eine Holzrolle. Der am 5. September 2014 erstmals aufgesuchte Durchgangsarzt diagnostizierte eine Kontusion der Schulter links und den Verdacht auf eine Rotatorenmanschettenläsion. Am 16. September 2014 wurde der Durchgangsarzt in der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie in S. aufgesucht. Dieser diagnostizierte ausweislich des MRT-Befundes einen Supraspinatussehnen- und Subscapularriss mit Retraktion links. Deshalb befand sich der Kläger in der Zeit vom 22. bis 29. September 2014 dort in stationärer Behandlung. Durchgeführt wurde eine Schulterarthroskopie mit offener Refixation der Subscapularissehne und der Rekonstruktion der Supraspinatussehne mit LASA-Schraube. Ausweislich des Operationsberichtes vom 24. September 2014 war die Rotatorenmanschettenruptur nicht traumatisch. Ein Impingementsyndrom der Schulter wurde beschrieben. Nach dem Histologiebefund vom 25. September 2014 fand sich ein frischer Sehnenriss ohne degenerative Veränderungen und ein weitgehend regelrechtes Sehnengewebe. Vom 23. Oktober bis 5. November 2014 befand sich der Kläger erneut in stationärer Behandlung der Thüringen Kliniken in S. aufgrund von Wundheilungsstörungen und einer Fistelbildung. In dieser Zeit erfolgten drei operative Eingriffe.

Mit Bescheid vom 12. November 2014 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 22. August 2014 als Arbeitsunfall mit der Folge einer Prellung der linken Schulter an. Unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit wurde für die Zeit vom 3. bis 21. September 2014 angenommen. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit wurde verneint. Bei dem Ereignis vom 22. August 2014 sei es zu einer Prellung der linken Schulter gekommen. Der anschließend festgestellte Rotatorenmanschettenschaden sei jedoch unfallfremd auf einen vorbestehenden Aufbrauchschaden am linken Schultergelenk zurückzuführen. Hiergegen legte der Kläger am 20. November 2014 Widerspruch ein. Im Widerspruchsverfahren verneinte der Beratungsarzt der Beklagten D. in einer Stellungnahme vom 9. Januar 2015 eine Kausalität zwischen dem Unfallereignis und dem festgestellten Rotatorenmanschettenschaden. Eine Zusammenhangsbegutachtung sei aufgrund des eindeutigen operativen Befundes nicht erforderlich. Aus dem OP-Bericht ergebe sich eine ausgeprägte Schultereckgelenksarthrose mit Impingementsymptomatik und degenerativer Supraspinatussehnenruptur bei Retraktion und Atrophie der Muskulatur. Ein solcher Befund sei nicht mit einem erst wenige Wochen zurückliegenden Unfallereignis vereinbar. Im Auftrag der Beklagten erstellte Prof. Dr. H. und der Facharzt für Orthopädie Dr. V. am 22. Juni 2015 ein Zusammenhangsgutachten. Darin bejahten diese das Vorliegen einer fri...

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