Entscheidungsstichwort (Thema)

Feststellung des Leistungsfalls der Erwerbsminderung mit Vollbeweis

 

Orientierungssatz

Der Leistungsfall der Erwerbsminderung ist mit Vollbeweis festzustellen (vgl BSG vom 24.11.2010 - B 11 AL 35/09 R und vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R = BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7 sowie LSG Erfurt vom 26.8.2014 - L 6 R 36/12).

 

Normenkette

SGB VI § 43 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1; SGB X § 44 Abs. 1, 4

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 29.12.2015; Aktenzeichen B 13 R 392/15 B)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 9. Dezember 2014 abgeändert und die Klage auch insoweit abgewiesen, als das Sozialgericht die Beklagte verurteilt hat, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung von Juni 2006 bis Mai 2015 zu gewähren.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der 1974 geborene Kläger in der Zeit von Juni 2006 bis Mai 2015 Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) hat. Er ist seit Dezember 2002 arbeitsunfähig erkrankt bzw. arbeitslos.

Seinen Antrag vom April 2004 auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit lehnte die Beklagte nach Beiziehung diverser medizinischer Unterlagen und eines orthopädischen Gutachtens des Dr. St. vom 24. Juni 2004 (leichte bis mittelschwere Arbeiten 6 Stunden und mehr möglich) mit Bescheid vom 29. Juni 2004 ab und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21. September 2004 zurück. Auf die Klageerhebung (S 4 RJ 1844/04) am 14. Oktober 2004 holte das Sozialgericht u.a. ein orthopädisches Gutachten des Dipl.-Med. A. vom 2. Dezember 2005 ein, wonach der Kläger unter Funktions- und Belastungseinschränkung der LWS bei muskulären Dysbalancen und chronischer Reizung der rechten ISG mit pseudoradikulärer Schmerzausstrahlung in das rechte Bein ohne neurologische Ausfälle und einer Belastungseinschränkung des rechten Kniegelenks nach zweimaliger Kniegelenksarthrose litt und leichte sowie zeitweise mittelschwere Arbeiten ca. 8 Stunden täglich ausüben konnte. Mit Urteil vom 27. Juli 2006 wies das Sozialgericht die Klage ab. Im Berufungsverfahren erstattete Dr. O. nach Untersuchung am 6. Februar 2008 das neurologisch-psychiatrische Gutachten vom 8. Februar 2008 und berichtete über massive Aggravierungen des Klägers. Es bestehe ein chronisches lumbales Schmerzsyndrom ohne neurologische Beteiligung aber mangels andauernder, schwerer und quälender Schmerzen keine anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Der Kläger könne noch vollschichtig leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung, ohne Zwangshaltungen für die Lendenwirbelsäule in geschlossenen und warmen Räumen ohne Gefährdung durch Kälte, Nässe, Zugluft ausüben. Die Berufung des Klägers wies der 2. Senat des Thüringer Landessozialgerichts mit Beschluss vom 7. November 2008 (L 2 R 989/06) zurück und schloss sich der Einschätzung der Sachverständigen an.

Im April 2011 beantragte der Kläger, ihm rückwirkend Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren, weil das Gutachten des Dipl.-Med. A. nach dem Privatgutachten des Dr. V. vom 2. Juli 2010 in wesentlichen Punkten gravierend fehlerhaft sei. Die Beklagte zog einen Entlassungsbericht der Orthopädischen Klinik des M. A. vom 5. Juli 2011 bei und lehnte unter dem 19. Juli 2011 den Antrag auf Überprüfung nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) ab, weil weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung vorliege. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 2011 wies sie den Widerspruch zurück.

Auf die Klageerhebung hat das Sozialgericht diverse medizinische Unterlagen sowie ein berufskundliches Gutachten der H. J. vom 25. Dezember 2000 (L 6 RJ 695/98) zur Tätigkeit eines Mitarbeiters in der Poststelle beigezogen und zwei Gutachten eingeholt.

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Dr. H. hat in seinem orthopädischen Zusatzgutachten vom 13. Mai 2013 folgende Diagnosen gestellt: chronische pseudoradikuläre Lumboischialgie rechts bei Osteochondose L5/S1 und ISG-Arthrose rechts mit schmerzhafter Belastungs- und Bewegungseinschränkung und Muskelspannungsstörungen ohne neurologisches Defizit, Varusgonarthrose rechts 2. Grades, klinisch Chondropathia patellae rechts ohne relevantes Funktionsdefizit, Coxarthrose rechts 2. Grades ohne relevantes Funktionsdefizit und somatoforme Schmerzstörung (Stadium 3 nach Gerbershagen). Auf orthopädischem Gebiet könne der Kläger noch leichte Tätigkeiten überwiegend im Stehen und Sitzen ausüben.

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Auf nervenärztlichem Gebiet hat Dr. K. im Gutachten vom 21. Mai 2013 eine chronische Lumboischialgie S1 rechts ohne Nachweis einer höherwertigen Nervenwurzelschädigung (ICD-10 M51.1), eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10 F45.41) und eine Anpassungsstörung (ICD-10 F43.2) diagnostiziert; auf orthopädischem Gebiet bestehe eine chronische pseudoradikuläre Lumboischialgie ohne neurologisches Defizit, Varusgonarthrose rechts und Coxarthrose rechts. Die körperlich fundier...

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