Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Kostenerstattungsanspruch nur bei Verursachung durch Systemversagen. Notwendigkeit einer rechtswirksamen Vergütungsforderung. Ballonsinuplastik keine anerkannte Untersuchungs- und Behandlungsmethode

 

Orientierungssatz

1. Mit der Durchbrechung des Sachleistungsgrundsatzes trägt § 13 Abs 3 SGB 5 dem Umstand Rechnung, dass die gesetzlichen Krankenkassen eine umfassende medizinische Versorgung ihrer Mitglieder sicherstellen müssen und infolgedessen für ein Versagen des Beschaffungssystems - sei es im medizinischen Notfall oder infolge eines anderen unvorhergesehenen Mangels - einzustehen haben. Wortlaut und Zweck der Vorschrift lassen die Abweichung vom Sachleistungsprinzip nur in dem Umfang zu, in dem sie durch das Systemversagen verursacht ist (vgl BSG vom 16.9.1997 - 1 RK 28/95 = BSGE 81, 54 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 10).

2. Ein Kostenerstattungsanspruch scheidet aus, wenn dem Versicherten keine erstattungsfähigen Kosten entstanden sind, weil er keiner rechtswirksamen Vergütungsforderung ausgesetzt war. Voraussetzung ist eine privatärztliche Honorarvereinbarung für einen ärztlichen Vergütungsanspruch.

3. Eine Ballonsinuplastik - eine Erweiterung der Zugänge zu den Nasennebenhöhlen mittels eines Ballonkatheters - ist als nicht anerkannte Untersuchungs- und Behandlungsmethode nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 24. Februar 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Kostenübernahme für eine ambulant durchgeführte Septumplastik, Nasenmuschelreduktion und Ballonsinuplastik in Höhe von insgesamt 3.611,07 € streitig.

Der 1956 geborene Kläger beantragte am 9. Juli 2008 unter Vorlage einer "Rechnung des Prof. Dr. M. M." vom 13. Juni 2008 über 2.887,41 € die teilweise Übernahme der Kosten für eine Septumplastik, Nasenmuschelreduktion (viermal) und eine Ballonsinuplastik - eine Erweiterung der Zugänge zu den Nasennebenhöhlen mittels eines Ballonkatheters - der Kiefer- und Stirnhöhle beidseits. Er leide seit drei Jahren an chronischer Nasennebenhöhlenentzündung (Sinusitis), alle herkömmlichen Therapien hätten nichts gebracht. Mit Bescheid vom 21. Juli 2008 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme mit der Begründung ab, wenn er sich privatärztlich in Behandlung begebe und keine Kassenleistung erfolge, könnten die Kosten nicht übernommen werden. Der Kläger ließ am 12. August 2008 in der Klinik für HNO der P.-U. M. die Behandlungsmaßnahmen durchführen. Mit Widerspruchsbescheid vom 29. September 2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung u.a. aus, ein Anspruch auf Erstattung der entstandenen Kosten nach § 13 Abs. 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) bestehe nicht, weil er sich die Leistungen vor Ablehnung durch Bescheid vom 21. Juli 2008 selbst beschafft habe.

Im Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen, bei der "Rechnung" vom 30. Juni 2008 habe es sich lediglich um einen Kostenvoranschlag gehandelt. Aufgrund der Operation seien seine Beschwerden fast vollständig abgeklungen und er könne wieder frei atmen, ohne die Nasennebenhöhlen ständig mit einer Spülung behandeln zu müssen. Der Tinnitus aurium habe sich seit der Operation gebessert. Die Nasenmuschelreduktion sei eine anerkannte Behandlungsmethode, für die ihm Kosten in Rechnung gestellt worden seien, die die Beklagte jedenfalls zu tragen habe. Eine Nasennebenhöhlenoperation - eine anerkannte Behandlungsmethode - habe die Beklagte ebenfalls abgelehnt. Insoweit habe sie auch die Differenz zwischen dieser Behandlungsmethode und der durchgeführten Ballonsinuplastik zu erbringen.

Das Sozialgericht (SG) hat Auskünfte des Prof. Dr. E. (H. Klinikum E. GmbH, Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde) vom 8. Juni 2009, des Dr. M. (S.W.-Klinikum G. GmbH, Klinik für HNO-Heilkunde/Plastische Operationen) vom 8. Juni 2009 und des Prof. Dr. G.-L. (Poliklinik für HNO-Krankheiten, Institut für Phoniatrie und Pädaudiologie der F. J.) vom 10. Juni 2009 zu den Fragen eingeholt, ob bei den vorliegenden Erkrankungen des Klägers eine ausreichende Behandlung in der jeweiligen Klinik erfolgt wäre, es sich um einen Notfall handelte, der eine sofortige medizinische Behandlung notwendig machte und ob diese ebenfalls in der jeweiligen Klinik erfolgt wäre. Die Möglichkeit der Behandlung wurde von ihnen unter Hinweis darauf bejaht, dass eine Ballonsinuplastik nur privatärztlich erbracht werden könne. Eine Notfallbehandlung sei nicht ersichtlich. Der Gemeinsame Bundesausschusses (GBA) hat am 12. August 2009 mitgeteilt, die angefragte Ballonsinuplastik sei bisher weder im GBA noch dem vormals zuständigen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen überprüft worden; ein Antrag auf Überprüfung der Methode liege nicht vor. Nach Einschätzung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KVB) im Schreiben vom 24. Augus...

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