Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtliche Festsetzung der Vergütung nach dem JVEG. reformatio in peius. Erstattung des Bruttoverdienstausfalls und Sozialversicherungsbeiträge der Begleitperson. Entschädigung des Sozialhilfeempfängers für Zeitversäumnis

 

Leitsatz (redaktionell)

Einem Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen angeordnet worden ist, werden auf Antrag bare Auslagen und Zeitverlust wie einem Zeugen vergütet. Dies gilt auch für die Ladung zur Untersuchung durch einen Sachverständigen.

Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG) kann mit einem Computerprogramm aus dem Internet ermittelt werden.

Das Verbot der „reformatio in peius” gilt bei der erstmaligen richterlichen Festsetzung nicht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Antrag nach § 4 Abs 1 JVEG ist kein Rechtsbehelf. Insofern gilt das Verbot der "reformatio in peius" nicht (vgl LSG Erfurt vom 16.9.2002 - L 6 B 51/01 SF = E-LSG B 242 und vom 23.3.2000 - L 6 SF 726/99 = E-LSG B 180).

2. Für die notwendige Begleitperson ist deren Bruttoverdienstausfall einschließlich der vom Arbeitgeber zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge zu erstatten (§ 22 JVEG). Bei unterschiedlichen Monatsverdiensten ist vom Mittelwert auszugehen.

3. Bei arbeitslosen Sozialhilfeempfängern kann davon ausgegangen werden, dass ihnen durch die Heranziehung kein Nachteil entsteht und kein Anspruch auf eine Entschädigung für Zeitversäumnis nach § 20 JVEG besteht.

 

Normenkette

JVEG § 4 Abs. 1, § 19 Abs. 1 S. 1; SGG § 191

 

Verfahrensgang

SG Nordhausen (Entscheidung vom 21.09.2004; Aktenzeichen S 3 RJ 1592/02)

 

Tenor

Die Entschädigung des Antragsgegners anlässlich der Begutachtung vom 21. September 2004 wird auf 135,98 € festgesetzt.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

 

Tatbestand

I.

In dem Berufungsverfahren des Antragsgegners gegen die Landesversicherungsanstalt Thüringen (Az.: L 6 RJ 132/04) beauftragte der Berichterstatter des 6. Senats des Thüringer Landessozialgerichts mit Beweisanordnung vom 21. Juli 2004 den Leitenden Oberarzt der Klinik B.…, H.…, Dr. W.… mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens aufgrund ambulanter ggf. stationärer Untersuchung. Dieser untersuchte den Antragsgegner am 21. September 2004 von 13:00 bis 17:45 Uhr. Nach seiner Bescheinigung vom gleichen Tage war eine Begleitperson aus gesundheitlichen Gründen oder wegen körperlicher Gebrechen erforderlich.

In seinem am 30. September 2004 eingegangenen Antrag auf Erstattung von Fahrtkosten machte der Antragsgegner die Erstattung von 86,75 € Fahrtkosten (347 km × 0,25 €), Verdienstausfall und Zehrkosten (12,00 €) für die Begleitperson R. S. (Verdienstbescheinigung vom 27. September 2004), Zehrkosten (12,00 €) und Parkgebühren (4,00 €) für die um 9:00 Uhr angetretene und um 21:35 Uhr beendete Reise geltend. In seiner Rechnungsanweisung vom 14. Oktober 2004 verfügte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Zahlung von 161,51 € (Fahrtkosten 264 km × 0,25 € ≪66.00 €≫, Aufwand für 12 Stunden Abwesenheit vom Aufenthaltsort ≪6,00 €≫, Auslagen für Begleitperson und Parken ≪89.51 €≫).

Unter dem 29. Dezember 2004 hat der Antragsteller beantragt, die Entschädigung auf 144,62 € festzusetzen und ausgeführt, der Ansatz von 89,51 € für Verdienstausfall der Begleitperson und Parkgebühren sei nicht nachvollziehbar.

Der Antragsteller beantragt,

die Entschädigung anlässlich der Untersuchung am 21. September 2004 auf 144,62 € festzusetzen.

Der Antragsgegner hat keinen Antrag gestellt. Am 24. Januar 2005 hat er der Geschäftsstelle telefonisch mitgeteilt, er werde “die Fahrtkosten” zurückzahlen. Dies ist bisher nicht erfolgt.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat unter dem 3. Januar 2005 verfügt, die streitige Position betrage 84,54 €. Eine Überzahlung von 4,97 € werde “anerkannt”.

In seinem Antrag auf Erstattung von Fahrtkosten vom 7. April 2005 hat der Antragsgegner gebeten, bei dieser den “zuviel bezahlten Betrag von 16,89 €” abzuziehen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Auf den Antrag des Antragstellers wird die Entschädigung für die Wahrnehmung des Untersuchungstermins vom 21. September 2004 auf 135,98 € festgesetzt. Nachdem dem Antragsgegner bereits 161,51 € angewiesen wurden, hat er 25,53 € zurückzahlen.

Unerheblich ist, dass der festgesetzte Betrag unter dem Antrag des Antragstellers liegt; an ihn ist der Senat nicht gebunden. Das Verbot der “reformatio in peius” gilt bei der erstmaligen richterlichen Festsetzung nicht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 16. September 2002 – Az.: L 6 B 51/01 SF und vom 23. März 2000 – Az.: L 6 SF 726/99).

Nach § 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzer sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz – JVEG) erfolgt die Festsetzung der Entschädigung durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse – wie vorliegend – die gerichtliche Festsetzung beantragt (Satz 1). Zuständig ist das Gericht, von dem der Berechtigte herangezogen worde...

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