Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Übertragung der Aufgabe des Forderungseinzugs auf die BA durch den Grundsicherungsträger

 

Leitsatz (amtlich)

Die Aufgabenübertragung (hier: Forderungseinzug) durch ein Jobcenter an die Bundesagentur für Arbeit nach § 44b Abs 4 SGB 2 kann auch durch konkludente Entscheidung erfolgen.

 

Tenor

Auf die Erinnerung wird die Feststellung der Gebührenschuld (Pauschgebühren) im “Auszug aus dem Verzeichnis der Rechtsstreite (§ 189 SGG)„ vom 25. Februar 2015 durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle aufgehoben.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

 

Gründe

I.

Gegenstand des Erinnerungsverfahrens sind die Gerichtsgebühren (Pauschgebühren) für ein Beschwerdeverfahren vor dem Thüringer Landessozialgericht (L 9 AS 1489/13 NZB). Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Erinnerungsführerin und Beklagte hatte auf den Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 8. Januar 2013 ihre Anforderung einer Mahngebühr vom 1. Oktober 2012 in Höhe von 0,80 Euro aufgehoben und sich bereit erklärt, die notwendigen Aufwendungen zu erstatten; die Zuziehung eines Rechtsanwalts wurde als notwendig anerkannt. Gegen die Festsetzung von Gebühren und Auslagen in Höhe von 57,12 Euro legte die Klägerin erfolglos Widerspruch ein. Auf die Klage setzte das Sozialgericht Nordhausen (SG) mit Gerichtsbescheid vom 8. August 2013 (S 31 AS 1278/13) die im Widerspruchsverfahren zu erstattenden Kosten auf 114,24 Euro fest. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung wies der 9. Senat des Thüringer Landessozialgerichts mit Beschluss vom 27. Januar 2014 (L 9 AS 1489/13 NZB) zurück.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) übersandte der Erinnerungsführerin unter dem 25. Februar 2015 einen “Auszug aus dem Verzeichnis der Rechtsstreite (§ 189 SGG)„, in dem für das Beschwerdeverfahren Pauschgebühren in Höhe von 112,50 Euro aufgeführt sind und bat sie, diesen Betrag binnen eines Monats zu überweisen. Gegen die Festsetzung könne binnen eines Monats nach Empfang das Thüringer Landessozialgericht angerufen werden, das endgültig entscheide.

Gegen die Anforderungen hat die Erinnerungsführerin am 2. März 2015 Erinnerung eingelegt. Sie trägt vor, es habe sich um Mahngebühren auf Forderungen eines Jobcenters nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) gehandelt. Mit § 44b Abs. 4 SGB II sei eine gesetzliche Grundlage dafür geschaffen worden, die Aufgabe des Forderungseinzugs auf die Träger der gemeinsamen Einrichtungen zu übertragen. Sie sei damit in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitssuchende tätig gewesen. Pauschgebühren aufgrund § 64 Abs. 3 S. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) könnten nicht entstehen, wie diverse Sozialgericht, u.a. das SG Potsdam (Beschluss vom 15. Dezember 2014 - S 1 SF 150/14 E), SG Magdeburg (Beschluss vom 23. September 2014 - S 4 SF 2/14), SG Berlin (Beschluss vom 3. Juni 2013 - S 180 SF 404/12), SG Braunschweig (Beschluss vom 30. Mai 2013 - S 48 SF 163/13 E) und das SG Gotha (Beschluss vom 10. April 2013 - S 1 SF 13/13) entschieden hätten. Der Erinnerungsgegner ist dem entgegen getreten und hat auf den Senatsbeschluss vom 19. Februar 2015 - L 6 SF 70/14 E verwiesen. Er könne den eingereichten Unterlagen eine wirksame Übertragung der Aufgabe “Forderungseinzug„ nicht entnehmen.

Die UdG hat der Erinnerung nicht abgeholfen (Verfügung vom 27. April 2015). Der Senatsvorsitzende hat u.a. die Niederschrift der Trägerversammlung am 30. Januar 2012, die Beschlussvorlage 2/2012 und die Verwaltungsvereinbarung zwischen der Bundesagentur für Arbeit (BA) und dem Jobcenter … vom 31. Januar 2012 beigezogen und das Verfahren mit Beschluss vom 9. Juni 2015 dem Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung übertragen.

II.

Die Erinnerung ist zulässig. Sie ist innerhalb der Monatsfrist des § 189 Abs. 2 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegt worden. Zur Vollständigkeit weist der Senat darauf hin, dass der “Auszug aus dem Verzeichnis der Rechtsstreite (§ 189 SGG)„ angesichts der Fristsetzung nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGG zuzustellen ist.

Die Erinnerung ist begründet. Die Erinnerungsführerin ist nicht verpflichtet, Pauschgebühren für das Beschwerdeverfahren L 9 AS 1278/13 zu zahlen.

Nach § 184 Abs. 1 S. 1 SGG haben Kläger und Beklagte, die nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören, für jede Streitsache eine Gebühr zu entrichten. Sie wird fällig, sobald die Streitsache durch Vergleich, Anerkenntnis, Beschluss oder durch Urteil erledigt ist (§ 185 SGG). Die Höhe der Gebühr beträgt vor den Landessozialgerichten 225 Euro (§ 184 Abs. 2 SGG) und ermäßigt sich auf die Hälfte, wenn die Sache - wie hier - nicht durch Urteil erledigt wird.

Die Erinnerungsführerin gehört nicht zu den nach § 183 SGG kostenprivilegierten Personen. Ihre Kostenbefreiung ergibt sich allerdings aus § 64 Abs. 3 S. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach sind in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit u.a. die Träger der Grundsicherung für Arbei...

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