Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Verschuldenskosten. Zeitpunkt einer Kostenauferlegung. Anhörung

 

Leitsatz (amtlich)

Kosten nach § 192 Abs 1 SGG können nach dem Wortlaut der Vorschrift erst bei oder nach Abschluss des Verfahrens durch Urteil oder auf sonstige Weise auferlegt werden (vgl LSG Celle-Bremen vom 14.6.2007 - L 7 B 42/07 AS).

 

Orientierungssatz

Der Beteiligte ist vor einer Auferlegung von Kosten anzuhören.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 20. November 2013 bezüglich der Auferlegung von Kosten nach näherer Maßgabe des § 192 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) aufgehoben.

Die Staatskasse trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers.

 

Gründe

I.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20. November 2013 hat das Sozialgericht (SG) dem Kläger, nachdem für ihn nach Aufruf der Sache niemand erschienen ist, mit Beschluss “Zwangskosten nach näherer Maßgabe des § 192 Abs. 1 Nr. 1SGG in Höhe von 150,00 Euro auferlegt„ und den Rechtsstreit vertagt.

Im Beschwerdeverfahren macht der Kläger geltend, sein Prozessbevollmächtigter habe dem Gericht mitgeteilt und nachgewiesen, dass er aufgrund einer Verhandlung am Landgericht Stralsund verhindert sei, den Termin wahrzunehmen. Deshalb sei ein Verlegungsantrag gestellt worden, dem der Vorsitzende nicht nachgekommen sei.

II.

Die Beschwerde ist nach §§ 172 Abs. 1 und 173 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig und begründet.

Nach § 172 Abs. 1 SGG findet gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist. Gegen eine Kostenauferlegung nach § 192 SGG durch Beschluss des SG ist die Beschwerde grundsätzlich zulässig (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 193 Rn. 21).

Die Beschwerde ist begründet.

Nach § 192 Abs. 1 SGG kann das Gericht im Urteil oder, wenn das Verfahren anders beendet wird, durch Beschluss einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass (1) durch Verschulden des Beteiligten die Vertagung einer mündlichen Verhandlung oder die Anberaumung eines neuen Termins zur mündlichen Verhandlung nötig geworden ist oder (2) der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden in einem Termin die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist. Dem Beteiligten steht gleich sein Vertreter oder Bevollmächtigter.

Kosten nach § 192 Abs. 1 SGG können nach dem Wortlaut der Vorschrift erst bei oder nach Abschluss des Verfahrens durch Urteil oder auf andere Weise, auferlegt werden (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 14. Juni 2007 - L 7 B 42/07 AS, nach juris; Leitherer, a.a.O., § 193 Rn. 7a, m.w.N.). Der Rechtsstreit wurde aber am 20. November 2013 nicht abgeschlossen und er ist weiterhin beim SG anhängig. Darüber hinaus war die Auferlegung von Kosten auch deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger zur Auferlegung der Kosten nicht angehört wurde.

Der Senat kann an dieser Stelle dahingestellt lassen, ob ein Vertagungsantrag unter Hinweis auf eine zeitlich spätere Ladung durch ein anderes Gericht das Nichterscheinen des Prozessbevollmächtigten tatsächlich entschuldigt.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Sie sind von der Staatskasse zu tragen, weil das SG dem Kläger unter Verstoß gegen § 192 Abs. 1 SGG Kosten auferlegt hat.

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).

 

Fundstellen

KomVerw/T 2015, 27

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