Rz. 9

Bereits in den Allgemeinen Vorschriften des Ersten Abschnitts (Achtes Kapitel) findet sich die Maßgabe der "leistungsgerechten" Vergütung. Diese zwingende Forderung an die Pflegesätze wird im Abs. 2 Satz 1 nunmehr wiederholt.

Darin liegt für die Pflegeversicherung eine klare Absage an jegliche Form einer Kostenerstattung, wie sie vor Inkrafttreten des SGB XI im Bundessozialhilfegesetz für die Pflegeheime (§ 93 Abs. 2 BSHG) vorgesehen war und bis zum Erlass des GSG v. 21.12.1992 (in Kraft seit 1.1.1993) in Form des Selbstkostendeckungsprinzips auch für die Krankenhäuser galt.

 

Rz. 10

Die mit dem PflegeVG geschaffene Vergütungsform in Gestalt der Pflegesätze soll sich allein an der Leistung orientieren. Im Pflegesatzverfahren (§ 85) sind deshalb geeignete Leistungsnachweise und Pflegedokumentationen vorzulegen; der reine Personal- und Sachkostennachweis reicht dabei nicht aus. Er wird nur eine – untergeordnete – Rolle spielen, wenn es um die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit im Einzelfall geht.

Der leistungsgerechte Pflegesatz nach Abs. 2 hat nicht mehr die Funktion, Kosten in weitgehender Abstraktion von erbrachten Leistungen zu ersetzen, sondern konkrete vollstationäre oder teilstationäre Pflegeleistungen zu vergüten.

Aufwendungen, die nicht der Finanzierungszuständigkeit der sozialen Pflegeversicherung unterliegen, dürfen nach Abs. 1 Satz 2 in den Pflegesätzen nicht berücksichtigt werden.

 

Rz. 11

Satz 2 des Abs. 2 führt die Definition des leistungsgerechten Pflegesatzes noch weiter, in dem er bestimmt, dass die Pflegesätze gemäß dem Versorgungsaufwand, nach Art und Schwere der Pflegebedürftigkeit des einzelnen Pflegebedürftigen, in 3 Pflegeklassen einzuteilen sind. Bei der Zuordnung der Pflegebedürftigen zu den Pflegeklassen sind zunächst die Pflegestufen gemäß § 15 zugrunde zu legen.

Pflegeheime, die also Pflegebedürftige unterschiedlicher Pflegestufen versorgen, haben eine Abstufung der Pflegesätze nach Vergütungsklassen (Pflegeklassen) vorzunehmen.

Mit dieser festen Zuordnung wird die ansonsten übliche Systematik im stationären Bereich abgelöst; die individuelle Beurteilung des für die Pflegefachkraft bestehenden Pflegeaufwandes ist somit nicht mehr Beurteilungskriterium.

 

Rz. 12

Bei der vergütungsrechtlichen Zuordnung der Pflegebedürftigen zu den Pflegeklassen kann als generelle Richtschnur von ihrer leistungsrechtlichen Einteilung in die Pflegestufen nach § 15 ausgegangen werden. Denn der für die einzelnen Pflegestufen maßgebliche Hilfebedarf ist im Ansatz für den ambulanten und stationären Bereich gleich. Bei der stationären Pflege kommt nur das Erfordernis einer umfassenden Versorgung in einem Pflegeheim hinzu, dies sind in erster Linie Unterkunft und Verpflegung.

Um jedoch Besonderheiten berücksichtigen zu können, die sich bei Abweichungen zwischen dem Hilfebedarf (Einstufungskriterium) und dem Pflegeaufwand (Maßstab für Personalkosten im Heim) ergeben, kann der Pflegebedürftige auch einer anderen Pflegeklasse zugeordnet werden. Dies setzt allerdings eine gemeinsame Beurteilung durch den Medizinischen Dienst und die Pflegeleitung des Heims voraus. In einem solchen Einzelfall müsste gemeinsam ein anderer Beurteilungsmaßstab vorgeschlagen werden, um sicherzustellen, dass dem individuellen Pflegebedarf des einzelnen voll Rechnung getragen wird.

Außerhalb der betreffenden gemeinsamen Beurteilung durch den Medizinischen Dienst und die Pflegeleitung ist nach zutreffender Rechtsprechung des LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil v. 8.3.2004, L 3 P 29/03) in Ermangelung von Richtlinien zur Ermittlung der Pflegeklasse die Zuordnung des Pflegebedürftigen zu einer anderen Pflegeklasse nicht möglich. Die Sichtweise des LSG NRW ist vom BSG (Urteil v. 1.9.2005, B 3 P 4/04 R, BSGE 95 S. 102) indes nicht bestätigt worden. Nach Auffassung des BSG ist dem Pflegeheimbetreiber effektiver Rechtsschutz i.S.v. Art. 19 Abs. 4 GG dahin zu leisten, dass der Pflegebedarf des Versicherten zutreffend ermittelt und der Versicherte der entsprechenden Pflegeklasse zugeordnet wird. Einhergehend hiermit soll der Betreiber des Pflegeheims die Vergütung nach der materiell richtigen Pflegeklasse einklagen können.

Die Rechtsprechung des BSG erscheint nicht überzeugend. Der Gesetzgeber hat positivrechtlich Interessensausgleiche vorgenommen, an die die rechtsprechende Gewalt nach Art. 20 Abs. 3 GG gebunden ist. Der Gesetzgeber hat nicht nur mittels der Vorschrift des § 84 Abs. 2 Satz 3 dem Heimträger einen Weg aufgezeigt, die von ihm als für den betreffenden Pflegebedürftigen zutreffend erachtete Pflegeklasse zu erreichen, er hat obendrein mit § 87a Abs. 2 dem Heimträger das Recht verliehen, Druck auf den Pflegebedürftigen auszuüben, eine von ihm – dem Heimträger – als zutreffend erachtete höhere Pflegestufe zu beantragen.

 

Rz. 12a

Denkbar ist auch eine Umstufung von einer höheren in eine niedrigere Pflegeklasse (und umgekehrt) für eine kurze Zeitdauer aus wichtigem Grund. Entscheidungen hierzu müssen stets auf dem aktuellen Grad ...

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