Rz. 28

Hier ist zwischen Versicherten

  1. ohne anerkannten Ausbildungsberuf (An- oder Ungelernte) und
  2. mit anerkanntem Ausbildungsberuf

zu unterscheiden. Ob ein anerkannter Ausbildungsberuf vorliegt, ergibt sich aus dem vom Bundesinstitut für Berufsausbildung jährlich herausgegebenem "BiBB-Verzeichnis der anerkannten Ausbildungsberufe" (https://www.bibb.de/de/40.php, zuletzt abgerufen am 31.3.2022).

zu a)

Versicherte, bei denen nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit das Beschäftigungsverhältnis endet und die aktuell keinen anerkannten Ausbildungsberuf ausgeübt haben (An- oder Ungelernte), sind nur dann arbeitsunfähig, wenn sie die letzte oder eine ähnliche Tätigkeit nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausüben können (§ 2 Abs. 4 Satz 1 AU-RL; vgl. auch BSG, Urteil v. 9.12.1986, 8 RK 12/85). Es sind nicht mehr nur die konkreten Verhältnisse des letzten Arbeitsplatzes maßgebend.

Die Krankenkasse informiert den Vertragsarzt über das Ende der Beschäftigung und darüber, dass der Arbeitnehmer an- oder ungelernt ist, und nennt ähnlich geartete Tätigkeiten. Beginnt während der Arbeitsunfähigkeit ein neues Beschäftigungsverhältnis, so beurteilt sich die Arbeitsunfähigkeit ab diesem Zeitpunkt nach dem Anforderungsprofil des neuen Arbeitsplatzes (§ 2 Abs. 4 Satz 2 und 3 AU-RL; vgl. auch BSG, Urteil v. 15.11.1984, 3 RK 21/83).

Bezüglich der Frage, was bei einem Versicherten, dessen Beschäftigungsverhältnis nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit endete, als ähnlich geartete Tätigkeit zu verstehen ist, hat das BSG mit Urteil v. 19.1.1971 (3 RK 42/70) festgestellt, dass der Rahmen der Tätigkeiten, die einem ungelernten Arbeiter zugemutet werden kann (Verweisungstätigkeit), relativ weit zu ziehen ist. Trotzdem ist eine Verweisung auf eine andere Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt nur möglich, wenn folgende (wegen der Individualität nicht vollständig aufgezählten) Faktoren der bisher verrichteten Arbeit im Wesentlichen gleichen:

  • der bisherige Aufgabenbereich und die Art der Verrichtungen,
  • die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten,
  • die körperliche und nervliche Belastung,
  • die Einarbeitungszeit (darf nicht zu lang sein),
  • der Einfluss auf die Lebensweise des Versicherten (z.B. berufliche Reisetätigkeit mit Übernachtungen im Verweisungsberuf statt fester Arbeitsort),
  • das Vorhandensein entsprechender Arbeitsplätze auf dem Arbeitsmarkt und
  • die wirtschaftliche Gleichwertigkeit; diese ist dann gegeben, wenn die mit der Übernahme der "Verweisungstätigkeit" verbundene Einkommenseinbuße unter 10 % bleibt

(vgl. BSG, Urteil v. 14.2.2001, B 1 KR 30/00 R).

Die Zumutbarkeitskriterien der Arbeitslosenversicherung (§ 140 SGB III) oder das in der Rentenversicherung bei Erwerbsminderungsrenten anzuwendende Stufenmodell zur Feststellung des Restleistungsvermögens auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (§ 43 SGB VI) sind nicht anzuwenden (vgl. BSG, Urteil v. 14.2.2001, B 1 KR 30/00 R).

Ein offener Arbeitsplatz ist durch die Krankenkasse nicht nachzuweisen. Es reicht vielmehr aus, wenn nach Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit auf dem Arbeitsmarkt – berufsspartenübergreifend gesehen – Arbeitsstellen für ähnliche Tätigkeiten in nennenswerter Zahl vorhanden sind, die täglich zumutbar erreicht werden können. Damit endet die Arbeitsunfähigkeit, wenn rein abstrakt eine reelle Erwerbsmöglichkeit gegeben ist.

zu b)

Hat der Versicherte zuletzt einen anerkannten Ausbildungsberuf ausgeübt, so scheiden Tätigkeiten außerhalb dieses Berufes aus (vgl. auch BSG, Urteil v. 8.2.2000, B 1 KR 11/99 R). Bei diesem Versicherten ist eine Verweisung auf eine andere Tätigkeit unter den oben erwähnten Voraussetzungen (Rz. 27) und nur innerhalb des maßgebenden Ausbildungsberufs möglich. Das bedeutet: Auch eine Verweisungstätigkeit innerhalb des Ausbildungsberufs muss, was die Art der Verrichtung, die körperlichen und geistigen Anforderungen, die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten sowie die Höhe der Entlohnung angeht, mit der bisher verrichteten Arbeit im Wesentlichen übereinstimmen, sodass der Versicherte sie ohne größere Umstellung und Einarbeitung ausführen kann (BSG, Urteil vom 14.2.2001, B 1 KR 30/00 R).

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