2.1 Anerkennung neuer Heilmittel

 

Rz. 2

Neue Heilmittel dürfen zulasten der Krankenkassen nur verordnet werden, wenn der G-BA zuvor ihren therapeutischen Nutzen anerkannt hat (Verbot mit Erlaubnisvorbehalt). Dazu sind neue Heilmittel in die Richtlinie nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 aufzunehmen und Empfehlungen für die Sicherung der Qualität bei der Leistungserbringung abzugeben.

2.2 Adressat der Vorschrift

 

Rz. 3

Die Vorschrift bindet die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte. Diese dürfen keine Verordnungen zulasten der Krankenkassen ausstellen, wenn ein Heilmittel nicht in der Heilmittel-Richtlinie aufgeführt ist. Der Versicherte kann in diesen Fällen keinen Leistungsanspruch geltend machen (BSG, Urteil v. 17.2.2010, B 1 KR 23/09 R).

2.3 Heilmittel-Richtlinie

 

Rz. 4

Die Heilmittel-Richtlinie enthält einen indikationsbezogenen Katalog verordnungsfähiger Heilmittel. Dieser regelt die

  • Indikationen, bei denen Heilmittel verordnungsfähig sind,
  • Art der verordnungsfähigen Heilmittel bei diesen Indikationen und
  • Menge der verordnungsfähigen Heilmittel je Diagnosengruppe und die Besonderheiten bei Wiederholungsverordnungen (Folgeverordnungen).

2.4 Begriff "Neue Heilmittel"

 

Rz. 5

Heilmittel sind persönlich zu erbringende medizinische Leistungen (§ 32, § 2 Abs. 1 Satz 1 HeilM-RL). Sie sind ärztlich zu verordnen, dienen einem Heilzweck oder sichern einen Heilerfolg und werden nur von entsprechend ausgebildeten Personen erbracht (BSG, Urteil v. 8.11.2011, B 1 KR 20/10 R). Hierzu zählen die in der Heilmittel-Richtlinie genannten einzelnen Maßnahmen der

  • physikalischen Therapie,
  • podologischen Therapie,
  • Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie und
  • Ergotherapie.
 

Rz. 6

Einneues Heilmittelist nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung und bisher nicht in die Richtlinie über die Versorgung mit Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung einbezogen worden (BSG, Urteil v. 22.3.2012, B 8 SO 30/10 R). Neue Heilmittel sind auch solche, die für bestimmte Indikationen bereits nach der Heilmittel-Richtlinie verordnet werden können, deren Indikationsbereiche oder die Art ihrer Erbringung aber wesentlich geändert oder erweitert wurden (Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses i. d. F. v.18.12.2008, nach Änderungen in Kraft ab 5.7.2018).

2.5 Leistungen im Ausland

 

Rz. 7

Die Voraussetzungen des Leistungsanspruchs sowie die Anerkennung durch den G-BA gelten auch, wenn die Leistung im Ausland in Anspruch genommen wird. Ein im Ausland entwickeltes Heilmittel unterliegt ebenfalls dem Erlaubnisvorbehalt der Vorschrift (BSG, Urteil v. 3.9.2003, B 1 KR 34/01 R).

2.6 Anerkennungsverfahren

 

Rz. 8

Die Anerkennung eines neuen Heilmittels ist durch den Leistungserbringer zu beantragen (BSG, Urteil v. 26.9.2006, B 1 KR 3/06 R). § 135 Abs. 1 Satz 1 ist entsprechend anzuwenden. Der G-BA entscheidet durch Beschluss. Der Antragsteller wird durch einen positiven Beschluss gleichzeitig als Leistungserbringer zugelassen (§ 124 Abs. 2). Gegen einen ablehnenden Beschluss kann der Leistungserbringer vor den Sozialgerichten klagen. Der Versicherte ist nicht klagebefugt gegen die Entscheidung des G-BA. Er kann seinen Leistungsanspruch nur gegenüber der Krankenkasse einklagen.

2.7 Ausdehnung des Erlaubnisvorbehalts

 

Rz. 9

Wenn einem Heilmittel die Anerkennung fehlt, kann der Leistungsanspruch nicht im Wege der Kostenerstattung durchgesetzt werden (§ 13 Abs. 4; BSG, Urteil v. 30.6.2009, B 1 KR 19/08 R). Es ist auch nicht zulässig, das nicht anerkannte Heilmittel durch ein Hilfsmittel zu ersetzen.

2.8 Ausnahmen

2.8.1 Systemversagen

 

Rz. 10

Eine Leistungspflicht der Krankenkasse besteht ausnahmsweise bei einem Systemversagen auch ohne Anerkennung des Heilmittels (BSG, Urteil v. 7.5.2013, B 1 KR 44/12 R). Zu einem Systemversagen kommt es, wenn das Verfahren vor dem G-BA von den antragsberechtigten Stellen oder dem G-BA selbst überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder nicht ordnungsgemäß betrieben wird und dies auf eine willkürliche oder sachfremde Untätigkeit oder Verfahrensverzögerung zurückzuführen ist.

2.8.2 Seltenheitsfall

 

Rz. 11

Die Krankenkasse ist ausnahmsweise auch ohne Anerkennung in einem Seltenheitsfall leistungspflichtig (BSG, Urteil v. 21.3.2013, B 3 KR 2/12 R). Ein Seltenheitsfall setzt voraus, dass eine Krankheit weltweit nur extrem selten auftritt und deshalb im nationalen wie im internationalen Rahmen weder systematisch erforscht noch systematisch behandelt werden kann.

2.8.3 Lebensbedrohliche Erkrankung

 

Rz. 12

Versicherte, die an einer

  • lebensbedrohlichen Erkrankung,
  • regelmäßig tödlichen Erkrankung oder
  • wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung

leiden, können Leistungen beanspruchen, die nicht als Heilmittel durch den G-BA anerkannt sind (§ 2 Abs. 1a Satz 1; BVerfG, Beschluss v. 6.12.2005, 1 BvR 347/98; BSG, Urteil v. 13.10.2010, B 6 KA 47/09 R m. w. N.). Es muss eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehen. Die Leistung ist vor dem Beginn der Behandlung durch den Versicherten oder einen behandelnden Leistungserbringer zu beantragen. Die Krankenkasse erklärt die Kostenübernahme (§ 2 Abs. 1a Satz 2).

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