2.3.1 Wissenschaftliches Gutachten

 

Rz. 22

Aufgrund des MDK-Reformgesetzes (vgl. Rz. 1f) waren der GKV-Spitzenverband, die DKG und die KBV verpflichtet worden, in einem ersten Schritt bis zum 31.3.2020 ein gemeinsames wissenschaftliches Gutachten in Auftrag zu geben, in dem der Stand der medizinischen Erkenntnisse zu ambulant durchführbaren Operationen, stationsersetzenden Eingriffen und stationsersetzenden Behandlungen untersucht wird (Abs. 1a). Deutschland gehört zu den Ländern, in denen im internationalen Vergleich Operationen überdurchschnittlich häufig stationär durchgeführt werden. Einer der Gründe hierfür dürfte sein, dass der AOP-Katalog nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 seit 2005 nur marginal überarbeitet worden ist. Das deute nach der Gesetzesbegründung darauf hin, dass das Potenzial für ambulante Operationen derzeit in Deutschland noch unzureichend ausgeschöpft wird.

Zur Vorbereitung einer substantiellen Erweiterung des AOP-Katalogs sind die vorgenannten Vertragsparteien angehalten worden, kurzfristig, d. h. bis 31.3.2020, gemeinsam ein wissenschaftliches Gutachten in Auftrag zu geben, in dem untersucht wird, welche Operationen, stationsersetzenden Eingriffe und stationsersetzenden Behandlungen nach dem derzeitigen Stand der medizinischen Erkenntnisse ambulant erbracht werden können (Abs. 1a). Im Gutachten sollten Erkenntnisse aus bereits vorliegenden Studien zu ambulant-sensitiven Diagnosen und vermeidbaren Krankenhausfällen berücksichtigt werden. Um zu gewährleisten, dass das Gutachten eine wissenschaftlich fundierte und nachvollziehbare Grundlage für die Entwicklung von Kriterien für ambulante Eingriffe und Behandlungen bildet, sollte das Gutachten bestehende Leitlinien der medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften einbeziehen. Da in der Vergangenheit ein Umsetzungsdefizit im Hinblick auf den AOP-Katalog bestand, sollte das Gutachten die untersuchten Operationen, Eingriffe und Behandlungen konkret benennen. Darüber hinaus sollten in Verbindung mit der differenzierten Ausgestaltung des AOP-Kataloges auch verschiedene Maßnahmen zur Differenzierung der Fälle nach dem Schweregrad analysiert werden.

Nach Abs. 1a Satz 3 war im Gutachtenauftrag vorzusehen, dass das Gutachten spätestens innerhalb eines Jahres nach Auftragserteilung fertigzustellen ist.

Wegen der durch das neuartige Coronarvirus SARS-CoV-2 verursachten Pandemie und der damit einhergehenden Belastung alle Akteure des Gesundheitsbereiches und insbesondere auch der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wurden die genannten Fristen mehrfach verlängert. Den Gutachtenauftrag erhielt die Institut für Gesundheits- und Sozialforschung GmbH (IGES) in Berlin. Diese legte das rund 300 Seiten starke Gutachten am 1.4.2022 vor (https://www.kbv.de/media/sp/IGES_AOP_Gutachten_032022.pdf). Auf der Basis dieses Gutachtens erfolgte sodann der Vertragsschluss zum neuen AOP-Vertrag am 21.12.2022 mit Wirkung ab 1.1.2023. Diese Vereinbarung ersetzt damit gemäß Abs. 1 Satz 2 den AOP-Vertrag aus dem Jahr 2012.

2.3.2 Ergebnisse des Gutachtens/Erweiterter AOP-Katalog

 

Rz. 23

Das Gutachten (Kurzfassung unter https://www.iges.com/sites/igesgroup/iges.de/myzms/content/e6/e1621/e10211/e27603/e27841/e27842/e27844/attr_objs27939/IGES_AOP_Gutachten_Kurzfassung_032022_ger.pdf) kommt zu dem Ergebnis, dass zu den bislang 2.879 im AOP-Katalog vereinbarten Leistungen 2.476 Leistungen gemäß Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) neu hinzu kommen könnten, ein Plus von 86 % auf insgesamt 5.355 Leistungen. Die meisten der für eine Erweiterung vorgeschlagenen Leistungen sind Operationen, vor allem Operationen an der Haut, am Auge sowie am Muskel- und Skelettsystem (rund 60 %, 1.482 Leistungen). Die zweithäufigste Neuaufnahme mit 546 Leistungen sind diagnostische Maßnahmen wie diagnostische Endoskopien. Neben OPS-Leistungen wählten die Gutachter für den Bereich nicht-operative Behandlungen über DRG definierte Leistungen aus und empfahlen sie für eine Erweiterung des Katalogs. Dabei handelt es sich um die 20 fallstärksten DRGs, die nicht über eine medizinisch dominante Prozedur definiert sind, 31 DRGs, die ohne komplexen Leistungskette beschrieben werden sowie 14 DRGs, die konservative Behandlungen von Tumorfällen ohne komplexe Konstellation und ohne äußerst schwere Komplikationen oder Komorbidität beschreiben.

Das Gutachten nennt ferner auch OPS Leistungen, die aus dem gegenwärtigen Katalog entfallen könnten, weil sie im Jahre 2019 nicht erbracht bzw. dokumentiert worden sind oder im Widerspruch zu den übergeordneten medizinischen Kriterien stehen.

Für die Kontextprüfung wurden im Gutachten ferner allgemeine Sachverhalte definiert, bei deren Vorliegen die stationäre Durchführung einer OPS-Leistung begründet ist. Im Hinblick auf Vergütung relevante Aufwandsunterschiede, die durch Schweregrad Differenzierungen abgebildet werden, lag der Fokus auf Unterschiede der medizinisch erforderlichen perioperativen Versorgung bzw. nach Betreuung sowie die postoperative Nachsorge im Anschluss an ambulant durchgeführte Operationen und Eingriffe.

Zum 1.1.2023 werden die G-AEP-Kriterien du...

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