Rz. 7

Krankenkassen sind berechtigt, die rechtmäßig erhobenen und gespeicherten versichertenbezogenen Daten (§ 284 Abs. 1) im erforderlichen Umfang auszuwerten (Satz 1). Mit den bereits vorhandenen Sozialdaten kann die Krankenkasse den konkreten Versorgungsbedarf und den möglichen Einfluss digitaler Innovationen auf die Versorgung ermitteln und positive Versorgungseffekte digitaler Anwendungen evaluieren. Die Daten sind vor der Auswertung zu pseudonymisieren (Satz 2). Dabei werden der Name und andere Identifikationsmerkmale durch ein Kennzeichen ersetzt, um die Bestimmung des Betroffenen auszuschließen oder wesentlich zu erschweren (§ 3 Abs. 6a BDSG). Die Krankenkasse hat die pseudonymisierten Daten zu anonymisieren, wenn den Zwecken der Datenauswertung auch mit anonymisierten Daten entsprochen werden kann (Satz 3). Dabei werden personenbezogene Daten derart verändert, dass die Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse nicht mehr oder nur mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeitskraft einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person zugeordnet werden können. Eine Einwilligung der Versicherten ist nicht erforderlich.

 

Rz. 8

Eine Übermittlung der Daten an Dritte (Abs. 3, 4) ist ausgeschlossen (Satz 4). Hierdurch wird sichergestellt, dass nur die Krankenkasse die versichertenbezogenen Daten für die Analyse der Versorgungsbedarfe, -einflüsse und -effekte auswerten kann.

 

Rz. 8a

§§ 303a ff. etablieren dazu ein neues Datentransparenzverfahren, in dem die in § 303b Abs. 1 Satz 1 genannten Daten der gesetzlich Versicherten (u. a. Alter, Geschlecht, Wohnort und bestimmte Gesundheitsdaten) an den GKV-Spitzenverband als Datensammelstelle übermittelt und von diesem anschließend an ein Forschungsdatenzentrum weitergegeben werden. Dieser Vorgang wird von einem Pseudonymisierungsverfahren begleitet, das maßgeblich durch eine Vertrauensstelle durchgeführt wird. Dabei soll gewährleistet sein, dass die Pseudonyme kassenübergreifend eindeutig einem bestimmten Versicherten zugeordnet werden können, um basierend auf diesen Zuordnungen beispielsweise medizinische Langzeitstudien oder Längsschnittanalysen durchführen zu können.

 

Rz. 8b

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit hat im Gesetzgebungsverfahren in einer Stellungnahme vom 23.10.2019 Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit geäußert. In einem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht würden sich komplexe Fragen der verfassungsrechtlichen Datenschutzdogmatik stellen, insbesondere die Frage, ob die vom Gesetzgeber verfolgten Zwecke auch durch eine in Umfang, Erhebungs- oder Verarbeitungsmodalitäten begrenzte Datennutzung (z. B. durch verpflichtend einzuholende Einwilligungen oder weiter als bisher reichende Widerspruchsmöglichkeiten der Versicherten) im Ergebnis ohne nennenswerte Abstriche hinsichtlich Repräsentativität und Qualität des Datenmaterials erreicht werden könnten. Das BVerfG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Außerkraftsetzung der §§ 68a und 303a bis 303f allerdings abgelehnt. Zu Begründung hat das Gericht u. a. ausgeführt: Ein irreversibler Nachteil trete nicht unmittelbar durch den Vollzug der angegriffenen Vorschriften ein, sondern erst dann, wenn – entgegen der gesetzlich angeordneten Pseudonymisierung oder Anonymisierung – durch die datenverarbeitenden Stellen ein Personenbezug zu bestimmten Versicherten hergestellt wurde, was das Gesetz durch verschiedene Vorkehrungen und prozedurale Sicherungen gerade zu verhindern sucht. Erginge die beantragte einstweilige Anordnung, so würde das Ziel des Gesetzgebers, den Bedarf und die Effekte von digitalen Anwendungen mittels empirischer Datengrundlage zuverlässiger einschätzen zu können, zeitlich aufgeschoben und damit erheblich erschwert. Im Falle der §§ 303a ff stünden die zu übermittelnden Daten für die nutzungsberechtigten Akteure hingegen überhaupt nicht zentral abrufbar zur Verfügung, sodass sie nicht für wichtige gemeinwohlrelevante Belange wie für die medizinische Forschung genutzt werden könnten (Beschluss v. 19.3.2020, BvQ 1/20).

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