2.1 Begriff der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) – Abs. 1

2.1.1 Überblick

 

Rz. 17

Nach der Definition in Satz 1 umfasst die ASV die Diagnostik und Behandlung komplexer, schwer therapierbarer Krankheiten, die je nach Krankheit eine spezielle Qualifikation, eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und besondere Ausstattungen erfordern. Ihren konkreten Inhalt enthält Satz 1 erst durch die enumerativ aufgezählten Krankheitsverläufe, die zu einer spezialfachärztlichen Versorgung gezählt werden. Der Begriff der ASV verdeutlicht, dass diese besondere Versorgungsform außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung fachärztliche Qualifikationen voraussetzt und deshalb im Regelfall den für die ASV teilnahmeberechtigten niedergelassenen Fachärztinnen und Fachärzten oder den Fachärztinnen und Fachärzten in zugelassenen Krankenhäusern vorbehalten ist. In Betracht kommen je nach Krankheitsart alle für die Diagnostik und Therapie dieser Krankheit geeigneten Facharztgruppen nach dem ärztlichen Berufsrecht, einen berufsrechtlichen "ASV-Spezialfacharzt" gibt es nicht. Da gemäß Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift aber grundsätzlich alle an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer zur Teilnahme an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung berechtigt sind, können im Einzelfall (z. B. innerhalb der HIV/AIDS-Versorgung) auch Fachärzte des häuslichen Versorgungsbereichs an der ASV teilnehmen, wenn sie die dafür maßgeblichen Anforderungen und Voraussetzungen erfüllen, die in der ASV-RL des G-BA nach Abs. 4 bzw. in den entsprechenden Anlagen zur ASV-RL enthalten sind. Ferner gehören die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Psychotherapeuten dazu, falls ihre Leistungen zum Behandlungsumfang der ASV gehören, den der G-BA in der ASV-RL festgelegt hat bzw. wenn in der Richtlinie nichts Abweichendes bestimmt ist (vgl. § 1 Abs. 4 der Richtlinie). Ob ein vertragszahnärztlicher Leistungserbringer an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung beteiligt ist, dürfte unter praktischen Gesichtspunkten eher die Ausnahme bleiben, hängt aber letztlich davon ab, ob in den Anlagen der Richtlinie eine entsprechende Konkretisierung der zahnärztlichen Leistungen für die Durchführung der ASV enthalten ist. Ausgeschlossen sind Ärzte, die nicht vertragsärztlich tätig sind.

Die ASV umfasst die Diagnostik und die Behandlung komplexer, schwer therapierbarer Krankheiten, die entweder

  • besondere medizinische Kenntnisse oder Erfahrungen voraussetzen, die deutlich über allgemeine Facharztqualifikationen hinausgehen, und/oder
  • die Vorhaltung eines interdisziplinären Teams erfordern und/oder
  • besonders hohe Anforderungen an die Strukturqualität (aufwendige organisatorische, bauliche, apparativtechnische oder hygienische Anforderungen) stellen.

Der Verweis auf "je nach Krankheit" in Abs. 1 Satz 1 macht deutlich, dass es bei bestimmten, insbesondere seltenen Krankheiten nicht notwendig ist, dass für deren Versorgung im Rahmen der ASV alle 3 genannten Voraussetzungen gemeinsam erfüllt sein müssen. Die Notwendigkeit einer besonderen Expertise des Leistungserbringers bei der Diagnostik oder Therapie begründet z. B. für die seltenen Erkrankungen bereits die Zugehörigkeit zur ASV. Die Diagnostik und Behandlung der ASV beziehen sich gemäß § 27 auch auf die Leistungen nichtärztlicher Personen, wenn deren Leistungen unter ärztlicher Verantwortung im Rahmen der ASV erbracht werden. § 2 Abs. 1 Satz 2 der ASV-RL koppelt die ASV regelmäßig an die Zusammenarbeit in einem interdisziplinären Team. Die ASV durch ein fachübergreifendes Team, zu dem nicht nur Mediziner gehören, ist mithin nach Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift der Regelfall. Wenn aber bei bestimmten Indikationen allein die besondere Expertise eines einzelnen Arztes oder besondere technische Anforderungen die Zugehörigkeit zur ASV begründen sollte, ist dies im Sinne einer Ausnahmeregelung in den Anlagen entsprechend kenntlich gemacht.

Trotz der Verwendung des Wortes "insbesondere" in Satz 2 ist die Aufzählung in Abs. 1 abschließend (Blöcher, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 116b Rz. 20). Diese hier vorgenommene Folgerung ergibt sich aus dem Gegenschluss zu Abs. 5 Satz 1, wo dem G-BA lediglich die Ergänzung zu den bereits bestehenden Fallgruppen zugestanden wird. Der G-BA hat hingegen kein Recht, die in Abs. 1 vorgegebenen Krankheiten einzuschränken, zu reduzieren oder aufzuheben. Nach Abs. 2 Satz 2 bestimmt der G-BA allerdings den Behandlungsumfang (Abs. 4 und 5) der Leistungen der ASV. Damit ist zugleich festzuhalten, dass mit der ASV erst begonnen werden kann, wenn ein entsprechender, wirksamer Richtlinienbeschluss vorhanden ist.

2.1.2 Besondere Krankheitsverläufe (1. Fallgruppe)

 

Rz. 18

Praxisrelevant ist vor allem die erste Fallgruppe, die unter Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 aufgeführt ist. Ursprünglich war der Katalog auf schwere Verlaufsformen beschränkt (zur Kritik: Blöcher, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 116b Rz. 26). Nach den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 17/8005 S. 152) soll es sich in der ersten Fallgruppe um Erkrankungen handeln, die sich bereits durch die Krankheit oder durch das Krankheitsbild selbst typischerweise ergeben, ode...

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