Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung. Kostenübernahme für einen Integrationshelfer bei Besuch einer Regelschule. Schulrecht Rheinland-Pfalz. Wahlrecht der Eltern bzgl der Schulform. Bindung des Sozialhilfeträgers an diese Entscheidung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Sozialhilfeträger ist seit dem Schuljahr 2014/2015 an die Wahl der Eltern eines behinderten Kindes hinsichtlich der Schulform im Rahmen der Inklusion gebunden.

2. Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff SGB 12 in Form der Kostenübernahme für einen Integrationshelfer ist auch dann zu gewähren, wenn der Sozialhilfeträger das behinderte Kind für den Besuch einer Regelschule nicht für geeignet hält.

3. Die voraussichtlich stark ansteigenden Kosten für die Bezahlung von Integrationshelfern beim Schulbesuch behinderter Kinder im Rahmen der Inklusion sind politisch gewollt und von dem Sozialhilfeträger zu finanzieren.

 

Tenor

1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab 7.9.2015 Eingliederungshilfe in Form der Bereitstellung eines Integrationshelfers während des Schulbesuches der Schwerpunkteschule/Grundschule G. zu gewähren bis zum rechtskräftigen Abschluss des Widerspruchsverfahrens des Antragstellers gegen den Bescheid vom 15.5.2015, längstens bis 15.7.2016.

2. Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme für eine Eingliederungshilfe in Form der Bereitstellung eines Integrationshelfers für den am 7.9.2015 beginnenden Schulbesuch des Antragstellers an der Schwerpunktschule/Grundschule G.

Der am …2008 geborene Antragsteller leidet unter einer komplexen Entwicklungsstörung der Motorik, Sprache und des Sozialverhaltens nach wahrscheinlich hypoxisch-ischämischer Enzephalitis im Säuglingsalter. Seit dem 5.8.2011 erhält er Eingliederungshilfe für den Besuch der integrativen Kindertagesstätte in H. auf einem sonderpädagogischen Platz. Die Einschulung, die ursprünglich für das Schuljahr 2014/2015 geplant war, wurde um ein Jahr zurückgestellt.

Am 26.1.2015 beantragten die Eltern des Antragstellers die Gewährung von Eingliederungshilfe in Form der Kostenübernahme für einen Integrationshelfer für den Besuch des Antragstellers an der Schwerpunktschule G. In der vorgelegten schulärztlichen Stellungnahme der Schulärztin W. vom 16.1.2015 wurde ausgeführt, der Antragsteller besuche die integrative Kindertagesstätte in H. und erhalte dort Logopädie, Ergotherapie und Heilpädagogik. Er falle dort durch teilweise unkontrolliertes Verhalten mit häufigen Wutausbrüchen auf. Bei der Untersuchung habe sich kein Aufgabenverständnis ergeben, kaum Mitarbeit, eine motorische Unruhe sowie eine geringe Konzentrationsspanne. Aufgrund des sehr hohen Förderbedarfs werde aus schulärztlicher Sicht die Einschulung in eine Förderschule befürwortet. Bei Einschulung in eine Schwerpunktschule sei eine Integrationskraft zwingend erforderlich. In der individuellen Teilhabeplanung vom Januar 2015 wurde ausgeführt, aus pädagogischer/heilpädagogischer Sicht benötige der Antragsteller trotz seiner großen Fortschritte im alltäglichen und sozialen Umgang aufgrund seiner starken Einschränkungen in allen Bereichen weiterhin intensivste Förderung. Beim Elterngespräch sei den Eltern der Besuch einer Förderschule empfohlen worden. Auch ergotherapeutisch wurde aufgrund der umfänglichen, tiefgreifenden Entwicklungsstörung der Besuch der Förderschule, alternativ einer Schwerpunktschule empfohlen. Psychologisch wurden Fortschritte in der Impulskontrolle und im Verhalten des Antragstellers erzielt, der Besuch eines Förderzentrums ab dem Jahr 2015 wurde aufgrund seiner kognitiven Rückstände empfohlen. In der Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfes vom 16.4.2015 wurde ausgeführt, der Antragsteller weise eine komplexe Entwicklungsstörung der Motorik, Sprache, Kognition und des Sozialverhaltens auf. Die IQ-Werte lägen in allen Testverfahren im Bereich der geistigen Behinderung. Es sei von umfänglichem, langandauerndem sonderpädagogischen Förderbedarf in allen Bereichen auszugehen. Insbesondere die von den Eltern gewünschte Beschulung in der Schwerpunktschule erfordere besondere Lernbedingungen. Es bestehe individueller Förderbedarf in Form einer permanenten Begleitung, Betreuung, Unterstützung und Beaufsichtigung in allen Bereichen des schulischen Alltags. Unabdingbar seien sehr stark strukturierte Lernangebote, damit der Antragsteller diese Lernanforderungen meistern könne. Er benötige weiterhin Hilfe bei allen alltäglich wiederkehrenden Verrichtungen wie An- und Ausziehen, Essenbegleitung und -portionierung, Toilettengang und Ähnliches. Es bestehe ein außerordentlich hoher Aufsichtsbedarf, da er Gefahren nicht abschätzen könne und stark unfallgefährdet sei. Eine feste und klare pädagogische Führung sei nötig, um Impulskontrolle und Verhaltensauffälligkeiten positiv...

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