Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsarzt. defensive Konkurrentenklage. Erfordernisse für eine Drittanfechtungsberechtigung gegen Genehmigung zur Durchführung künstlicher Befruchtungen. keine Verletzung des Grundrechts auf freie Berufswahl- und Berufsausübung

 

Orientierungssatz

1. Im Falle einer defensiven Konkurrentenklage reicht es für die Anfechtungsbefugnis aus, wenn die behauptete Verletzung einer eigenen materiellen Rechtsposition zumindest möglich erscheint und nicht von vornherein offensichtlich und eindeutig nach allen in Frage kommenden Betrachtungsweisen ausgeschlossen ist (vgl BSG vom 17.6.2009 - B 6 KA 38/08 R = SozR 4-2500 § 101 Nr 5, vom 17.10.2007 - B 6 KA 42/06 R = BSGE 99, 145 = SozR 4-2500 § 116 Nr 4 und vom 7.2.2007 - B 6 KA 8/06 R = BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10).

2. Eine Drittanfechtungsberechtigung ist nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung anzuerkennen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: Erstens müssen der Anfechtende und der Konkurrent im selben räumlichen Bereich die gleichen Leistungen anbieten. Zweitens muss dem Konkurrenten durch die Entscheidung die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung eröffnet oder erweitert und nicht nur ein weiterer Leistungsbereich genehmigt werden. Drittens muss der dem Konkurrenten eingeräumte Status nachrangig gegenüber demjenigen des Anfechtenden sein; dies ist der Fall, wenn die Einräumung des Status an den Konkurrenten vom Vorliegen eines Versorgungsbedarfs abhängt, der von den bereits zugelassenen Ärzten nicht abgedeckt wird (vgl BSG vom 17.6.2009 - B 6 KA 25/08 R = BSGE 103, 269 = SozR 4-1500 § 54 Nr 16, vom 17.6.2009 - B 6 KA 38/08 R aaO, vom 28.10.2009 - B 6 KA 42/08 R = BSGE 105, 10 = SozR 4-5520 § 24 Nr 3, Urteil vom 7.2.2007 - B 6 KA 8/06 R aaO und LSG Stuttgart vom 12.3.2010 - L 5 KA 3725/09 ER-B).

3. Diese Voraussetzungen sind bei der Regelung des § 121a Abs 2 SGB 5 nicht sämtlich erfüllt. Sie vermittelt dem Kläger deshalb keinen Drittschutz.

4. Das Grundrecht auf freie Berufswahl- und Berufsausübung gemäß Art 12 Abs 1 GG gewährt keinen Schutz vor Konkurrenz. Die Vertragsärzte haben aufgrund ihres Zulassungsstatus keinen Rechtsanspruch auf die Sicherung einer wirtschaftlich ungefährdeten Tätigkeit (vgl BVerfG vom 17.8.2004 - 1 BvR 378/00 = SozR 4-1500 § 54 Nr 4).

5. Aktenzeichen beim LSG Stuttgart: L 5 KA 2791/12

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 30.10.2013; Aktenzeichen B 6 KA 5/13 R)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der gegenüber der Beigeladenen erteilten Genehmigung zur Durchführung künstlicher Befruchtungen nach § 121a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).

Der Kläger ist als Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung mit Sitz in K. zugelassen. Er verfügt über eine Genehmigung zur Durchführung künstlicher Befruchtungen gemäß § 121a SGB V, die unter der Bezeichnung “K. IVF Programm„ durchgeführt werden. Die Beigeladene ist ein von zwei Fachärzten für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin geführtes Medizinisches Versorgungszentrum und nimmt bislang mit Vertragsarztsitz in B. an der vertragsärztlichen Versorgung teil.

Am 19.8.2010 beantragte die Beigeladene bei der Beklagten die Erteilung einer Genehmigung nach § 121a Abs. 2 SGB V zur Durchführung der Leistungen in den Räumen des Kreiskrankenhauses R. Mit Vorstandsbeschluss vom 26.11.2010 erteilte die Beklagte die beantragte Genehmigung (Bescheid vom 30.11.2010). Der hiergegen am 7.12.2010 erhobene Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 25.5.2011 als unbegründet zurückgewiesen. Der Kläger sei durch die der Beigeladenen erteilte Genehmigung nicht in eigenen Rechten betroffen. Da die Regelung des § 121a SGB V keine drittschützende Wirkung entfalte, bestehe keine Drittanfechtungsbefugnis. Bloße finanzielle Interessen lösten keine drittschützende Wirkung aus, weil das Grundrecht auf Berufsfreiheit keinen Schutz vor Konkurrenz vermittle. Drittschutz lasse sich auch nicht unmittelbar aus der Vorschrift des § 121a SGB V ableiten, da der Kläger hierdurch keinen vertragsärztlichen Basisstatus erreiche. Ein solcher Basisstatus werde allein durch die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung begründet, weil hierdurch erstmalig der Zugang zur Behandlung gesetzlich Versicherter ermöglicht werde. Da die Genehmigung nach § 121a SGB V eine Basiszulassung als Facharzt für Gynäkologie voraussetze, handle es sich lediglich um die Erweiterung der vertragsärztlichen Befugnis, Leistungen der assistierten Reproduktion gegenüber gesetzlich Versicherten zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringen. Schließlich komme dem Kläger gegenüber der Beigeladenen kein Vorrang zu. Im Übrigen ergebe sich selbst dann, wenn § 121a SGB V drittschützende Wirkung entfalten sol...

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